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Der DTB und sein teures Prachtstück

Der Deutsche Turner Bund (DTB) steckt in akuten Finanzproblemen. Der Grund, ein Neubau der Lindner Hotel & Sports Academy in Frankfurt, dessen Kosten im Verlauf der Bauphase explodiert sind. Dennoch sieht DTB-Präsident Rainer Brechtken kaum Grund zur Besorgnis.

Von Sandra Schmidt |
    2006 war die Welt noch in Ordnung an der Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt: Die Turner um Fabian Hambüchen wurden besser und besser und die DTB-Spitze beschloss, die marode Turnschule durch ein neues Gebäude zu ersetzen. Dabei ging es zunächst recht bescheiden um eine "Übernachtungseinrichtung zum Betrieb des Leistungszentrums und als Ausbildungsstätte des DTB". Das Neubauprojekt bekam den Titel "Gym-Akademie" und wurde im Verbandsrat vorgestellt, 13 Millionen sollte es kosten, Parkhaus inklusive.

    Heute steht im Frankfurter Stadtwald ein fünfstöckiges Gebäude, darin die Lindner Hotel & Sports Academy mit 111 Betten samt Restaurant und Bar. 38,9 Millionen Kosten für den Gesamtkomplex wurden den Landesturnverbänden im vergangenen Jahr präsentiert, samt einer Finanzierungslücke von drei Millionen. Diese Zahlen kann man dem Papier eines Mitglieds des Finanz- und Verwaltungsrats des DTB entnehmen, der mittlerweile seitens der Landesverbände als Treuhänder eingesetzt wurde. DTB-Präsident Rainer Brechtken erklärt die Mehrkosten des Projekts primär mit dem Konkurs des eingesetzten Generalplaners:

    "Insgesamt sind dadurch sieben Millionen, sechs bis sieben Millionen Mehrkosten entstanden, also Zahlungen an Firmen, Bauzeitenverzögerung, Baukostensteigerungen, die durch Bauzeitenverzögerungen entstanden sind."

    Im internen Bericht des DTB allerdings werden knapp 15 Millionen Mehrkosten ausgewiesen, und der größte Teil entfällt auf "fehlerhafte und unvollständige Planung sowie falsche Kostenschätzungen". Die Summe bestätigt Brechtken auf Nachfrage.
    Der Neubau war in der Planungsphase mehrfach erweitert worden, jeweilige Beschlüsse über höhere Kosten trugen auch die Landesturnverbände mit. Intern jedoch gab es schon seit 2008 Kritik, teils an der Größe des Projekts, teils am intransparenten Vorgehen der DTB-Spitze. Rainer Brechtken:

    "Also Versäumnisse hat es sicher keine gegeben, alle haben, auch im Präsidium insgesamt, alle Beschlüsse sind nach bestem Wissen und Gewissen gefallen."

    Allein konkrete Zahlen haben Brechtken und sein Finanz-Vize-Präsident Heinz-Joachim Güllüg offenbar eher selten benannt. Die beiden Ehrenämtler unterschrieben Kredite über mehr als 30 Millionen Euro und doch reichte das Geld nicht. Nachdem der Deutsche Fußball-Bund, der dem DTB zunächst das Parkhaus abkaufte, im Februar als Teilinvestor für das Hotel absprang, war die Not existenziell. Zumindest wurde dieser Eindruck den Landesturnverbänden vermittelt, als die DTB-Führung sie bat, die Liquidität des Dachverbandes durch eigenes Geld zu sichern, da – so der interne Bericht – sich keine Kreditgeber mehr fanden. Alfons Hölzl, Präsident des Bayerischen Turnerbundes, der sich für das Engagement der Länder einsetzte, ist überzeugt, dass die geleisteten Beitragsvorauszahlungen von insgesamt rund zwei Millionen Euro den DTB gerettet haben. Brechtken selbst zögert:

    "Man muss die Ländl ja auch mal loben, insofern, was heißt gerettet, sie haben massiv geholfen, da sind wir dankbar dafür."

    Nicht nur Hölzls Verband hatte selbst einen Kredit aufnehmen müssen, um helfen zu können. Er hofft nun, dass der DTB in der Krise offener wird für Fragen der Aufgabenverteilung und vor allem transparenter.

    2018 sollen die Vorauszahlungen der Länder, zum Teil bis zu 400.000 Euro hoch, verrechnet werden, das heißt, Beitragseinnahmen bleiben dann komplett aus. Der Treuhänderbericht warnt, dass dieses Konstrukt für den DTB "lediglich einen auf sechs Jahre befristeten Aufschub" seines Finanzproblems bedeutet. Rainer Brechtken:

    "Wir haben einzusparen, wir haben gewisse Engpässe, aber wir haben hier keine Finanzkrise oder so etwas."

    Dabei ist die Liste der Einsparungen lang: 130.000 Euro weniger haben die Länder 2013 für den Olympischen Spitzensport, die Bereichshaushalte werden gekürzt, Stellen in der Geschäftsstelle gestrichen und vieles mehr. Rund zwei Millionen Euro an Zins und Tilgung muss der DTB jährlich schultern, davon voraussichtlich mindestens 800.000 aus Eigenmitteln.

    Eine ganz andere Frage ist die der Gemeinnützigkeit: Der DTB hat eine Satzung, die als seine erste Aufgabe die Pflege, "des von Friedrich Ludwig Jahn begründeten deutschen Turnens" definiert. In Paragraf 2.3 heißt es, der DTB "verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke". Nun gehört dem DTB ein großes Hotel – und zwar mit allem, was dazu gehört:

    "Sind allein 2,5 Millionen Einrichtungsgegenstände, ist alles unser Vermögen, also insofern, es steht ja auch den Verpflichtungen ein erhebliches Vermögen entgegen."

    Von der Gesamtfläche des Neubaus beansprucht das Hotel mehr als die Hälfte, die DTB-Geschäftsstelle hingegen belegt im angeschlossenen Bürogebäude gerade mal eine Etage. Der Anwalt Michael Lehner, Spezialist für Sport- und Baurecht, sieht durchaus das Problem, dass der DTB als Hotelunternehmer mit einem solchen Großprojekt "die Bandbreite der Gemeinnützigkeit verlassen könnte".

    Der DTB selbst begreift sich als Vermögensverwalter. Ergebnisse einer internen Prüfung der Finanzverwaltung zu dieser Frage liegen noch nicht vor.