Von Volkart Wildermuth
Menschen mit einer Depression sind oft verblüfft, dass Medikamente in der Lage sind, ihren Panzer aus Verzweiflung und Ohnmacht aufzubrechen und ihnen neuen Lebensmut zu geben. Allerdings benötigen sie dafür Durchhaltevermögen. Die Pillen normalisieren zwar innerhalb von Stunden die Chemie des Gehirns, es dauert aber vier bis sechs Woche, bis die Psyche darauf reagiert und sich die Stimmung bessert. Forscher und Ärzte fragen schon lange, was eigentlich in diesen Wochen der Wartezeit geschieht. Eine spannende Hypothese ist, dass sie für das Wachstum von Nerven in einer Hirnregion, namens Hippocampus benötigt wird. Professor Rene Hen von der Columbia Universität in New York hat diese These jetzt an einem Mäusestamm überprüft, der von Natur aus ängstlich ist.
Antidepressiva lösen viele Veränderungen im Gehirn aus, aber niemand weiß, wie sie die therapeutische Wirkung hervorbringen. Wir wollten das erforschen und haben dazu einen kleinen Teil des Gehirns dieser Mäuse mit Röntgenstrahlen behandelt. So konnten wir die Stammzellen im Hippocampus abtöten und die Neubildung von Nerven stoppen. Dann haben wir geprüft, ob diese Mäuse immer noch auf Antidepressiva reagieren. Und es zeigte sich, mehrere Klassen dieser Medikamenten heben die Ängstlichkeit der Mäuse nicht länger auf. So konnte wir erstmals eine direkte Verbindung zwischen der Neubildung von Nerven im Hippocampus und der Wirkung der Antidepressiva zeigen.
Das Experiment lieferte für die verschiedenen Gruppen der Antidepressiva dasselbe Ergebnis: ohne neue Nerven kein Effekt. Dabei greifen die Medikamente in ganz unterschiedliche chemische Regelkreise des Gehirns ein. Es sieht so aus, als ob diese verschiedenen Wirkpfade alle in die Bildung neuer Zellen münden und dass dann diese frisch geborenen Nerven die Stimmung der Mäuse bessern. Erst seit wenigen Jahren ist überhaupt bekannt, dass auch im erwachsenen Gehirn von Maus und Mensch neue Nerven entstehen. Eine Entdeckung, die damals eine Sensation war. Allerdings ist es nicht so, als ob das ganze Gehirn ständig runderneuert würde. Nur in zwei Regionen, im Riechkolben und eben im Hippocampus sprudelt eine schwache, aber beständige Quelle neuer Zellen. Wenn Rene Hen den Riechkolben der Mäuse bestrahlt, funktionieren die Antidepressiva trotzdem. Es kommt also offenbar auf den Hippocampus an. Hen:
Der Hippocampus galt immer als eine Region, die für Lernen und Gedächtnis zuständig ist, wir zeigen hier, dass er auch für Gefühle, für die Stimmungslage wichtig ist.
Dass es sich dabei nicht um eine Besonderheit der Mäuse handelt, zeigen Bilder aus dem Gehirn von depressiven Menschen. Wenn die Krankheit lange anhält, ist ihr Hippocampus deutlich verkleinert. Eine Dauerbehandlung mit Antidepressiva lässt ihn aber wieder anwachsen. Zumindest für einen Teil der Symptome einer Depression scheint also das Versiegen des Nervenjungbrunnens im Hippocampus verantwortlich zu sein. Wofür genau das gesunde Gehirn die neuen Nerven benötigt, dass weiß auch Rene Hen nicht:
Eine Möglichkeit besteht darin, dass diese neu entstandenen Nerven im erwachsenen Gehirn ähnliche Eigenschaften haben, wie Nerven während der Hirnentwicklung, dass sie leichter Verbindungen eingehen, dass sie flexibler sind.
Vielleicht lässt sich eine Depression dann so erklären: am Anfang steht ein Übermaß an Stress, der letztlich den Nachschub neuer Nervenzellen blockiert. Dem Hippocampus fehlt es damit an der nötigen Flexibilität, um sich auf neue Gegebenheiten einzustellen. Das Gehirn bleibt sozusagen in eine Trauerphase stecken, auch wenn der eigentlich Anlass längst vergangen ist. Die Depression löst sich erst, wenn neue Nerven den Weg frei machen für neue Verknüpfungen, neue Gefühle. Ein grob vereinfachtes Modell, gewiss, dass einer so komplexen Krankheit wie der Depression nicht gerecht werden kann. Dennoch lassen sich unter dem frischen Blickwinkel der Entstehung von neuen Nerven im Hippocampus viele Experimente mit Tieren und viele Beobachtungen an depressiven Menschen besser verstehen. Vor allem aber ermöglicht es neue Fragen, die helfen werden, dem Geheimnis der Depression näher zu kommen.
Menschen mit einer Depression sind oft verblüfft, dass Medikamente in der Lage sind, ihren Panzer aus Verzweiflung und Ohnmacht aufzubrechen und ihnen neuen Lebensmut zu geben. Allerdings benötigen sie dafür Durchhaltevermögen. Die Pillen normalisieren zwar innerhalb von Stunden die Chemie des Gehirns, es dauert aber vier bis sechs Woche, bis die Psyche darauf reagiert und sich die Stimmung bessert. Forscher und Ärzte fragen schon lange, was eigentlich in diesen Wochen der Wartezeit geschieht. Eine spannende Hypothese ist, dass sie für das Wachstum von Nerven in einer Hirnregion, namens Hippocampus benötigt wird. Professor Rene Hen von der Columbia Universität in New York hat diese These jetzt an einem Mäusestamm überprüft, der von Natur aus ängstlich ist.
Antidepressiva lösen viele Veränderungen im Gehirn aus, aber niemand weiß, wie sie die therapeutische Wirkung hervorbringen. Wir wollten das erforschen und haben dazu einen kleinen Teil des Gehirns dieser Mäuse mit Röntgenstrahlen behandelt. So konnten wir die Stammzellen im Hippocampus abtöten und die Neubildung von Nerven stoppen. Dann haben wir geprüft, ob diese Mäuse immer noch auf Antidepressiva reagieren. Und es zeigte sich, mehrere Klassen dieser Medikamenten heben die Ängstlichkeit der Mäuse nicht länger auf. So konnte wir erstmals eine direkte Verbindung zwischen der Neubildung von Nerven im Hippocampus und der Wirkung der Antidepressiva zeigen.
Das Experiment lieferte für die verschiedenen Gruppen der Antidepressiva dasselbe Ergebnis: ohne neue Nerven kein Effekt. Dabei greifen die Medikamente in ganz unterschiedliche chemische Regelkreise des Gehirns ein. Es sieht so aus, als ob diese verschiedenen Wirkpfade alle in die Bildung neuer Zellen münden und dass dann diese frisch geborenen Nerven die Stimmung der Mäuse bessern. Erst seit wenigen Jahren ist überhaupt bekannt, dass auch im erwachsenen Gehirn von Maus und Mensch neue Nerven entstehen. Eine Entdeckung, die damals eine Sensation war. Allerdings ist es nicht so, als ob das ganze Gehirn ständig runderneuert würde. Nur in zwei Regionen, im Riechkolben und eben im Hippocampus sprudelt eine schwache, aber beständige Quelle neuer Zellen. Wenn Rene Hen den Riechkolben der Mäuse bestrahlt, funktionieren die Antidepressiva trotzdem. Es kommt also offenbar auf den Hippocampus an. Hen:
Der Hippocampus galt immer als eine Region, die für Lernen und Gedächtnis zuständig ist, wir zeigen hier, dass er auch für Gefühle, für die Stimmungslage wichtig ist.
Dass es sich dabei nicht um eine Besonderheit der Mäuse handelt, zeigen Bilder aus dem Gehirn von depressiven Menschen. Wenn die Krankheit lange anhält, ist ihr Hippocampus deutlich verkleinert. Eine Dauerbehandlung mit Antidepressiva lässt ihn aber wieder anwachsen. Zumindest für einen Teil der Symptome einer Depression scheint also das Versiegen des Nervenjungbrunnens im Hippocampus verantwortlich zu sein. Wofür genau das gesunde Gehirn die neuen Nerven benötigt, dass weiß auch Rene Hen nicht:
Eine Möglichkeit besteht darin, dass diese neu entstandenen Nerven im erwachsenen Gehirn ähnliche Eigenschaften haben, wie Nerven während der Hirnentwicklung, dass sie leichter Verbindungen eingehen, dass sie flexibler sind.
Vielleicht lässt sich eine Depression dann so erklären: am Anfang steht ein Übermaß an Stress, der letztlich den Nachschub neuer Nervenzellen blockiert. Dem Hippocampus fehlt es damit an der nötigen Flexibilität, um sich auf neue Gegebenheiten einzustellen. Das Gehirn bleibt sozusagen in eine Trauerphase stecken, auch wenn der eigentlich Anlass längst vergangen ist. Die Depression löst sich erst, wenn neue Nerven den Weg frei machen für neue Verknüpfungen, neue Gefühle. Ein grob vereinfachtes Modell, gewiss, dass einer so komplexen Krankheit wie der Depression nicht gerecht werden kann. Dennoch lassen sich unter dem frischen Blickwinkel der Entstehung von neuen Nerven im Hippocampus viele Experimente mit Tieren und viele Beobachtungen an depressiven Menschen besser verstehen. Vor allem aber ermöglicht es neue Fragen, die helfen werden, dem Geheimnis der Depression näher zu kommen.