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Den Krebszellen die Unsterblichkeit nehmen

Krebszellen unterscheiden sich von gesunden Zellen vor allem dadurch, dass sie nicht sterben und sich stattdessen rasant vermehren. Bei der Zellalterung spielt aber das Enzym Telomerase eine wichtige Rolle, wie die Nobelpreisträger von 2009 herausgefunden haben. Kann man durch blockieren der Telomerase auch den Krebs besiegen?

Von Martin Winkelheide | 05.10.2009
    Die entscheidenden Entdeckungen habe sie vor 25 Jahren gemacht, sagt Carol Greider. Ob sich das Nobelpreis-Komitee ungewöhnlich viel Zeit bis zur Ehrung gelassen habe, das könne sie nicht entscheiden.

    Am Anfang stand die Arbeit mit einem Einzeller, einem Wimpertierchen mit Namen Tetrahymena.

    "Wir haben mit Wimpertierchen gearbeitet, denn die so genannten Tetrahymena besitzen 44.000 Chromosomen. Und wir haben bei ihnen einen sehr ungewöhnlichen Weg entdeckt, wie die Chromosomen-Enden erhalten und neu aufgebaut werden. Und zwar durch ein Enzym, das wir Telomerase genannt haben."

    Die Telomerase spielt nicht nur bei Wimpertierchen eine wichtige Rolle. Das Enzym verleiht beim Menschen Krebszellen ewige Jugend. Die Telomerase ist aktiv, erneuert immer wieder die Schutzkappen an den Enden der Chromosomen. Die Folge ist, sagt Carol Greider, dass ein Tumor nicht von alleine verschwindet und Krebszellen nicht absterben.

    Ist es möglich, Krebszellen ihre Unsterblichkeit zu nehmen? Sie zu normalen alternden, sterblichen Zellen zu machen, indem die Telomerase ausgeschaltet wird? Carol Greider hat es ausprobiert.
    "Wir haben in Tierversuchen Mäuse gentechnisch so verändert, dass in allen Mäusezellen - also auch in Krebszellen - keine Telomerase hergestellt werden kann. Und wir konnten zeigen, dass in diesen Mäusen Tumore deutlich langsamer wachsen."

    Medikamente zu entwickeln, die gezielt die Telomerase blockieren, hat sich als schwierig erwiesen. Aber das US-amerikanische Pharmaunternehmen Geron hat eine Art Impfung gegen die Telomerase entwickelt. Das Konzept: Krebspatienten bekommen Bruchstücke der Telomerase gespritzt. Ihr Immunsystem lernt, die Telomerase zu erkennen und zu attackieren. Zur Zeit wird das Konzept klinisch erprobt: als Impfung gegen Brust- und Prostatakrebs sowie bestimmte Formen von Blutkrebs. Ergebnisse der Studien liegen noch nicht vor.

    Mit der Blockade der Telomerase allein aber wird sich Krebs nicht heilen lassen, davon ist Carol Greider überzeugt.

    "Krebszellen teilen sich viel häufiger als andere Zellen. Daher werden Telomerase-Hemmer auch einen besonders starken Effekt auf Krebszellen haben und die Nebenwirkungen werden sich in Grenzen halten. Aber es geht auch nicht darum, Telomerase-Hemmer über lange Zeit anzuwenden. Es ist sinnvoller, sie für kurze Zeit und in Kombination mit anderen Krebsmedikamenten zu verabreichen, um so gezielt die sich schnell teilenden Krebszellen anzugreifen."