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Der Ehebriefwechsel

Meine süße liebe Emilie - Mein Herzensmann - Meine liebe Mila - Mein teurer Mann - Meine liebe, arme Herzens-Frau - Mein innigst geliebter Mann - Mein liebes, süßes Herz - Mein einzig geliebter Mann - Meine liebe Frau - Geliebter Theo - Liebe Frau - Mein lieber Theo.

Andreas Graf | 20.09.1998
    Zwischen Sachlichkeit und gelegentlichem Überschwang spannt sich der Bogen im Briefwechsel zwischen Theodor Fontane und seiner Ehefrau Emilie, schon bei den gegenseitigen Anreden; wobei der zurückhaltende Ton meist Theodor, der gefühlvoll-sehnsüchtige, zumindest in den ersten Jahren der Ehe, eher Emilie eigen ist. Über mehr als ein halbes Jahrhundert erstreckt sich dieser umfangreiche Briefwechsel: von 1844, der Zeit der Verlobung, bis 1898, dem Sterbejahr Fontanes. "Dies sind nun also die letzten Zeilen", schreibt der beinahe 80jährige Fontane am Nachmittag des 20. September 1898 an seine Frau. Am Abend deselben Tages, gegen neun Uhr, war er tot; sein Wort von den "letzten Zeilen", womit er gewöhnlich ein Briefwechselphase abschloß, war damit unvermittelt zum Schlußwort des ganzen Ehebriefwechsels geworden, zum Schlußwort im Schaffen des Schriftstellers Fontane überhaupt. Die Lektüre dieses umfangreichen Briefwechsels, von dem immerhin 751 - teils sehr umfangreiche - Stücke erhalten geblieben sind, ist ein in jeder Hinsicht bemerkenswertes Erlebnis. Denn natürlich hat das Paar sich nur in Trennungszeiten geschrieben, aber getrennt war man viel. Theodor, der Umtriebige, verreiste, und Emilie blieb zurück - kinderhütend, kindergebärend und häufig in fundamentalen Existenzängsten. Beispielsweise von April bis September 1852 als Theodor vergeblich in England eine Existenz als Hauslehrer aufzubauen versuchte; oder von September 1855 bis Januar 1856, als er, wiederum in London, für einen deutschen Pressedienst arbeitete; später dann recherchiert Fontane in der Mark Brandenburg für seine "Wanderungen" Bücher oder er fährt zu einer Landwirtschaftsausstellung nach Hamburg, er besucht 1864 für sein Chronikbuch die Kriegsschauplätze in Schleswig-Holstein und Dänemark, er fährt allein zur Sommerfrische in den Harz nach Schlesien oder Norderney, er bereist 1868 böhmische Kriegsschauplätze, 1870 Frankreich, wird als Spion auf der Ile d'Oleron interniert, und als er durch Vermittlung Bismarcks freikommt, fährt er sogleich wieder nach Frankreich, um seine Erkundungen auf den dortigen Schlachtfeldern fortzusetzen - und so weiter und so weiter. Allein in den ersten sieben Jahren dieser Ehe war das Paar alles in allem mehr als zwei Jahre lang durch Abwesenheit des Mannes getrennt.

    Durch die vorliegende Edition des Briefwechsels erhält das Lesepublikum erstmals umfassenden Einblick in diese Ehe, die keineswegs unproblematisch war - vor allem deshalb nicht, weil das doch immer wieder verblüffende Unverständnis Fontanes für die Seele und die Bedürfnisse seiner Frau an allen Ecken und Enden durchscheint. Emilie muß innerhalb von dreizehn Jahren sieben Geburten über sich ergehen lassen, bei zwei Geburten weint der Ehemann in England, drei der Kinder sterben in den ersten Lebenswochen; sie zieht mit dem anderthalbjährigen Erstgeborenen, hochschwanger, von einer Verwandtenfamilie zur nächsten, um wenigstens ein Minimum an Betreuung zu erfahren, während der junge Ehemann in England literarischen, später journalistischen und anderen Blütenträumen nachläuft, die nicht nur aus heutiger Sicht reichlich naiv anmuten. Alles ohne Erfolg. Schließlich will er in London sogar eine Apotheke aufmachen, bittet seine Frau, die kurz vor der Geburt steht, dafür doch mal eben irgendwo 1000 Taler aufzutreiben, und als ihr das, entgegen jeder Erwartung, sogar gelingt, winkt er brieflich wieder ab und kündigt der - trotz allem - hocherfreuten Schwangeren seine baldige Rückkunft in Berlin an.

    Sie schreibt ihm von Nervenanspannung und greulichem Husten, von ihren Ohnmachtsanfällen, gegen die nur mit starken Dosen Essig-Äther anzukommen sei, von Fieber und Grippe; aber auch:

    "Ich gehe schon immer vor 9 Uhr zu Bett, länger kann ich nicht aushalten, dann, beim Ausziehen, beim Schein der Nachtlampe schnürt oft die Sehnsucht nach Dir meine Brust zusammen und ich könnte laut aufschreien. Dann knie ich an Georgs Wiege nieder und wenn ich das liebe Gesichtchen sehe, rosig vom Schlaf und friedlich wie nur ein Kind atmen kann, dann bitte ich wohl jedesmal Gott mit Tränen: führe uns wieder glücklich zusammen."

    Fontanes Kommentar zu Emilies Schwangerschaft und Wochenbettschwierigkeiten klingt merkwürdig distanziert, als wolle er über eigene Schuldgefühle hinwegwitzeln:

    "Nur keine allzu elenden Würmchen; es ist eine Art Ehrensache. Also nimm dich zusammen und tu das deine. Man schreibt mir sonst auf den Grabstein: seine Balladen waren strammer als seine Kinder."

    Später mahnt er, wenig hilfreich:

    "Laß Dir bei Deiner Pflege nichts abgehn und nehmt, wenn's not tut, eine Wartefrau. Sage nicht: 'der hat immer gut reden; wo es her nehmen usw.' Es ist soviel Geld in die Fichten gegangen, da kann es wahrhaftig auf 5 gepumpte Taler mehr oder weniger nicht ankommen. ... Wirst Du diesmal nähren? Die Mama schreibt nichts darüber. Angegriffen wie Du bist, wird Dir's am Ende auch diesmal untersagt werden. Nur, wenn ich bitten darf, keine schlimmen Brüste wieder."

    Von Fontanes Ehebriefwechsel zu sprechen, das heißt vor allem auch: von dieser Edition zu sprechen, diesen drei voluminösen Bänden des Aufbau-Verlages mit mehr als 2300 Seiten, von der verdienstvollen Arbeit der beiden Herausgeber, dem Ehepaar Gotthard und Therese Erler, ausgewiesenen und langjährigen Fontanekennern und -forschern. Sie haben ein Stück Kultur- und Geistesgeschichte erlebbar und nachlesbar gemacht, wie es in dieser Weise für Deutschland und das 19. Jahrhundert ziemlich einzigartig ist.

    Bleiben wir zunächst noch ein wenig bei den schieren Zahlen und Ziffern, die allein schon den Rang dieser Edition zu benennen vermögen. Von den 751 vorgelegten Briefen stammen rund 570 von Theodor, das sind immerhin zehn Prozent aller derzeit nachweisbaren Fontane-Briefe. Mehr als ein Drittel davon wird nun erstmals korrekt und nach den Handschriften publiziert, mehr als siebzig dieser Briefe sind bislang überhaupt unveröffentlicht. Jene vierbändige Ausgabe mit Fontane-Briefen bei Hanser, die die bislang umfangreichste überhaupt ist, enthält nur etwa 270 Briefe Fontanes an Emilie, also weniger als die Hälfte dieser Erlerschen Ehebriefe-Ausgabe bei Aufbau.

    Und dann natürlich die 180 Briefe von Emilie, die bislang gänzlich unveröffentlicht waren! Die Herausgeber sprechen zu recht von der "Aschenputtelrolle", die Emilie in der Fontane-Literatur bislang weithin gespielt habe, und sie benennen mit treffenden Beispielen das eklatante Desinteresse der Biographen an dieser Frau, über die jahrzehntelang bestenfalls kolportiert wurde, sie habe die Reinschriften der Romanmanuskripte ihres genialen Schriftstellermannes besorgt und sei im übrigen ein ewig nörgelndes und kränkelndes Hausmütterchen gewesen, das den geistigen Höhenflügen des Gatten mit latenter Ignoranz begegnete und in kleinbürgerlich-detailpusseliger Simplizität verharrte, ständig nur unzufrieden mit der finanziellen Ausstattung und beleidigt vom auch in späteren Jahren immer noch fehlenden sozialen Wohlversorgtheitsstatus der Familie.

    Dies alles war nicht ganz falsch, aber die Wahrheit ist es nicht. Durch Emilies Briefe erhält das überlieferte Bild vom schwierigen Schriftstellerleben Theodors nun endlich sein ebenso überraschendes wie prägnantes Gegenstück, in dem die entsagungsvolle, selbstzerstörerische Aufopferungsbereitschaft einer starken, klugen, leidenden Ehefrau sichtbar wird. In ihrer imponierenden Gesamtheit ergeben die Briefe vielfältigste Hinweise zum Psychogramm einer Ehe, die schwierig, aber keineswegs unglücklich war, und in der dem Schriftsteller Fontane eine Frau zur Seite stand, wie sie sich ein Autor damals nur wünschen konnte: gebildet, humorvoll, geduldig und mit sicherem Auftreten - letzteres, also Sicherheit im gesellschaftlichen Umgang, konnte vor allem bei jenen Bittgängen um Honorarerhöhung, zu denen ihr Ehegespons sie vertretungshalber gelegentlich ausschickte, von geradezu geldwerter Qualität sein.

    Schwierigkeiten gab es manche, große Krisen mindestens zweimal. Sie entstanden immer dann, wenn Fontane eine feste Anstellung aufgab, die ihm als subaltern und demütigend galt, der Familie aber regelmäßige Einkünfte garantierte. 1876 quittierte er eine Stelle als Sekretär bei der Preußischen Akademie der Künste, und sechs Jahre zuvor gab er die ungeliebte Position bei der "Kreuzzeitung" auf: seine Frau unterrichtete er von dieser weitreichenden Entscheidung aber erst, als diese abgereist und außer Reichweite war - per Brief. Er zog die schreibende Distanz vor, verfiel dabei gelegentlich in einen unangenehm aggressiven Rechtfertigungston. Doch Emilie wehrt sich. Sie schreibt ihm:

    "Du scheinst ebenso wenig zu fühlen, wie beschämend es für mich ist, daß Du einen so entscheidenden Schritt für unser Leben getan hast, ohne Dir die Mühe zu nehmen, mit mir darüber zu beratschlagen, wie Du es durchaus nicht einsehen willst, daß es - mindestens gesagt - nicht feinfühlend ist, daß Du mich dazu verurteilst, nach 20jähriger guter und oft doch auch recht mühseliger Ökonomie, um jeden Taler zu bitten, und mein Dienstmädchen zur Haushälterin erwählst. Ich habe seit Monaten über diesen mit Recht mich aufs tiefste kränkenden Punkt geschwiegen, da ich ja Deinen Charakter kenne und von beeinflussen desselben keine Rede sein kann; aber dieses neue Erlebnis läßt mich wieder recht schmerzlich fühlen, daß Du liebst, allein zu entscheiden; und doch müssen wir zusammen handeln."

    Fontane reagiert auf berechtigte Forderungen wie diese einschüchternd und mit Drohgebärden. Ganz ähnlich sechs Jahre später, bei ähnlichem Anlaß. Auf die Vorhaltungen seiner Frau hebt er zu einer bemerkenswert selbstgerechten Tirade an: "Meine liebe Frau, es ist im großen und ganzen dasselbe Lied. Du reizt mich bis aufs Blut und wunderst Dich hinterher, wenn ich heftig und bitter werde, Du machst ein böses Gesicht und wunderst Dich, wenn ich Dir aus dem Wege gehe; Du verhältst Dich ablehnend und wunderst Dich, wenn ich nicht zärtlich bin. Natürlich bin ich auch zu Zeiten unzärtlich, ohne vorher einer Nüchternheit begegnet zu sein, aber das ist nicht zu ändern, weil es ebenso in der menschlichen Natur, wie ganz besonders in unsren Lebensverhältnissen liegt. Wenn ich bei einer Arbeit nicht von der Stelle kann oder das Gefühl des Mißlungenen habe, so bedrückt das mein Gemüt, und aus bedrücktem Gemüt heraus kann ich nicht nett, quick, elastisch und liebenswürdig sein, aber das müßtest Du auch, wenn Du Dich ein bißchen auf meine Art verstündest, gar nicht von mir fordern. Daß ich Dich liebe, weißt Du; daß ich es Dir tausendfältig gezeigt habe, wirst Du nicht wohl bestreiten können; an diesem schönen Bewußtsein müßtest Du genug haben und als kluge Frau wissen, in 24 Stunden ist das alles vorüber. Statt dessen zeigst Du Deine ganz und gar unberechtigte Verstimmung, die mich nun erst wirklich verdrießlich und aus dem tristen Tage eine triste Woche macht. Wenn Du doch all dies einsehen, wenn Du Dich doch nicht in der Vorstellung verblenden wolltest, daß Du 'a lone, lorn woman', eine arme, zurückgesetzte Kreuzträgerin wärest. Es ist ja alles bittre Torheit; Du bist eine durch Deinen Mann, Deine Kinder, Deinen Lebensgang und Deine Lebensstellung unendlich bevorzugte Frau. Es gibt wenige, die es so gut getroffen haben. Daß Du das Glück nach der Zahl der Geldrollen bemessen solltest, für so inferior halte ich Dich nicht, habe auch keine Ursach dazu."

    Doch Stellen wie diese täuschen; es gibt auch andere, intimere Fingerzeige für harmonisches Verständnis: etwa wenn Emilie ihn um ein Foto von sich bittet, damit sie Freunden ihren "schönen Mann" zeigen könne; oder wenn sie ihn auffordert, beim Wiedersehen nicht über ihr schütter gewordenes Haar entsetzt zu sein, sie habe schließlich auch dem Beginn seiner Glatze tapfer zugesehen; und schließlich konnte Emilie sich sicherlich auch einen Reim darauf machen, was er damit meinte, als er aus London beteuerte, er habe ihr seine Liebe "zu allen Zeiten und in allen Stücken" bewiesen.

    Diese Edition, wie gesagt, bringt alles Erhaltene dieses Briefwechsels. Doch nicht alles hat sich über die Zeiten gerettet. Besonders schmerzlich ist das Fehlen des vermutlich sehr umfangreichen Briefwechsels aus der fünfjährigen Verlobungszeit: Emilie hat die vermutlich 200 bis 300 Briefe nach dem Tod ihres Mannes vernichtet. Wir erfahren also keine Einzelheiten aus dieser schwierigen Verlobungszeit und damit nichts Genaues über die beiden unehelichen Kinder, die Fontane mit einer anderen Frau in dieser Zeit zeugte. An einen Freund schrieb er:

    "Meine Kinder fressen mir die Haare vom Kopf, eh die Weit weiß, daß ich überhaupt welche habe."

    Daß dieser Ehebriefwechsel dennoch wunderbar zu lesen ist, nicht nur als großartiges Zeugnis der Kulturgeschichte, sondern auch als ein ganz eigenständiges Stück Literatur, das liegt nicht zuletzt auch an der vorbildlichen Arbeit der Herausgeber. Denn ob man nun die Briefe von vorn bis hinten durchliest, einmal, mehrmals, oder ob man sich, durchblätternd, von Fundglück und Formulierungsreiz leiten läßt: immer befindet man sich als Leser sofort auf der Höhe des Geschehens, ist mit allen relevanten Umständen vertraut. Die Transparenz und Benutzbarkeit dieser Edition ist vorbildlich: jeder Brief ist einzeln und teils sehr umfangreich kommentiert; jede Lebensphase des Ehepaars Fontane wird mit kurzen, prägnanten Zusammenfassungen beleuchtet und tritt in ihren wesentlichen Details vor Augen; jede erwähnte Person - und dies sind in allen drei Bänden Hunderte - wird in einem Register erfaßt und, soweit bekannt, mit ihren Lebensdaten aufgeführt, jedes zur Sprache kommende Werk Fontanes, jede Zeitschrift läßt sich mittels Register auffinden. Und zu allem Überfluß: die Bände sind wunderschön aufgemacht und herstellerisch - was durchaus keine Selbstverständlichkeit ist - eine Augenweide. Wollte man dennoch ein wenig mäkeln, so könnte man ein Manko monieren, das auch alle früheren Briefausgaben zu Fontane leider aufweisen: ein Begriffs- und Schlagwort- beziehungsweise Themenregister fehlt; erst ein solches würde aber die ganze inhaltliche Vielfalt dieses neu gehobenen Briefschatzes wirklich erschließen. Denn Fontanes Briefschreibekunst, sein "bezauberndes 'talent epistolaire"', das seit Thomas Manns Besprechung der Familienbriefe vor mehr als sechzig Jahren zum geflügelten Wort geworden ist, sein Geschick, Anekdoten und Alltägliches mit Witz und Zurückhaltung knapp und treffend zu skizzieren, würde mit Hilfe eines Themenregisters erst so recht deutlich. Immer wieder kommt Fontane vom Hölzchen aufs Stöckchen und die Briefe wachsen sich zu kleinen Essays aus, über englische Eßsitten und gotische Dome, über den Katholizismus, das Mittelalter oder die Kinder reicher Leute, sogar über fußballspielende Jugendliche auf Norderney oder, besonders amüsant, über Toilettengraffitti in einem Kölner Hotel.

    Die Mannigfaltigkeit und Eigenständigkeit dieser Briefe erweist sich als so durchschlagend, daß es heute fast schon nicht mehr ketzerisch ist, wenn man behauptete: Fontanes umfangreiches Briefwerk könnte möglicherweise das eigentliche, bedeutendste Werk sein - "Effi Briest" vielleicht ausgenommen -, das dieser Schriftsteller hinterlassen hat. "Du beklagst Dich über meine Weitschweifigkeit", schreibt Fontane seiner Frau. "Ja, was ist darauf zu sagen? Eigentlich nichts, was nicht schon längst gesagt wäre. Alles in allem ein wundervoller Stoff, um aufs Neue in Weitschweifigkeit zu verfallen. Du weißt, daß ich auf solche Kritiken immer gleich eingehe und so bestreite ich auch diesmals nichts oder doch nicht viel. Es ist aber doch ein Unterschied, ob ich nervös und dröhnig nach einem gleichgültigen Wort suche oder ob ich weitschweifig bin, das heißt über den linken Hinterfuß des Flohs eine Abhandlung schreibe. Das Dröhnen ist unter allen Umständen eine Tortur für die Hörer und ‘sans phrase’ ein Fehler, eine Ungehörigkeit; die Weitschweifigkeit aber, die ich übe, hängt doch durchaus auch mit meinen literarischen Vorzügen zusammen. Ich behandle das Kleine mit derselben Liebe wie das Große, weil ich den Unterschied zwischen klein und groß nicht recht gelten lasse, treff ich aber wirklich mal auf Großes, so bin ich ganz kurz. Das Große spricht für sich selbst; es bedarf keiner künstlerischen Behandlung, um zu wirken. Gegenteils, je weniger Apparat und Inszenierung, um so besser. (...) Herwegh schließt eins seiner Sonette ('An die Dichter’) mit der Wendung: 'Und wenn einmal ein Löwe vor Euch steht, / Sollt Ihr nicht das Insekt auf ihm besingen.' Gut. Ich bin danach Lausedichter, zum Teil sogar aus Passion; aber doch auch wegen Abwesenheit des Löwen."