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Der heiß umkämpfte US-Energiesektor

Dank der Fracking-Bohrtechnik und gewaltiger Schiefervorkommen könnten die USA bald zum weltgrößten Gasproduzenten aufrücken. Präsident Obama und Herausforderer Romney setzen gleichermaßen auf das Schiefergas. Doch dieser Schritt in Richtung Energie-Unabhängigkeit ist im Land umstritten.

Von Miriam Braun | 02.11.2012
    Wes Gillingham schöpft Wasser aus einer natürlichen Quelle auf seiner Farm unweit der Catskill Mountains in Upstate New York.

    "Ich erinnere mich, dass ich schon als Kind mit meinem Vater hier an diesem Brunnen war. Es ist eine wunderbare Wasserquelle, ich nutze sie beispielsweise, um unsere Kühe zu tränken."

    Der Bauer hat Angst, dass seine Quelle und das gesamte Grundwasser im Norden von New York City bald vergiftet sein könnten. Die Gegend liegt auf einem der größten Schiefergasvorkommen in den USA. Noch ist die Förderung im Staat New York verboten – Das kann sich allerdings jederzeit ändern.

    "Die Unternehmen wollen so billig wie möglich Gas aus dem Boden pumpen und interessieren sich nicht für das Grundstück eines Bauern oder das Grundwasser. Und das ist die wichtige, immer noch ungeklärte Frage: Wie sehr wird durch die Förderung Grundwasser verseucht?"

    Beim hydraulischen Frakturieren – kurz Fracking – wird ein Mix aus Sand, Wasser und Chemikalien in den Boden gepresst, um das Schiefergas freizusetzen. Giftige und teilweise sogar radioaktive Stoffe kommen zum Einsatz und kontaminieren, so die Kritik, Boden und Grundwasser.

    2005 wurden die US-Umweltauflagen unter George W. Bush und seinem Vizepräsidenten Cheney gelockert und Fracking aus dem Trinkwasserschutzgesetz herausgenommen. Cheney arbeitete zuvor jahrelang für den Fracking-Geräte- Hersteller Halliburton – Die Ausnahme ging als "Halliburton Loophole", deutsch Schlupfloch, in die Geschichte ein.

    Seither ist die Regulierung von Fracking Sache der Einzelstaaten und die Gasproduktion in den USA von vier auf 24 Prozent in die Höhe geschnellt. Beispielsweise wird in Pennsylvania, Ohio oder Texas fleißig Schiefergas gewonnen. Der Staat New York tut sich schwer – aus gutem Grund. Professor Geoffrey Heal, Energie-Ökonom an der Columbia Business School in New York:

    "Das gesamte Ballungsgebiet New York City wird mit Grundwasser aus den Catskills, der Gegend, wo gebohrt werden soll, versorgt. Wenn in Texas oder Pennsylvania Fracking betrieben wird, dann in Gegenden, die kaum bevölkert sind. 20 oder vielleicht 50 Leute sind betroffen, hier wären es Millionen Menschen."

    Schiefergas macht dennoch, auch ohne New York, bereits ein Viertel der heimischen Gasförderung aus. Schätzungen zufolge dürfte der Anteil bis 2015 auf die Hälfte steigen. Damit scheint der fast schon vergessene "amerikanische Traum" der Energie-Unabhängigkeit in greifbare Nähe zu rücken. Das schlachten im Präsidentschafts-Wahlkampf beide Lager aus. Sowohl Mitt Romney als auch Barack Obama zeigen sich Pro-Schiefergas. Der Präsident während einer der Fernsehdebatten:

    "Die Erdgasförderung ist oberste Priorität. Wir haben 600.000 neue Jobs und Energie für mehrere Hundert Jahre direkt unter unseren Füßen. Und wir können sie umweltschonend fördern."

    Umweltschonend! Genau das bleibt nach wie vor umstritten. Die US-Umweltbehörde untersucht die Auswirkungen auf Boden und Grundwasser bereits seit mehreren Jahren – der Abschluss und die Veröffentlichung der Ergebnisse wird immer wieder verschoben. Sollten die Bedenken zu groß sein, müssten Obama oder Romney – wer auch immer in Zukunft das Land regieren wird – am Ende doch die Förderung wieder einschränken.

    Selbst, wenn die Erdgas-Förderung ohne weitere Umweltauflagen weitergehen könnte, müssten die US-Verbraucher erst restlos davon überzeugt werden, dass Erdgas eine Alternative zum Öl sein könne, meint Prof. Heal.

    "18 Millionen Tonnen des schwarzen Goldes konsumieren die USA täglich, mehr als das Doppelte dessen, was Saudi-Arabien täglich produziert."

    Ohne elektrische und eben erdgasbetriebene Autos im amerikanischen Alltag bleibe die Energie-Unabhängigkeit aufgrund des immensen Durstes nach Öl noch viele Jahrzehnte ein unerfüllter Traum.