Archiv


Der härteste Held des Italo-Western tritt ab

Er hiess Charles Buchinsky und war eines von vielen Kindern litauischer Einwanderer, obwohl er eher wie ein Indianer aussah. So gehörten Indianer vor allem am Anfang, als er noch unter seinem Geburtsnamen in den Credits erschien, zu seinen Rollen. Erst seit 1954 nannte er sich Charles Bronson, zum Beispiel in "Der einsame Adler" des Western-Spezialisten Delmer Daves, für den er nun schon als Captain Jack einen Indianerkiller spielte. Killer zu sein, wurde eine seiner Spezialitäten bis hin zu der fünfteiligen "Death-Wish"-Serie der siebziger und achtziger Jahre, in der Bronson das Recht in die eigene Hand nimmt. Schon im ersten, von Michael Winner inszenierten Film der Serie macht der Architekt Paul Kersey, dessen Familie von drogensüchtigen Hooligans massakriert worden ist, geradezu wahllos Jagd auf junge Rowdies. Dass die "Death Wish"-Filme in den USA einen immensen Erfolg hatten, sagt mehr über die Psyche der Amerikaner aus, als ihr derzeitiger Präsident von sich geben könnte.

Peter W. Jansen |
    Man wird Mühe haben, seinen Geburtsort in Pennsylvania auf der Landkarte zu entdecken, ein Nest etwa 60 Meilen östlich von Pittsburgh, eine winzige Stadt, die oft Ehrenfield geschrieben wird, obwohl sie wie ein Vorort von Köln Ehrenfeld heisst. Dort wuchs der Mann auf, der, wie sein Vater, zuerst Minenarbeiter war, sich dann als Boxer versuchte, ehe er im Zweiten Weltkrieg als Flieger im Pazifik eingesetzt wurde. Heimgekehrt, liess sich zum Bühnenarbeiter ausbilden. Beeindruckt von seiner physischen Erscheinung, holte man ihn bald aus den Kulissen heraus und stellte ihn vorn an die Rampe im Pasadena Playhouse. Dass er bedeutendere Rollen gespielt hätte, ist nicht überliefert, und bedeutend war auch nicht, was man zuerst in Hollywood von ihm haben wollte.

    Roger Corman, bekannt für die Entdeckung und Förderung noch wenig bekannter Talente, gab ihm 1958 die erste Hauptrolle in dem wüsten und brutalen Gangsterfilm "Revolver-Kelly", für die sich Charles Buchinsky in Charles Bronson umbenannte. Ein Durchbruch war das noch nicht. Aber man war aufmerksam auf ihn geworden, und so nahm ihn John Sturges neben den schon gestandenen Action-Helden Yul Brynner, Steve McQueen, James Coburn und Eli Wallach als einen der "Glorreichen Sieben", zu denen auch Horst Buchholz zählte, die ein mexikanisches Dorf von der Tyrannei einer Bande befreien. Sturges holte ihn noch einmal für "Gesprengte Ketten", wo er abermals Steve McQueen und James Coburn neben James Garner und Richard Attenborough zu Partnern haben sollte bei dem Massenausbruch alliierter Kriegsgefangener aus einem deutschen Lager in Bayern. Amerikanischer Soldat war er dann noch einmal unter Robert Aldrich. "Das dreckige Dutzend" hiess der Film, in dem ein aus zwölf Kriminellen eines Strafgefangenenlagers aufgebotenes Himmelfahrtskommando eine Festung der SS auszuheben hat.

    Da gab es ihn also im Dutzend als Psychopathen, und für den Oscar, für den Charles Bronson niemals auch nur nominiert worden ware, für den Oscar reif war das mitnichten. - So musste er nahezu fünfzig werden, ehe er zum Star wurde. Nicht in amerikanischen Filmen, sondern in Europa. "Spiel mir das Lied vom Tod", der mittlerweile zum Kultfilm avancierte Western von Sergio Leone, war ihm auf den Leib geschneidert. Da konnte er die Auseinandersetzung zwischen einer Eisenbahngesellschaft und einer irischen Einwandererfamilie zum erstenmal für einen privaten Rachefeldzug nutzen. Da musste er als Namenloser kein Wort reden und sich nur durch seine Mundharmonika verständlich machen, deren Melodie von Ennio Morricone zu einem Hit geworden ist.

    Charles Bronson, dieser geradezu minimalistische Darsteller, musste nur sein Gesicht hinhalten, das Gesicht mit den schmalen Augenschlitzen, die wie Schiessscharten wirken, und von dem er selbst gesagt hat, es sehe aus wie ein Steinbruch, den jemand in die Luft gesprengt hat. Dieses verwitterte, faltige, wie von vielen Säbelhieben zerfetzte Gesicht, das ihn unvergesslich gemacht hat. Als Darsteller war er das, was man einen Minimalisten nennt, er musste nichts Besonderes machen, und gerade das war sein Markenzeichen.

    Der präzise, fast bescheidene Handwerker, der er in seinen rund hundert Filmen immer geblieben war, wusste das, und so hat er auch einmal gesagt, dass die Schauspielerei der einfachste Job sei, den er jemals gemacht habe, und deshalb sei er dabei auch stecken geblieben. - Einer seiner letzten Filme, fürs Fernsehen produziert, hiess "Act of Vengeance" (Local 323), in dem er am Ende getötet wird. Dass dieser Film zum Flopp wurde, ist kein Wunder. Denn ein bis zur Selbstjustiz bereiter Rächer darf alles, nur nicht sterben.

    Link: mehr ...

    1790.html