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Der gute Amerikaner

Michelangelo, Richelieu, Buffalo Bill, Heinrich VIII., der Cid und Ben Hur: Das alles war Hollywood-Star Charlton Heston. Ein amerikanischer Kritiker bezeichnete seine Film-Karriere einmal als eine Ein-Mann-Führung durch die Weltgeschichte. In mehr also 80 Filmen spielte er mit unwiderstehlicher physischer Präsenz.

Von Josef Schnelle |
    Hätte ein anderer Schauspieler den Propheten Moses spielen können und einem Pharao wie Yul Brunner Paroli bieten in "Die Zehn Gebote" von Cecil B. DeMille? Doch Hollywoodstar Charlton Heston war auch Michelangelo, Richelieu, Buffalo Bill, Heinrich der VIII, der Cid und Juda Ben Hur. Ein amerikanischer Kritiker bezeichnete seine Film-Karriere einmal als eine Ein-Mann-Führung durch die Weltgeschichte. Lauter Heilige und Helden ganz nach dem Geschmack der amerikanischen Provinz und auch des Weltpublikums der Traumfabrik Hollywood. Die meisten seiner mehr als 80 Filmen waren erfolgreiche Großproduktionen. 11 davon durften sich zeitweilig sogar mit dem Titel: "erfolgreichster Film aller Zeiten" schmücken.

    Sein kantiges Granitprofil und seine unwiderstehliche physische Präsenz, sein federnder Gang und seine tiefe Stimme machten ihn zum idealen Action-Helden für die Hollywood-Epen der 50er und 60 Jahre, in denen er oft mit blanker Brust Folterungen ertragen oder hart arbeiten musste, bevor er in den Kampf zog für die Freiheit eines geknechteten oder versklavten Volkes.

    Im richtigen Leben war er passend zu seinen Rollen ein äußerst konservativer Republikaner und führte als solcher die amerikanische Schauspielergewerkschaft und die NRA - die National Rifle Organisation. Noch bei seinem Rücktritt vom Vorsitz der inzwischen in Gerede gekommenen Organisation der Waffenfreunde 2003 hob er eine Winchester über den Kopf und versicherte einmal mehr pathetisch nur aus seinen kalten toten Händen werde man ihm die Waffe entwinden können.

    Wenige Monate zuvor hatte er allerdings keine gute Figur gemacht in Michael Moores Dokumentarfilm "Bowling for Columbine", als er eine Veranstaltung der NRA unmittelbar nach dem Massaker an der Columbine-High-School in Michigan rechtfertigen sollte. Kurz nach einem denkwürdigen Auftritt in dem Remake eines seiner größten Erfolge "Planet der Affen" machte er allen Gerüchten um ein Come-back mit der Mitteilung ein Ende, die Ärzte hätten bei ihm Symptome des Alzheimer-Syndroms festgestellt und stellte eine bewegende Erklärung ins Internet:

    "Ich habe mein ganzes Leben auf Bühne und Leinwand vor ihren Augen gelebt. In ihren Reaktionen habe ich Sinn und Bedeutung gefunden. Für einen Schauspieler gibt es keinen größeren Verlust als den seines Publikums. Ich kann das Rote Meer teilen, aber das kann ich nur mit ihnen, weswegen ich sie auch von diesem Teil meines Lebens nicht ausschließen will.
    Sollte ihr Name nicht mehr flüssig von meinen Lippen kommen. Dann wissen sie nun warum. Und wenn ich ihnen eine lustige Geschichte zum zweiten Mal erzähle, bitte lachen sie trotzdem"."

    Als Anfänger hatte es Heston nicht leicht, musste noch in den 40er Jahren seine kargen Broadway-Honorare mit Jobs als Wäschemodel aufbessern, schlug sich mit Rollen im damals noch stets verachteten Fernsehmedium durch, bevor er 1950 bei William Dieterle seine erste Chance bekam in dem Spielerkrimi "Dark City". Cecil B. de Mille, der König der Monumentalfilme, entdeckte dann die besondere Eignung Hestons für sein Genre und gleich der Zirkusfilm "Die größte Schau der Welt" war ein großer Erfolg. Heston drehte, was ihm in die Quere kam und war mit seinem Farmer-sex-appeal in Western ein gern gesehener Gast.

    Seine Karriere wäre aber die eines ganz gewöhnlichen B-Picture-Stars geworden hätte de Mille nicht 1956 darauf bestanden, ihn als Moses zu besetzen. Die Rolle des biblischen Propheten in einem Abenteuerreißer und in dem damals teuersten Film aller Zeiten machte ihn über Nacht zum Superstar und für die Titelrolle in William Wylers Sandalenepos "Ben Hur" rettete er 1959 das marode Hollywoodstudio MGM und kassierte gleich einen Oskar. Als es darum ging, die Rolle des spanischen Freiheitshelden "El Cid" zu besetzen gab es dafür nur eine Wahl. Heston engagierte sich sehr für den Stoff, führte lange Gespräche mit dem Biografen des Mittelaltermythos Ramon Menendez Pidal und genoss dann die Dreharbeiten an der Seite des Regisseurs Anthony Manns und seiner Partnerin Sophia Loren. Heston konnte sich seine Projekte nun aussuchen, hatte stets Erfolg. Selten aber geriet er unter die Fittiche derjenigen Regisseure, die in der Filmfabrik Hollywood ihre Handschrift behalten hatten. Bei Orson Welles spiele er eine Nebenrolle in seinem mythischen Krimi "Im Zeichen des Bösen", Nicholas Ray besetzte ihn in seinem Film über den Boxer-Aufstand "55 Tage in Peking" als US-Marine. Die heroischen Stoffe verschwanden und Charlton Heston zog schon damals eine Zwischenbilanz

    "Als Schauspieler bin ich dankbar, dass ich nicht ein Leben gelebt habe, sondern viele."

    Erstaunlicherweise brachten die 60er Jahre noch einmal eine Rückkehr des Charlton Hestons an die Kinokasse - mit Science Fiction-Filmen. Franklin Shaffner schickte ihn 1968 als Astronauten auf den Planeten der Affen, wo er sich natürlich immer noch ohne Hemd und Kragen mit einer menschenfeindlichen Affenzivilisation auseinandersetzen muss. 1972 versuchte Heston sich als Drehbuchautor und Regisseur mit einer allerdings misslungenen und vergessenen Variante von "Antonius und Kleopatra". Damit kehrte er zu seinen Theateranfängen zurück, die von seiner Begeisterung für William Shakespeare geprägt waren. Das Stück war 1947 sein erster Bühnenerfolg gewesen. Auch in seiner Abschiedsrede nach der Entdeckung der Alzheimer-Krankheit nahm er Bezug auf Will Shakespeare. Prosperos letzte Worte in "Der Sturm" hatte er ausgesucht, selbst Abschied zu nehmen - Der Mann der Starken Gesten und Sprüche entdeckte für sich noch einmal die leisen und melancholischen Töne

    "Schauspieler sind Geister und zerfließen wieder in Luft, und genauso wie diese wesenlose Luftgesichte, so soll die große Erdkugel selbst zerschmelzen, und gleich diesem Schauspiel nicht die mindeste Spur zurücklassen. Wir sind der Stoff, aus dem die Träume sind, und unser kleines Leben rundet sich im letzten Schlaf."
    Der US-Schauspieler Charlton Heston bei einer Versammlung der US-Waffenlobby National Rifle Associaton, deren Präsident der bis 2003 war.
    Der US-Schauspieler Charlton Heston bei einer Versammlung der US-Waffenlobby National Rifle Associaton. (AP)