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Deponie für die Ewigkeit

Medizin. - Am 25. Februar 1977 gab der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht bekannt, dass Gorleben vorläufiger Standort für ein Endlager hochaktiver Atomabfälle ist. Ein wichtiges Entscheidungskriterium: Das Dorf lag an der Grenze zur DDR – und damit in einem höchst strukturschwachen Gebiet. Die Politiker hatten diese Entscheidung hinter verschlossenen Türen getroffen, ohne die Bürger – und so regte sich ein immer heftigerer Widerstand. Inzwischen ruht die Erkundung des Gorlebener Salzstocks, die Suche nach einem Endlager soll wieder neu ausgeschrieben werden – diesmal mit Einbindung der Bürger. Um die Spielregeln für diese Bürgerbeteiligung und die Kriterien für die geologischen Eignung solcher Endlagerstandorte aufzustellen, hat Umweltminister Jürgen Trittin den Arbeitskreis AK End gegründet. Der hat sich am vergangenen Wochenende in Berlin zu seinem Dritten Workshop getroffen. Im Dezember will er Trittin seine Ergebnisse vorlegen.

21.10.2002
    Von Dagmar Röhrlich

    Trotz des Atomausstiegs hat sich die Frage "Wohin mit dem Atommüll?" keineswegs erledigt. Rund 24.000 Kubikmeter hochaktiven Abfalls in Form von Brennstäben und Glaskokillen aus der Wiederaufarbeitung suchen einen Platz für die "Ewigkeit". Dazu kommt eine stetig wachsende Masse an schwach- und mittelaktiven Abfällen aus Kernkraftwerken, Forschungseinrichtungen und Medizin. Alles soll in einer Deponie landen, in "tiefen geologischen Schichten", am liebsten mehr als 1000 Meter unter der Erde. Dabei soll das Gestein selbst für die Sicherheit sorgen, technische Barrieren sollen nur ergänzen. 2030 möchte man das Endlager eröffnen. Und es soll für eine Million Jahre Sicherheit bieten – für den Menschen eine Ewigkeit, für die Geologie nur der Bruchteil einer Sekunde. Der wichtigste Faktor ist das Wasser, erklärt Jürgen Kreusch von der Gruppe Ökologie in Hannover:

    Weil der Transport des radioaktiven Materials mit dem Grundwasser das wichtigste Problem ist, dann braucht man, wenn man das verhindern will, Gesteine, die gering wasserdurchlässig sind, dann kommt man vielleicht auf Ton oder Salz oder so etwas.

    Auf Salze und Tone setzt auch Wernt Brewitz von der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit GRS, falls das Gestein die wichtigste Barriere sein soll:

    Selbstverständlich kann man auch ein Granitgebirge für ein Endlager in Betracht ziehen, aber das erfordert vor dem Hintergrund dieses 1-Million-Jahr-Kriteriums die zusätzliche Konstruktion von, wie wir sagen, geotechnischen Barrieren.

    Denn im Granit gibt es immer Klüfte und damit Wege, über die Wasser ins Endlager eindringen kann. Unterschiedliche Gesteine stellen unterschiedliche Anforderungen an den Standort. So ist Hitze im Salz und Granit kein Problem, während Tone empfindlich reagieren. Potentielle Endlager wären also unterschiedlich groß. Bei Salz sieht die Rechnung für Hochaktives so aus:

    Bei diesen Mengen, die jetzt in der Restlaufzeit der KKW anfallen und die schon da sind, hat einen Flachenbedarf von drei Quadratkilometern, wenn sie das in einem anderen Gestein machen, dann haben sie eine andere Grenze, denn wir müssen unterhalb der Siedetemperaturen bleiben, unterhalb von 100 Grad, das heißt, die Abfälle werden kleiner verpackt und verteilen sich auf eine weitere Fläche, da haben wir einen größeren Flächenbedarf der sich ungefähr auf zehn Quadratkilometer einstellt.

    Viele Experten im AK End sehen vor allem die Regierungsforderung nach einem einzigen Endlager kritisch. Ein Problem: Während hochaktive Abfälle Wärme entwickeln, setzen schwach- und mittelaktive Abfälle oft Gas frei – eine Kombination mit Risiken. Das Gas könnte Klüfte öffnen, auf denen Wasser eindringt oder Radioaktivität aus dem hochaktivem Abfall nach außen gelangt. Volkmar Bräuer von der Bundesanstalt für Geowissenschaften:

    Das ist das Hauptproblem bei den schwach- und mittelaktiven Abfällen, dass es ebene eine Gasentwicklung gibt, die hauptsächlich aus den Abfällen selber kommt, aber dann auch noch zusätzlich gefördert wird durch Wasserzutritt. Und wenn dann noch Wärme dazukommt, dann wird die Gasentwicklung noch einmal ansteigen. Das ist der Zielkonflikt, den man hat. Auf der einen Seite will man ein möglichst dichtes Endlager haben, man versucht die Schadstoffe so lange wie möglich durch diese dichte Schicht, die um dieses Endlager herum ist, von der Biosphäre abhält. Auf der anderen Seite eine gewisse Toleranz in Anspruch nehmen, man muss also auch eine die Durchlässigkeit dieser Schichten fordern, wenn es zu einer Gasentwicklung kommt.

    Diesem Konflikt hofft man durch eine "günstige geologische Gesamtsituation" zu entgehen. Man müsste eine Struktur finden, in deren Zentrum gasdurchlässige Schichten sind, die nach allen Seite von dichten Steinen umschlossen ist. Der "AK End" hatte nicht zu entscheiden, ob es eines oder mehrere Endlager geben soll, betonen die Experten. Sie hatten ihre Vorgaben und sollten damit ein möglichst transparentes Verfahren erarbeiten. Die Entscheidungen über das "Was" und "Wie" geht an die Politiker.