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Der drohende Wildwuchs neuer Airports

Eine Jobmaschine sei der Luftverkehr, sagen die Betreiber der großen Flughäfen und der Airlines. Die "Initiative Luftverkehr für Deutschland", eine gemeinsame Gesprächsrunde der Branche und der Bundesregierung, schätzt, dass 270.000 Arbeitsplätze in Deutschland direkt oder indirekt vom Flugverkehr abhängen. Und es werden stetig mehr. Gegen den allgemeinen Trend hat die Branche in den vergangenen Jahren mehrere zehntausend neue Arbeitsplätze geschaffen.

Von Daniel Blum | 05.01.2005
    Doch mit dem ökonomischen Wachstum wachsen auch die ökologischen Probleme. Viele Bürger klagen über Fluglärm. Überall da, wo Flughäfen ausgebaut werden oder neue entstehen, gibt es auch Anwohner, die für den wirtschaftlichen Boom mit Gesundheitsschäden bezahlen müssen. Zudem blasen die Flugzeuge Kohlendioxid in die obere Atmosphäre, in Luftschichten, in denen das Treibhausgas besonders aggressiv zur Erderwärmung beiträgt.

    Neben den ökologischen Problemen gibt es aber auch eine wachsende ökonomische Kritik an dem ungezügelten Ausbau der Flughäfen in Deutschland. Immer mehr Kleinstflughäfen sprießen aus dem Boden, von den Lokalhonoratioren mit Steuergeldern subventioniert. Sie werben mit Dumpingpreisen um die Airlines und nehmen sich gegenseitig die Butter vom Brot.

    Es gibt kaum ein politisches Feld in Deutschland, das so dringend einer ordnenden Hand bedarf wie die Luftverkehrspolitik. Ökonomie und Ökologie müssen unter einen Hut gebracht, die Verwendung knapper öffentlicher Gelder optimiert werden. Insbesondere die Umweltverbände verlangen, dass der Staat stärker regulierend in den Flugverkehr eingreift. Werner Reh vom Bund Umwelt und Naturschutz, B.U.N.D.:

    Die Bundesregierung ist in Sachen Luftverkehr völlig konzeptionslos. Da unterscheidet sich die rotgrüne Regierung in keinster Weise von irgendwelchen Vorgängerregierungen. Es hat kein Konzept, wie man insgesamt mit dem wachsenden Luftverkehr umgeht, der seine ökologischen Kosten in keinster Weise trägt. Sie hat kein Konzept, wie man mit einer Flughafeninfrastruktur umgeht, wo man verschiedene Flughäfen zu einer Kooperation miteinander bewegen könnte.

    Allerdings sind die Handlungsspielräume einer nationalen Regierung im international strukturierten Fluggeschäft eng begrenzt. Am deutlichsten zeigt sich das in der Klimapolitik. In Buenos Aires trafen sich im Dezember 2004 Politiker aus aller Welt, um über die Fortschreibung des Kyoto-Protokolls zu beraten. Jenes internationalen Vertrages, dessen Unterzeichnerländer sich verpflichtet haben, den Ausstoß von Kohlendioxid zu reduzieren: des Treibhausgases, das die Atmosphäre stetig erwärmt. Aber Buenos Aires brachte keine Fortschritte, obwohl sich in den letzten Jahren weltweit verheerende Stürme und Überschwemmungen häuften, die womöglich die ersten Vorboten der drohenden Klimakatastrophe sind.

    Die volkswirtschaftlichen Schäden, die dabei entstehen , sind immens. Dennoch scheuen sich gerade die Wirtschaftspolitiker bei internationalen Verhandlungen , das Problem anzugehen. Neben der Industrie ist es insbesondere der motorisierte Verkehr, der der Atmosphäre die größte Kohlendioxidlast aufbürdet. Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Reinhard Loske, sieht den Boom im Flugverkehr mit Sorgen:

    Durch dieses gigantische Wachstum, was da prognostiziert ist, wird es so sein, dass der Anteil des Luftverkehrs an den gesamten Klima verändernden Emissionen deutlich wachsen wird, wenn wir nichts dagegen unternehmen. Und da sind Prognosen in Sicht, die besagen, dass die Einsparungen, die im Bereich des Straßenverkehrs erreicht werden, kompensiert werden durch den Luftverkehr, wenn wir nicht gegensteuern.

    Ein Beispiel: Wer vom Flughafen Köln/Bonn aus zu einem Shopping-Wochenende nach Madrid und zurück fliegt, belastet die Atmosphäre dabei so intensiv mit Klimagasen wie ein Pendler, der mit seinem Auto ein Jahr lang zu seinem 25 Kilometer entfernten Arbeitsplatz fährt. Dennoch ist die Wirkung des Flugverkehrs auf das Klima - im Vergleich zum Auto - bislang verhältnismäßig gering, doch kann und wird sich das mit dem Boom der Branche bald ändern. Im Bundesverkehrsministerium scheut man sich dennoch, den Flugverkehr als eine besondere Gefahr für das Klima zu bezeichnen. Thilo Schmidt, zuständig für den Luftverkehr:

    Er trägt ja deutlich weniger zur globalen Erwärmung bei als etwa andere Verkehrsträger oder Heizungen oder Autos; also über die Nicht-Umweltfreundlichkeit des Luftverkehrs, der ja enorme Anstrengungen unternommen hat in den letzten Jahren, durch verbesserte Triebwerke, dieses Verdikt würde ich einfach so nicht anerkennen.

    Auch bei den Klimaverhandlungen in Buenos Aires mussten die internationalen Fluggesellschaften nicht fürchten, an die Kandare genommen zu werden. Denn der Luftverkehr wurde im Kyoto-Protokoll überhaupt nicht behandelt . Die Fabriken, die Kraftwerke, der Autoverkehr: ihnen allen hat die internationale Staatengemeinschaft Verpflichtungen auferlegt, weniger Kohlendioxid zu produzieren. Nur die großen Airlines blieben außen vor.

    Der Grund ist simpel: Das Kyoto-Protokoll funktioniert nach dem Territorialitätsprinzip. Jedes Land muss dafür sorgen, dass die Wirtschaft auf seinem Boden den Ausstoß des Treibhausgases um feste Raten senkt. Doch die Flugzeuge fliegen ja über Grenzen hinweg. Der Luftraum, die Atmosphäre ist ein Gemeinschaftsgut der Menschheit.

    Die lachenden Nutznießer sind die Airlines - für den Grünen-Politiker Reinhard Loske ein unhaltbarer Zustand:

    Es kann nicht sein, dass ein so relevanter Faktor wie der Luftverkehr faktisch vom Völkerrecht ausgenommen ist. Das wäre vollkommen unakzeptabel. Eine der Hauptursachen der Klimaveränderung nicht einzubeziehen in dieses Vertragsfeld, würde bedeuten, dass man es wirkungslos macht.

    Der Flugverkehr boomt, die Probleme, die er erzeugt, wachsen mit; demnach müsste auch der Handlungsbedarf wachsen. Aber die Politiker in den Industrieländern ziehen den gegenteiligen Schluss: Der Flugverkehr boomt – deswegen lassen wir ihn lieber in Ruhe. Überall auf der Welt wetteifern die Unternehmen darin, möglichst viele Mitarbeiter zu entlassen. Mit je weniger Angestellten ein Manager auskommt, als desto erfolgreicher gilt er seinen Aktionären. Die Flugbranche ist eine der wenigen, die noch Arbeitsplätze schafft. Für den verkehrspolitischen Sprecher der CDU im Bundestag, Dirk Fischer, ist der Luftverkehr ein Glücksfall für die Volkswirtschaft:

    Flughäfen sind Jobmaschinen, sind ja auch heute mit dem Umfeld Einkaufszentren und so weiter sehr, sehr arbeitsplatzträchtig. Und im Übrigen siedelt sich auch drumherum auch sehr, sehr viel Gewerbe an. Und wenn Sie in Frankfurt sind, dann kommt auch gelegentlich jemand aus der weiten Welt und sagt: "Ich lande hier, und deswegen will ich auch hier meine Europazentrale machen." Das heißt also: Flughäfen sind Jobmaschinen.

    Der Arbeitsmarkt profitiert gleich doppelt von den Flughäfen. Zum einen, weil sie direkt Arbeitsplätze schaffen, zum anderen, weil sie Unternehmen anlocken, für die gute Flugverbindungen am Standort attraktiv sind. Und die neuen Firmen – so das Kalkül der Lokalpolitiker – spülen dann durch ihre Steuern wieder das Geld in die öffentlichen Kassen , das man vorher für den Flughafen ausgegeben hat. Eine Rechnung, die aber womöglich nicht aufgeht.

    Unbestritten ist, dass jeder Flughafen ein Großbetrieb ist, der Angestellte braucht. Dass in seinen Hallen Ladengeschäfte und Gastronomie für die Passagiere entstehen, dass auch im Umfeld andere Unternehmen dem Airport zuarbeiten. Doch dass ein Flughafen für viele neue Investoren den Standort besonders attraktiv erscheinen lässt, bezweifelt Andreas Pastowski, Wissenschaftler am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie:

    Es gibt natürlich Unternehmen, die haben gar keinen Dienstreiseverkehr. Zumindest keinen solchen, der mit dem Luftverkehr abgewickelt werden müsste. Für die meisten Unternehmen gilt das sicherlich nicht. Die werden nicht das Bedürfnis haben, nach China zu fliegen, um dort Geschäfte anzubahnen.

    Flughäfen sind Privatbetriebe, an denen zwar manche Kommunen Anteile halten, die aber auf eigene Rechnung wirtschaften. Dennoch fließen mittelbar beträchtliche öffentliche Gelder an diese Unternehmen, vor allem für deren Verkehrsanschluss: in Straßenzubringer, S- und U-Bahnhöfe. Ob es in Zeiten hoher Staatsverschuldung von vielen Kommunen sonderlich clever ist, ihr Geld ausgerechnet in Flughäfen zu investieren, kann der Grünen-Politiker Reinhard Loske nicht so recht glauben.

    Und da muss man gucken: Wie ist da die Gesamtbilanz? Und die sieht ja dann häufig so aus, dass das ein reiner Zuschussbetrieb ist. Und die einzigen wirklichen Profiteure sind die Billigflieger.

    In den letzten Jahren sind überall in der Bundesrepublik neue Regionalflughäfen entstanden. Viele , vor allem im Osten, sind ehemalige Militärflugplätze. Sie sind jetzt so genannte Konversionsprojekte – frei nach dem Motto: Schwerter zu Flughäfen. Diese neuen Airports machen sich jetzt gegenseitig Konkurrenz. Ein Problem, das mittlerweile auch in der Bundesregierung gesehen wird. Thilo Schmidt vom Verkehrsministerium warnt:

    Wir müssen schon darauf achten, dass wir nicht einen Wildwuchs an Flughäfen oder Flugplätzen in Deutschland bekommen. Wir haben in Deutschland in Europa die meisten Flughäfen überhaupt. Und es bilden sich immer noch neue. Es gibt da ganz viele Bürgermeister, die aus strukturpolitischen Gründen ein Stück Beton irgendwo in ihrer Gemarkung finden und das gerne zu einem internationalen Verkehrsflughafen ausbauen wollen. Und das halten wir eigentlich nicht für eine gute Idee.

    Beim Flughafenbau setzen viele auf Wachstum: Derzeit braucht zwar niemand die neuen Airports, aber die Passagierzahlen werden ja weiterhin steigen - so die Hoffnung. Und so pumpen die Lokalhonoratioren Steuergelder in den Aufbau der Flughäfen – obwohl sie sich dabei gegenseitig das Geschäft verderben. Der Bundestagsabgeordnete Hans-Günter Bruckmann, Verkehrsexperte der SPD, spricht von einem Kannibalisierungseffekt: Die Investition auf der einen Seite und die auf der anderen fressen sich gegenseitig auf. Dennoch glaubt er, dass sich viele der neuen Airports mit etwas Glück durchaus behaupten können:

    Wir erwarten ein Wachstum in den nächsten fünfzehn Jahren um hundert Prozent, in der Größenordnung ungefähr. In den letzten zehn Jahren hatten wir ein Wachstum auch von hundert Prozent. So dass man davon ausgehen kann, dass die Kapazitäten, die dann geschaffen sind, auch besser ausgenutzt werden. Würde man bei dem Status Quo bleiben, dann hätten wir eine Überkapazität.

    Fest steht jedenfalls, wer die Gewinner im Flughafenroulette sind: die Billigflieger. Sie können sich mittlerweile bequem aussuchen, welche Regionalflughäfen sie anfliegen möchten. Die Mini-Airports bieten ihnen Dumpingpreise bei den Start- und Landegebühren. Kaum gegründet sehen sich die Regionalflughäfen einem knallharten Verdrängungswettbewerb ausgesetzt. Zudem schwächt ein neuer Kleinflughafen im Erfolgsfall die bestehenden größeren, wirtschaftlich gesunden Airports.

    Die Billigflieger heißen nicht umsonst im englischen Sprachraum "no-service-lines". Ihre Tickets sind deshalb so billig, weil die Fluggesellschaften möglichst wenig Personal einstellen. Und die wenigen Beschäftigten können den Arbeitsplatz auch bald wieder verlieren. Denn auch unter den Airlines gibt es einen Verdrängungswettbewerb.

    Thilo Schmidt vom Verkehrsministerium glaubt, dass es für einige Regionalflughäfen noch ein böses Erwachen geben kann, denn sie haben ihr Überleben an eine einzige Fluggesellschaft geknüpft:

    Wenn die nach einer Weile sehen, dass die nicht wirtschaftlich genug fliegen können, ziehen sie sich von heute auf morgen wieder zurück. Und dann sind auch sehr schnell die Arbeitsplätze fort und die Investitionen futsch.

    Dass Kommunalpolitiker überall im Land dennoch euphorisch Gelder in ihren eigenen kleinen Flughafen pumpen, ist oft rational nicht zu erklären. Doch vermutlich sind sie häufig deshalb so spendabel, weil der Airport für sie ein Prestigeobjekt darstellt. Ähnlich wie ein Fußballstadion - ein Bauwerk, das man später seinen Enkelkindern zeigen kann: Guck mal, das hab ich gebaut!

    Dass das Geld so locker sitzt, kann aber auch etwas damit zu tun haben, dass es sich nicht allein um Summen aus dem eigenen Haushalt handelt. Den kommunalen Eigenanteil beim Bau der Verkehrszubringer, wie zum Beispiel eines S-Bahnhofs, stockt der Bund aus eigenen Mitteln auf.

    Die Zeche zahlen jedenfalls die Steuerzahler – und die Bahn. Der vergleichsweise umweltfreundliche Verkehrsträger war bisher deshalb attraktiv, weil es in jeder größeren Stadt einen Bahnhof gibt. Angesichts des Booms im Flughafenbau finden jedoch immer mehr Reisende einen Airport in ihrer Nähe. Das ICE-Netz der Deutschen Bahn wird zunehmend weniger genutzt, das Unternehmen, in staatlichem Besitz, macht Verluste. Eine nachhaltige Verkehrspolitik sei das nicht, betont der Wuppertaler Wissenschaftler Andreas Pastowski:

    Da wird die Benutzung eines relativ umweltverträglichen Verkehrsträgers wie der Bahn mit deutlich niedrigeren Klimawirkungen wird dann ersetzt durch den Luftverkehr. Und der Effekt ist ganz klar, dass dann wesentlich mehr CO2 ausgestoßen wird.

    Die Umweltverbände werfen den flughafenversessenen Kommunen Kirchtumspolitik vor. Werner Reh vom B.U.N.D. erklärt:

    Es ist wirklich witzig, dass eine Flugverkehrspolitik, die globale Auswirkungen hat, im Endeffekt kommunal entschieden wird. Das ist wirklich grotesk.

    Die Kritik kommt mittlerweile auch aus der Wirtschaft. Die "Initiative Luftverkehr für Deutschland" hat jüngst, übrigens unter Mitwirkung der Bundesregierung, einen so genannten Masterplan vorgestellt. Das Flughafenkonzept schlägt vor, Baumaßnahmen auf die acht wichtigsten deutschen Airports zu konzentrieren. Rechtlich verbindlich ist dieser Masterplan indes nicht. Und ob er irgendeinen Bürgermeister davon abhält, von seinem eigenen Flughafen zu träumen, ist fraglich.

    Für den Flughafenbau gibt es bislang gar keine staatliche Planung. Der Bund ist hier verfassungsrechtlich nicht zuständig. Zuständig ist er allerdings für den Lärmschutz rund um die Flughäfen. Immer mehr Menschen benutzen das Flugzeug, immer mehr Airports entstehen, - kein Wunder, dass auch immer mehr über Fluglärm geklagt wird. Bundesumweltminister Trittin hat kürzlich einen Neuentwurf für das Fluglärmschutzgesetz vorgelegt. Das alte ist mittlerweile über dreißig Jahre alt, stammt noch aus einer Zeit, in der die Mediziner nicht wussten, wie empfindlich der Mensch auf Lärm reagiert, dass Lärm krank machen
    kann.

    Das neue Gesetz passt die Grenzwerte an den Stand der Forschung an. Die Flughäfen werden viel mehr Geld als bisher dafür ausgeben müssen, den Anwohnern moderne Schallschutzfenster zu bezahlen. Bei Thilo Schmidt im Verkehrsministerium stößt der Gesetzentwurf aus dem Hause Trittin allerdings auf wenig Gegenliebe:

    Man hat manchmal den Eindruck, dass die Lärmwerte, die man versucht, dem Luftverkehr aufzuzwängen, ein bisschen radikaler ausfallen als bei anderen Verkehrsträgern.

    Der Verkehrs- und der Umweltminister werden um das neue Gesetz balgen, um die Grenzwerte für den Lärmschutz feilschen. Ein Oppositionspolitiker wie der CDU-Verkehrsexperten Dirk Fischer gießt da gerne Öl ins Feuer:

    Ich glaube, es kann kein Verkehrsminister überhaupt nicht die Hand dafür reichen, dass auch im europäischen und interkontinentalen Kontext der Luftverkehrstandort im Grunde genommen ruiniert wird. Und das wäre der Fall, wenn Trittin sich mit seinen Vorstellungen durchsetzen würde.

    CDU und SPD sind sich jedoch darin einig, dass die Flugwirtschaft für den Lärmschutz nicht zu sehr zur Kasse gebeten werden darf. Eine Milliarde Euro würde Trittins Gesetz kosten, sagen sie; der Umweltminister selber schätzt, dass es nur die Hälfte ist. Uwe Lahl, im Ministerium für den Lärmschutz zuständig, weist die Kritik zurück:

    Ich find das total übertrieben, weil wenn man das umrechnet auf die Flugtickets, dann sind das ein, vielleicht 1,5, maximal 2 Euro pro Flugticket, was unser Lärmgesetz bewirken würde.

    Der Grünen-Abgeordnete Reinhard Loske weist auf die volkswirtschaftlichen Schäden hin, die der Lärm verursacht. Lärmbelästigungen führen zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen; die Krankenkassen bezahlen letztlich die Rechnung der Flugwirtschaft. Loske warnt davor, den Lärmschutz nicht ernst zu nehmen:

    Wir wissen ja von den Umfragen her: Für die meisten Menschen ist Lärm das Umweltproblem Nummer 1. Das vergessen wir. Wir reden gerne über die großen Probleme, Klimawandel oder Verlust an biologischer Vielfalt. Aber unmittelbar lebensweltbezogen ist Lärm das Umweltproblem Nummer 1. Und dagegen etwas zu tun, das ist zwingend.

    Die Umweltverbände kritisieren schon seit längerem, dass die Flugwirtschaft gegenüber anderen Verkehrsträgern finanzielle Privilegien genießt. Typisches Beispiel ist die Debatte um die so genannte Kerosinsteuer , also eine Mineralölsteuer bei Flugzeugen. Die Airlines müssen nämlich für ihren Treibstoff keine Steuern zahlen. Noch nicht einmal Ökosteuer, denn die ist an die Mineralölsteuer gekoppelt. Wogegen die umweltfreundlichere Bahn für ihre Dieselloks Steuern zahlen muss. Im übrigen steht Deutschland damit keineswegs alleine da: Fast überall auf der Welt müssen Flugzeuge keine Mineralölsteuer zahlen.

    Verkehrsminister Stolpe sorgte noch Ende vergangenen Jahres für Irritationen , als er die Kerosinsteuer forderte. Tags drauf ruderte er allerdings wieder zurück : Er habe die Einführung der Treibstoffsteuer auf europäischer Ebene gemeint. Das ist auch seit längerem die Position seines Hauses, wie Thilo Schmidt erläutert. Ein deutscher Alleingang, auch wenn er nach europäischem Recht möglich ist, würde gar nichts bringen:

    Da das ja mit dem Flugzeug keine große Schwierigkeit bedeutet, in den grenznahen Gebieten zu tanken, die fliegen einfach nach Zürich, nach Amsterdam oder sonst wohin. Und vermeiden einfach deutsche Flughäfen. Und zudem bekämen wir ein erhebliches Wettbewerbsproblem. Weil alle diejenigen Carrier in Europa, die diese Probleme nicht hätten, eben diesen Wettbewerbsvorteil voll nutzen.

    Der grüne Verkehrspolitiker Reinhard Loske widerspricht hier. Natürlich sei es besser, die Kerosinsteuer europa- oder gar weltweit einzuführen. Aber es gebe auch eine Zwischenlösung:

    Am besten wäre, die Staaten, die der Meinung sind, dass es sinnvoll ist, schlössen sich zusammen, dann hätten wir schon mal ein gewisses Netz. Da brauchen wir nicht zu warten, dass der letzte auch mit auf den Geleitzug aufspringt. Das wäre möglich und ich plädiere dafür, das zu tun.

    Das erfordert allerdings Geduld : Bis sich die EU auf eine Kerosinsteuer verständigt hat, kann das bis zum Sankt Nimmerleinstag dauern. Denn die osteuropäischen Beitrittsländer wetteifern darin, bei der Brautschau um die potentesten Investoren den etablierten Industrieländern mit möglichst niedrigen Abgaben die Schau zu stehlen. Nicht nur national, auch international kann von einer Steuerung des Luftverkehrs durch die Politik keine Rede sein.