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Der Karma-Ökonom und seine Crowd-Turnschuhe

Van Bo Le-Mentzel ist eigentlich Architekt. Aber er bewegt sich seit Jahren auf vielen Pfaden gleichzeitig. Und immer haben diese Wege mit Weltverbesserung zu tun. Sein jüngstes Projekt: die Karma Chakhs. Mithilfe von Crowdfunding und Schwarmintelligenz hat Van Bo Le-Mentzel seine Lieblingsturnschuhe einfach selbst herstellen lassen.

Von Johannes Nichelmann | 25.07.2013
    "Du, ich bin ... Ja? Wollen wir einfach später noch telefonieren? "

    Van Bo Le-Mentzel ist auf Arbeit, sitzt am großen Konferenztisch. Hinter ihm: ein Whiteboard mit vielen bunten Merkzetteln und Notizen. Vor ihm: der Blick über die Dächer von Berlin-Kreuzberg. Der Architekt nimmt sein Smartphone vom Ohr, legt es auf den Tisch.

    "Jetzt fängt es langsam an, dass ich darüber nachdenke, ob ich mir noch mal so ein iPhone kaufe. Ich hab eigentlich eher so das Bedürfnis, das iPhone zu produzieren. "


    Der 36-Jährige hat es sich zum Ziel gemacht, die Welt ein bisschen zu verbessern. Vor einigen Jahren machte er mit sogenannten Hartz-IV-Möbeln auf sich aufmerksam - jedem sollte es möglich sein, schöne und moderne Möbel zu besitzen. Anleitungen zum preiswerten selber bauen. Sein neues Projekt: Van Bo hat seine Lieblingsschuhe auf eigene Faust in Asien fertigen lassen. Die sogenannten Chucks von Converse. Die klassischen Stoffschuhe mit Gummisohle und dem kreisrunden Logo am Knöchel. Im Internet rief er Ende 2012 dazu auf, sich an dem Projekt zu beteiligen.

    "Converse wurde übernommen vor neun Jahren von Nike und man hört ja viel von den dubiosen Produktionsweisen, wie Nike da vorgeht. Man hat ja auch immer wieder Skandale gehört, wegen Kinderarbeit und so. Ich hab einfach keinen Bock drauf. Es geht ja darum, den Prozess dahin neu zu gestalten. Wirtschaft neu zu denken. Ist es möglich, Massenproduktion so zu erzeugen, dass halt keine Ausbeutung dabei stattfindet?"

    Le-Mentzel glaubt, dass das funktioniert und ging folgenden Weg: via Crowdfunding suchte er Menschen, die mit ihm gemeinsam fünfhundert Paar der sogenannten Karma-Chakhs bestellten. Knallrote Schuhe gefertigt in Pakistan, Sri Lanka und Indien. 20.000 Euro mussten zusammenkommen. Pro Paar also 40 Euro - dreißig weniger als bei den Originalen. Alles für den Eigenbedarf der Crowd. Am Knöchel der Turnschuhe steht jetzt: Karma-Chakhs. Der Markenname Chakhs in einer anderen Schreibweise. Sonst soll alles so aussehen, wie im Originalen. Jeder Produktionsschritt, jede ethische Fragestellung entfachte eine lebhafte Diskussion in den sozialen Netzwerken. Da die Aktion am Ende viel mehr Geld einbrachte als eigentlich benötigt, wurde noch eine aufwendige, kunstvolle Sohle kreiert - entworfen natürlich aus der Crowd heraus.


    "Ich glaube, die Menschen wissen es einfach, dass das nicht in Ordnung sein kann, wenn man für zwei Euro irgendwie ein T-Shirt kauft. Ich glaube, es ist eher eine Kulturfrage. "

    Die Karma-Chakhs stammen aus Fabriken mit offiziellen Qualitätssiegeln. Um sich davon zu überzeugen, dass es den Herstellern seiner Schuhe gut geht, besuchte er die Fabriken und machte Fotos von den Arbeiterinnen und Arbeitern. Sein Ziel: allen Menschen die Hand zu schütteln, die an der Fertigung des Schuhs beteiligt sind.

    "Ich glaube, dass wenn man die Menschen sieht, die unseren Wohlstand sozusagen herstellen, dass es besser ist, für unser Karma! Wenn wir noch eine engere Beziehung zu unseren Herstellern entwickeln. "

    Eine Aktion für das Karma von konsumgesättigten Großstädtern. Etwas für das gute Gefühl, in dieser Cooperate-World auf gar keinen Fall zu den bösen zu gehören. Karma-Ökonomie nennt Van Bo Le-Mentzel seine Idee einer neuen Wirtschaftsordnung. Jeder soll, gemeinsam mit Mitstreitern, die Macht haben, sein Produkt selbst in Auftrag geben zu können. Eine Fortentwicklung des Kapitalismus - beim Einkauf von Energie klappe dies ja auch, meint Le-Mentzel. Der Chucks-Hersteller Nike will das Projekt offiziell nicht weiter kommentieren.

    "Viele haben den Vorwurf gemacht, dass es ein Plagiat ist, dass ich Sachen kopiere. Es gab auch rassistische Vorwürfe, Shitstorms gegen mich. Das ist auch okay. Ich will ja gerade die Leute dazu animieren und provozieren, darüber zu diskutieren."

    Das Problem ist nur: Hier diskutieren diejenigen, die es sich leisten können, darüber nachzudenken, ob sie bei H&M oder dem Fair Trade Handel ihres Vertrauens einkaufen wollen. Van Bo Le-Mentzel hat für sich entschieden seine Klamotten nicht mehr in den Müll zu werfen, wenn sie kleine Löcher haben. Er lässt sie stopfen. Vielleicht ist das ein gangbarerer Weg, für besseres Karma auf der westlichen Seite unserer Welt.

    "Und den Schritt in eine bessere Welt geht man am Besten mit Schuhen, die gutes Karma mit sich bringen. "