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Der Fall El-Masri und das deutsch-amerikanische Verhältnis

Die Große Koalition hat an einer schweren Erblast zu tragen. Das deutsch-amerikanische Verhältnis, das die von CDU-Kanzlerin Angela Merkel geführte neue Regierung so gern schnell wieder verbessert hätte, wird überschattet von der el-Masri- und CIA-Affäre, die weit über Deutschland hinausreicht.

Von Sabine Adler und Christian Brüser | 15.12.2005
    Die Foltervorwürfe gegen den amerikanischen Geheimdienst CIA nicht nur im Fall des entführten Deutschlibanesen el Masri, sondern auch im Lager Guantanamo oder im irakischen Gefängnis Abu Graib legen den Verdacht nahe, dass sich die USA nicht immer an eigene und internationale Regeln und Gesetze halten - entgegen aller Beteuerungen auch der amerikanischen Außenministerin Condoleezza Rice in Berlin und Kiew in der vorigen Woche.

    Die alte rot-grüne Regierung, in deren Zeit die Skandale fallen, war zu einer Klärung mit den Amerikanern nicht mehr fähig, so der Vorwurf heute. Sie hätte im Bestreben, das von ihr in der Auseinandersetzung um den Irak-Krieg beschädigte transatlantische Verhältnis zu kitten, keinen Mut mehr zu dieser nötigen und fälligen Aussprache gehabt, meint der außenpolitische Sprecher der FDP, Werner Hoyer.

    "Bei diesem Bemühen war, nachdem was vorher an Porzellan zerdeppert worden war, diese Regierung nicht mehr frei, das mit der notwendigen Klarheit und Konsequenz anzusprechen, was unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zwischen Freunden offen angesprochen werden muss."

    Für diese Auseinandersetzung ist es nun höchste Zeit. Bei aller Aufgeregtheit über mögliche deutsche Verstrickungen und die daraus folgenden innen- wie außenpolitischen Konsequenzen konnten sich die Abgeordneten aller Bundestagsfraktionen immerhin auf eine Grundlinie in breitem Einvernehmen verständigen, die Innenminister Wolfgang Schäuble, CDU, so veranschaulichte:

    "Wir dürfen unter gar keinen Umständen gegen das Folterverbot verstoßen. Ich finde, das Entscheidende ist: Wir schützen und verteidigen die Sicherheit der Menschen mit den Mitteln des Rechtsstaates. Und wenn wir die fundamentalen Prinzipien unserer freiheitlichen Verfassungsordnung aufgeben würden, dann würde es auch gar keinen richtigen Sinn machen, das zu verteidigen."

    Für Gregor Gysi, Fraktionschef der Linkspartei/PDS, erklären sich die heutigen Probleme auch mit der Verletzung des Völkerrechts in der Vergangenheit.


    "Ich darf daran erinnern, und ich sage das ohne jede Polemik: ich war ziemlich einsam in diesem Haus, als ich vor längerer Zeit darauf hinwies, dass der Jugoslawienkrieg völkerrechtswidrig ist, weil der Sicherheitsrat nicht einbezogen ist. Das war dann ein Argument der USA beim Irakkrieg, den Sicherheitsrat ebenso zu ignorieren, weil, das war ja schon vorher geschehen. Wenn man Völkerrecht verletzt, muss man immer wissen, man zerstört es damit."

    Renate Künast, Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, fordert einen konkreten Schritt der Bush-Administration.

    "Es reicht uns nicht, dass Frau Rice jetzt sagt, wir halten uns an das internationale Recht. Weil, das internationale Recht, sich daran zu halten, macht nur dann Sinn und ist nur dann greifbar, wenn Guantanamo geschlossen wird. Das muss die Antwort auf diesen Satz sein."

    Vier Bundestagsausschüsse und eine zweistündige Parlamentsdebatte hatten sich gestern mit der CIA-Affäre befasst, heute ging es im innen- und außenpolitischen Ausschuss weiter. Schriftliche Antworten der Bundesregierung auf etliche Anfragen der Oppositionsfraktionen stehen zudem noch aus. Der Katalog der im Parlamentarischen Kontrollgremium zu klärenden Fragen war bereits auf eine stattliche Länge angewachsen, noch bevor sich die Neunergruppe aus Abgeordneten aller Fraktionen, einschließlich der Linkspartei/PDS überhaupt neu formiert hatte. Die Affäre hat alle Aussichten, Regierung und Parlament über den Jahreswechsel hinaus in Atem zu halten. Dabei war die Kanzlerin noch in der vorigen Woche so sehr bemüht, die Angelegenheit an das Parlamentarische Kontrollgremium weiterzureichen und sich damit zu entlasten.

    "Es ist wünschenswert, dass der jetzige Außenminister Steinmeier im Namen der früheren Bundesregierung auch dem Parlamentarischen Kontrollgremium einen Bericht erstattet. Ich denke, dieses Gremium ist der richtige Ort, um hier auch deutlich zu machen, auf der einen Seite kann nicht alles öffentlich diskutiert werden, auf der anderen Seite bedarf es einer transparenten Information."

    Die Abgeordneten gaben sich mit diesem Vorschlag nicht zufrieden. Nicht nur weil das Gremium ein fast zahnloser Tiger ist und auch nicht nur, weil – so der Eindruck in der el Masri-Affäre - dieses Gremium ohnehin viel zu spät hinzugezogen wird, sondern vor allem, weil es weder Zeugen anhören noch mit strafrechtlichen Konsequenzen drohen darf.
    Im Fall el Masri war das Gremium, das die Geheimdienste kontrollieren soll, erst mehr als ein halbes Jahr nach der Freilassung des terrorverdächtigen Deutschlibanesen in Kenntnis gesetzt worden und das auch erst nach diversen Presseveröffentlichungen. Der grüne Abgeordnete Hans-Christian Ströbele, Mitglied in diesem Gremium, erhebt einen sogar noch schwereren Vorwurf: das Gremium sei nicht nur spät, sondern auch mit Falschmeldungen beliefert worden.

    "Wenn es zutrifft, dass das PKG in der Sache el Masri unvollständig und wahrheitswidrig informiert worden ist, muss das Konsequenzen haben. Und diese Konsequenzen mahne ich bei der Bundeskanzlerin und dem früher zuständigen Minister an."

    Die Anfrage ließ viele im Plenum gestern aufhorchen. Wäre dies so, müsste Frank Walter Steinmeier, SPD, zurücktreten. Der ehemalige Kanzleramtschef und in dieser Zeit für die Nachrichtendienste Zuständige, war in den vergangenen Wochen schwer unter Druck geraten. Vor dem Bundestag gestern in Berlin holte der jetzige Außenminister in der Regierung Merkel zu einem Befreiungsschlag aus. Er habe erst von der Entführung erfahren, nachdem el Masri wieder frei war.

    Die Odyssee des 42-jährigen Deutschlibanesen Chaleb el-Masri begann vor fast genau zwei Jahren in der mazedonischen Hauptstadt Skopje. Dort wurde er auf Grund seines angeblich gefälschten Passes festgenommen und drei Wochen verhört.

    "Er hat gefragt, ob ich islamische Organisationen kenne, wie Moslembruderschaft oder al-Quaida, ob ich jemand kenne, der Geld spendiert, ob ich in die Moschee in Ulm gehe, wie viele, welche Staatsbürgerschaft, ob ich Islamisten kenne."

    Statt eines Urlaubs, den el Masri nach einem Krach mit seiner Frau allein in Skopje verbringen wollte, sah er von der mazedonischen Hauptstadt nicht mehr als das Hotelzimmer und drei Bewaffnete, die ihn rund um die Uhr bewachen und befragen. Nach bisherigen Erkenntnissen wendet sich keine der mazedonischen Behörden an eine deutsche Stelle, um die Echtheit des Passes zu prüfen, el Masri bekommt keinen Rechtsbeistand, ihm wird verwehrt, seine Familie zu informieren. Sie erfährt nicht, dass er erst in Skopje, dann in Afghanistan ist und erst recht nicht, wie er vor dem Abflug behandelt wird.

    "Es ging die Türe zu und dann habe ich die Schläge von allen Seiten bekommen und mit scharfen Gegenständen die Kleider vom Leibe geschnitten. Ich hörte, dass in dieser Zeit auch Fotos geschossen wurden."
    Dass der geheime Flieger in Bagdad zwischenlandet, bekommt el Masri nicht mit, denn ein Betäubungsmittel, das man ihm noch in Skopje gespritzt hat, wirkt noch. Er wacht erst in Afghanistan auf dem Weg zum Gefängnis wieder auf. Ein Maskierter, der Arabisch mit libanesischem Akzent spricht, verhört ihn.

    "Und der hat mir gesagt "Wissen Sie warum sie hier sind? Meine Frage. Sie sind hier in einem Land, wo es keine Gesetze gibt. Niemand weiß, wo Sie sind. Sie können hier zwanzig Jahre bleiben oder auch begraben werden."

    El Masri verbringt Wochen in Einzelhaft. Die schmutzige Zelle ist leer, bis auf eine Decke auf dem blanken Boden und einem Kopfkissen, das aus Lumpen besteht.

    "Zum Trinken haben wir schmutziges Wasser bekommen, die Flasche stank aus drei Metern Entfernung und zum Essen ausgekochte Hähnchenknochen mit Brot - und manchmal haben sie uns verfaulten Reis gegeben."

    El Masri tritt neun Wochen nach seiner Festnahme aus Protest gegen die Haft und Behandlung in einen Hungerstreik.

    "Am 35. Tag des Hungerstreiks konnte ich nicht mehr stehen, ich lag nur noch auf dem Boden."

    El Masri will Kontakt mit den deutschen Behörden aufnehmen oder einen ordentlichen Prozess in den Vereinigten Staaten erzwingen. Er wird künstlich ernährt, man verspricht ihm die Freilassung, als klar ist, dass sein Pass nicht gefälscht ist. Die Haftbedingungen verbessern sich, mehrere Male besucht ihn ein Mann, der sich Sam nennt.

    "Der war schlank, 1.80 Meter groß, lange blonde Haare, Schnauzebart, Brille, mit norddeutschem Akzent."

    Sam besucht ihn vier Mal, begleitet ihn, als er endlich freigelassen wird, auf dem Weg nach Europa. Die Odyssee endet mit erneuten Todesängsten, als er in den Bergen Albaniens ausgesetzt wird.

    "Ich habe gedacht in diesem Moment, dass sie mich hier erschießen werden, weil dieser Ort so verlassen war. Dann bin ich weitergelaufen."

    Am 29. Mai kehrt er nach Hause zurück. El Masri vertraut sich dem Anwalt Manfred Gnjidic an, der schriftliche Anfragen an das Bundeskanzleramt und Außenministerin richtet und versichert, sich zunächst nicht an die Medien zu wenden.

    "Zwar hat das Bundeskanzleramt gesagt, dass die von sich aus mit mir wieder Kontakt aufnehmen und mich über den Fortgang der Sache in Kenntnis halten, aber seither sind keine Schreiben oder sonstiges von dort mehr eingegangen."

    Dass seitdem nichts für Gnjidic’ Mandanten unternommen wird, mag Außenminister Steinmeier als damaliger Leiter des Bundeskanzleramtes nicht auf sich sitzen lassen. Man habe unverzüglich die Nachrichtendienste, Polizeidienststellen auf Bundes- und Landesebene sowie die diplomatischen Vertretungen eingeschaltet.

    "Dank dieses Vorgehens der Bundesregierung hat das Bundeskriminalamt bereits am 10. Juni 2004 die örtlich zuständige Polizeidienststelle unterrichtet, wurde der Generalbundesanwalt am 14. Juni informiert und wurde umgehend ein Ermittlungsverfahren eröffnet, in dem el Masri am 17./18. Juni als Zeuge ausgesagt hat und das seit Juli 2004 verantwortlich von der Staatsanwaltschaft München geleitet wird. Zusätzlich hat die Bundesregierung, genau gesagt das Bundeskanzleramt, am 30.Juni 2004 mit dem Anwalt direkten Kontakt aufgenommen, um ihm einen ersten schriftlichen Bescheid anzukündigen."

    Eine Haaranalyse bestätigt el Masris Darstellung seines Hungerstreiks, tatsächlich werden Spuren einer Unter- und Mangelernährung festgestellt. Insgesamt 30 einzelne Bemühungen, so der Außenminister, seien auf der Bundesebene unternommen worden. Auch der Identität des ominösen Sam wurde nachgegangen. Erfolglos und die Anstrengungen hätten auch in der Zwischenzeit nicht nachgelassen.

    "Allein das Bundeskriminalamt, um nur ein Beispiel zu nennen, hat von September 2004 bis Januar 2005 rund ein halbes Dutzend Mal bei zuständigen Stellen in den USA nachgefragt, auf Antwort gedrängt und gemahnt."

    Die Bundesregierung hat Rechtshilfeersuchen an Mazedonien, Albanien und die USA gestellt. Auch der damalige Bundesinnenminister Otto Schily, SPD, bat die USA mehrfach, den deutschen Ermittlungsbehörden Auskunft zu erteilen. Vergeblich. Es war der ehemalige Bundesinnenminister Schily, SPD, der als erster über die Entführung informiert wurde. Die deutsche Öffentlichkeit erfuhr davon auf Umwegen, über einen Artikel in der "Washington Post" Anfang Dezember dieses Jahres. Die amerikanische Zeitung berichtete von einem vertraulichen Gespräch zwischen Schily und dem ehemaligen US-Botschafter in Deutschland, Daniel Coats, und bat Schily um Diskretion. Der hielt sich an die Zusage und informierte, zumindest nach bisherigen Erkenntnissen, weder Bundeskanzleramt noch das Kabinett. Eine Woche später erfährt die Regierung von dem Sachverhalt über besagtes Anwaltschreiben.

    Was Wolfgang Schäuble, CDU, heute Schilys Nachfolger im Amt, dem Innenausschuss und gestern dem Deutschen Bundestag aus dieser geheimnisvollen Unterredung mitteilte, lässt viele Spekulationen über Schily und dessen Verhalten in der Affäre in einem anderen Licht erscheinen.

    "Sie sollten hier nicht den Eindruck erwecken, als hätte mein Amtsvorgänger, der Kollege Schily gewusst, dass el Masri nach Afghanistan gebracht worden sei und dass er dort gefoltert worden sei. Er hatte davon in der Richtung keinerlei Kenntnisse, und ich habe Ihnen das heute ausführlich vorgetragen. Und auch, dass die Information des amerikanischen Botschafters an Herrn Schily an diesem Pfingstmontag des Jahres 2004 erstens nicht beinhaltet hat das Wort Afghanistan, kein Zeitraum, wie lange er von der amerikanischen Seite festgehalten worden war und dass im übrigen gesagt worden war, man habe sich bei ihm entschuldigt, dass mit ihm Stillschweigen vereinbart worden war und man habe ihm einen Geldbetrag gezahlt."

    Schily wurde vorgehalten, er habe sich der Mitwisserschaft bei einer Menschenrechtsverletzung schuldig gemacht und sie damit gebilligt. Nach Schäubles Darstellung muss sich Schily diesen Vorwurf nicht gefallen lassen. Danach erscheint jedoch auch der Entführte el Masri in etwas anderem Licht. Die Amerikaner haben sich bei ihm entschuldigt, Geld gezahlt, erklärt, er sei das Opfer einer Verwechslung.
    Dass el Masri eine Entschädigung bekommen hat, bestreitet sein Anwalt. Dies sei ein Gerücht, um das Opfer zu diskreditieren. Die Darstellung, der Entführte sei verwechselt worden, halten er und sein Mandant für wenig glaubwürdig.

    "Also Herr Masri und ich sind uns einig: diese obskure Person, die im 9/11-Report auch aufgeführt ist, mit einem für libanesische Verhältnisse Allerweltsnamen, ist nicht Gegenstand seiner Entführung. Eine Namensverwechslung meine ich auszuschließen. Insbesondere die konkreten Befragungen nach konkreten Personen aus Neu-Ulm und in der Ulmer Gegend sowohl in Makedonien als auch in Afghanistan legen es nahe, dass man beobachtet hat, dass andere Personen, die im Verdacht stehen, durchaus mit Herrn El-Masri zusammengekommen sind."

    Entschuldigung und Entschädigung hin oder her, die Entführung selbst, die Folter und der fehlende Rechtsbeistand in Mazedonien und Afghanistan bleiben Straftaten. Außenminister Steinmeier verwahrt sich jedoch energisch dagegen, deutsche Behörden hätten über den üblichen internationalen Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsdiensten wissentlich oder unwissentlich el Masris Verschleppung Vorschub geleistet.

    "In aller Deutlichkeit: Die Bundesregierung, BND, BKA und BfV haben keine Beihilfe zur Verschleppung geleistet. Und ebenso deutlich sei wiederholt: Von der Tatsache der Verschleppung haben der frühere Innenminister und der frühere Außenminister ebenso wie ich erst nach der Freilassung des Betroffenen erfahren."

    Grund für das große Interesse des CIA an el Masri war wohl sein Umgang mit Reda Seyam und Yehaia Youssef. Seyam, Deutscher mit ägyptischer Abstammung, wird verdächtigt, die Anschläge von Bali finanziert zu haben und darüber hinaus ein Vertrauter des in Pakistan festgenommenen Al-Kaida-Spitzenmannes Ramzi Binaldschib zu sein. Youseff kennt man als radikalen Vorbeter der Neu-Ulmer Moschee. El Masri selbst gilt als Mitläufer der Islamistenszene.

    So unbeteiligt wie Außenminister Steinmeier sagt, ist die Bundesrepublik jedoch nicht in jedem Fall gewesen. Der Bremer Türke Murat Kurnaz zum Beispiel, der seit vier Jahren in Guantanamo auf Kuba einsitzt wie auch der Deutsch-Syrer Mohammed Haydar Zammar, der seit 2001 in Syrien festgehalten wird. Kurnaz wurde 2001 in Pakistan festgenommen. Was ihm genau vorgeworfen wird, ist bislang unklar. Zammar werden engste Kontakte zu den Attentätern des 11. September nachgesagt, er soll die wichtigsten sogar selbst für Al-Quaida rekrutiert haben. Beide sind vor Ort auch von deutschen Beamten vernommen worden, was Innenminister Schäuble bestätigte. Gregor Gysi empört die Zusammenarbeit mit Syrien zutiefst. Der Grüne Hans-Christian Ströbele fragt nach.

    "Ich bitte Sie, Syrien! Die USA erklären, das ist ein Schurkenstaat, sie sagen, dort gibt es Folter und alles mögliche, drohen Militär an und dann sagen sie aber, dort kann man Gefangene gut vernehmen. Die schicken wir dorthin. Das ist doch indiskutabel, das ist nicht machbar. Da muss man nein sagen. Auch und gerade bei Freunden muss man da nein sagen."

    "Halten Sie den Vorwurf, dass man damit möglicherweise die Früchte der Folter erntet, ohne sich die Hände schmutzig machen zu wollen, für berechtigt?
    Nach dem Stand meiner Erkenntnisse halte ich diesen Vorwurf nicht für berechtigt. Es ist zutreffend, dass Beamte des Bundeskriminalamtes ihn vernommen haben. Und er hat überhaupt nicht behauptet - es ist nichts in den Akten - dass er in Syrien gefoltert wurde. Mein Kenntnisstand ist, dass sich die Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes korrekt verhalten haben."

    So hitzig die Debatte, so einig ist sich der Bundestag dennoch darin, dass weder Folter, noch Gefangenenlager, in denen Häftlinge keinerlei Rechtsschutz erhalten, hinnehmbar sind. Innenminister Wolfgang Schäuble erspart der Vorgängerregierung und insbesondere den Grünen mit ihrem Außenminister allerdings nicht den Vorwurf der Untätigkeit.

    "Ich habe bei jedem meiner Besuche als Mitglied der Oppositionsfraktion in diesen Jahren seit dem 11. September in Washington immer gesagt, dass ich nicht erkennen kann, dass Guantanamo dem entspricht, was unser Rechtsverständnis ist. Und wenn Sie jetzt mit Emphase sagen, Guantanamo muss geschlossen werden, dann hätte ich eigentlich erwartet, dass Sie und ihr Außenminister das früher auch schon gesagt hätten, aber das habe ich nicht gehört."
    Viele Fragen bleiben auch nach den ersten Aufklärungsversuchen unbeantwortet. Weitere Ausschusssitzungen, Fragestunden werden nötig sein. Dass ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss mehr Licht in das zum Teil fragwürdige deutsche Handeln bringen könnte, wird von den wenigsten Abgeordneten angenommen und gewollt. Bislang hält ihn nur die PDS-Fraktion für unverzichtbar. Die Grünen zeigen auffällig wenig Interesse daran. Der Verdacht liegt nahe, dass sie ihre jahrzehntelange Galionsfigur Joschka Fischer schützen wollen, dem bislang kein Wort in der Angelegenheit über die Lippen kam.

    Eine Regierung mit anderen Mehrheitsverhältnissen, die rot-grüne zum Beispiel, hätte in einer solchen Krise wohl um ihren Bestand fürchten müssen. Doch die Große Koalition öffnet jetzt die Möglichkeit, eine breite öffentliche Debatte darüber zu beginnen, was im Antiterrorkampf erlaubt und was tabu ist. Eine Diskussion, die auch auf Europaebene und vor allem mit den USA überfällig ist. Meint die Merkel-Regierung es ernst mit ihrem neuen vertrauensvollen Verhältnis zum transatlantischen Partner, wäre dies der rechte Zeitpunkt, ihren Mut dafür zusammenzunehmen.