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Der hellste Gamma-Blitz aller Zeiten

Am Tag nach Weihnachten raste ein gewaltige Welle von Gammastrahlung über die Erde hinweg. Auf dem Erdboden war davon nichts zu merken - aber etliche Satelliten im Weltraum haben den Strahlungsausbruch registriert. Gammastrahlung ist extrem energiereiches Licht - sie enthält noch mehr Energie als Ultraviolett- oder Röntgenlicht. In der Fachzeitschrift Nature veröffentlichen heute gleich fünf Forscherteams ihre Beobachtungen dieses Gammablitzes.

Von Dirk Lorenzen |
    Der große Gamma-Blitz kam am 27. Dezember um 22 Uhr 30 Minuten und 26 Sekunden - urplötzlich, ohne jede Vorwarnung, schlugen die Satelliten an. Für den Bruchteil einer Sekunde fegte ein gigantischer Gamma-Sturm über die Erde hinweg, dann nahm die Strahlung rasch ab. Nach sieben Minuten war der Spuk vorüber. Und die Astronomen auf dem Boden blieben staunend zurück, erinnert sich David Palmer, Physiker an den Los Alamos National Laboratories in New Mexico:

    "Dieser Ausbruch enthielt so viel Energie wie die Sonne in einigen hunderttausend Jahren ausstrahlt. In 40 Jahren Gammastrahlen-Astronomie haben wir haben überhaupt erst zweimal zuvor so ein Ereignis gesehen. Diese beiden früheren Blitze waren zwar auch sehr stark, aber dennoch etwa 100mal schwächer als dieser."

    David Palmer und seine Kollegen haben den stärksten Gamma-Blitz aller Zeiten mit dem NASA-Satelliten Swift beobachtet - der nur fünf Wochen zuvor seine Arbeit aufgenommen hatte: Forscherglück!

    Der Gamma-Blitz kam von einem seit längerem bekannten Neutronenstern mit einem extrem starken Magnetfeld - die Astronomen sprechen von einem Magnetar. Magnetare zählen zu den bizarrsten und rätselhaftesten Objekten im Kosmos. Sie enthalten etwa so viel Masse wie die Sonne, sind aber nur gut 20 Kilometer groß und drehen sich sehr schnell um die eigene Achse. Der entscheidende Punkt ist das extrem starke Magnetfeld, das eine Billiarde mal stärker ist als das Magnetfeld der Erde...

    "Wenn sich das Magnetfeld durch Plattentektonik oder andere Prozesse an der Oberfläche des Sterns verheddert, versucht es, diese Unregelmäßigkeiten auszugleichen. Das ist sehr schwierig. Irgendwann ist das Magnetfeld so verdreht, dass die Feldlinien dem nicht mehr standhalten und sozusagen mit aller Kraft wieder gerade werden müssen - so wie ein überdehntes Gummiband zurückschnappt."

    Beim Zurückschnappen des Magnetfeldes wird enorm viel Energie frei. Die Explosion dieses Magnetars hat astronomisch gesehen gleich vor unserer Haustür stattgefunden - das Objekt ist nur gut 30.000 Lichtjahre von der Erde entfernt. Die Forscher konnten den Ausbruch in allen Details verfolgen.

    Im Innern von Magnetaren ist die Materie extrem dicht gepackt - diese Sterne sind sozusagen ein einziger gigantischer Atomkern. Die Oberfläche ist aber keineswegs komplett starr, erklärt David Palmer:

    "So eine Explosion ist eine Art Sternbeben. Allerdings entsteht das Beben nicht durch die Spannungen in der Kruste des Sterns, wie ein Beben auf der Erde - sondern durch das Magnetfeld, das sich urplötzlich neu anordnet. Wir wissen ohnehin nicht genau, ob es auf der Oberfläche von diesen Sternen wirklich eine feste Kruste gibt oder ob da sozusagen Schollen auf einer Art Ozean treiben. Bei diesem Ausbruch hat der Magnetar etwa zehn Prozent seiner verfügbaren magnetischen Energie abgegeben - jeder einzelne Stern kann als nur etwa zehnmal in seinem Leben eine so starke Explosion verursachen."

    Beim Strahlungsausbruch wurden große Mengen geladener Teilchen vom Stern weggeschleudert. Zwar war der Gammablitz nach einigen Minuten vorbei - aber die Astronomen beobachten im Radiobereich selbst Monate später noch, wie die Explosionswolke mit einem Drittel der Lichtgeschwindigkeit vom Magnetar weg rast. Die Forscher hoffen, aus der Form und Bewegung der Explosionswolke etwas über die Vorgänge am Magnetar selbst zu lernen - und damit die gewaltigste bisher beobachtete Explosion in der Nähe der Erde zu verstehen.

    (Interviewpartner: David Palmer, Los Alamos National Laboratories, New Mexico, USA)