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Der Amerikanische Bürgerkrieg in der Fotografie

Der Amerikanische Bürgerkrieg gilt als blutigstes Ereignis in der Geschichte des Landes. Eine Schau im Metropolitan Museum of Art in New York zeigt nun Fotografien von Toten, Sklaven und Politikern, die schon damals für Aufsehen sorgten.

Von Sacha Verna | 04.04.2013
    Am 20. Oktober 1862 schrieb die New York Times: "Wer von unseren Lesern sich einen Eindruck vom Schrecken des Schlachtfelds zu verschaffen wünscht, besuche BRADY’s Galerie." Das Publikum folgte dieser Aufforderung in Scharen. Und was es in der Galerie des Fotografen Mathew Brady in New York zu sehen bekam, war die erste öffentliche Ausstellung von Aufnahmen aus dem amerikanischen Bürgerkrieg. Der Krieg hatte eineinhalb Jahre zuvor begonnen. Er dauerte bis 1865 und gilt noch heute als blutigstes Ereignis in der Geschichte des Landes. Siebenhundertfünfzigtausend Menschen kamen in den Kämpfen zwischen der Union im Norden und den Konföderierten Truppen des separatistischen Südens ums Leben.

    Die Leute in Bradys Galerie erwartete freilich kein Fotojournalismus, wie wir ihn heute kennen. Keine Action-Szenen, die erst durch Fotografen wie Robert Capa im Spanischen Bürgerkrieg und im Zweiten Weltkrieg zum Synonym für Kriegsfotografie wurden:

    "Das Medium war damals erst zwanzig Jahre alt",

    sagt Jeff Rosenheim, der Kurator von "Photography and the American Civil War".

    Die langen Belichtungszeiten machten es unmöglich, fliegende Geschosse, bohrende Bajonette und fallende Soldaten abzubilden. Was die Kamera hingegen sehr gut fotografieren konnte, waren unbewegte Dinge:

    "”Und etwas, das sich nicht bewegte, waren die Toten. Es sind die ersten toten Menschen in der Fotografie überhaupt. Sie schockierten das Publikum und verdeutlichten jedem die fürchterliche Realität des Krieges. Walt Whitman sagte, der Krieg sei keine Quadrille im Ballsaal. Diese Bilder beweisen es.”"

    Tote zuhauf: aufgeblasen, zerfetzt, halb im Schlamm versunken, auf den Schlachtfeldern von Richmond und Gettysburg, wo mit Timothy O’Sullivans "Harvest of the Death", der "Totenernte" eines der berühmtesten Bürgerkriegsbilder entstand.

    Es gab aber nicht nur die Toten. Die Porträtfotografie florierte. Soldaten ließen sich ablichten, bevor sie einrückten. Befreite Sklaven posierten vor Kameras. Politiker, darunter Abraham Lincoln, entdeckten die Wirksamkeit von Ansteckern mit ihrem Konterfei. Diese Ausstellung zeigt die vielen Gesichter der amerikanischen Gesellschaft um die vorletzte Jahrhundertmitte - etwas steif und oft zuckrig koloriert. Doch enthält jede dieser Aufnahmen eine unerzählte Geschichte.

    "”Man fing an, das Medium für eigene Zwecke zu nutzen. Die Regierung schickte ihre Fotografen los, um die Stellungen der Konföderierten zu dokumentieren. Die Eisenbahn brauchte Aufnahmen für ihre Ingenieure. Ärzte fotografierten die Verwundeten, um die Bilder später als Lehrmaterial zu verwenden. Der erste Steckbrief wurde nach Abraham Lincolns Ermordung gedruckt. Alle diese Bilder haben ihre eigene Ästhetik. Der Amerikanische Bürgerkrieg war der Moment, in dem die Entwicklung der vielfältigen, reichen und offenen Sprache der Fotografie beginnt.""

    Die über zweihundert Exponate dieser Ausstellung beweisen die Aussagekraft dieser Sprache weit über die Ruinen von Charleston und Atlanta hinaus.