Würmer, Würmer, es wimmelt von Würmern. Massenweise geht's hier ab zu den Würmern.
Lear, der greise König, teilt sein Reich auf unter seinen drei Töchtern. Für jede will er sich ein Drittel seines Mantels von den Schultern reißen. Aber die jüngste, Cordelia, verzichtet zum Unmut des Vaters. Die beiden Älteren, Goneril und Regan, raufen um das letzte Drittel.
Es ist das blutrünstigste der Shakespeare-Dramen. Jeder kämpft hier gegen jeden. Gier und Gewalt beherrschen die Szene. Und das Alter schützt vor Torheit nicht beim Einschätzen des Machtstrebens der Jüngeren.
In nüchternen, geradezu Brecht'schen Bildern zeigt Hans Neuenfels das an der Berliner Komischen Oper. Betonen lässt er das Mimische.
Reimanns und seines damaligen Librettisten Claus H. Henneberg fast existenzialistischen Ansatz greift er auf. Verdi war an dem Stoff gescheitert und auch Reimann brauchte dafür zehn Jahre.
"Ich denke, dass der Reimann eine ganz unglaublich gute Situation für sich geschaffen hat musikalisch, indem er gewagt hat, die Figur des Lear freizusetzen ohne Gesellschaft, ohne soziologische und psychologische – also indem er die Figur blank gesetzt hat. Das konnte damals Verdi noch nicht, oder wollte nicht."
Die Bühne von Hansjörg Hartung ist ein schmuckloser Raum von milchig-transparenten Rechtecken. Der Hofstaat sitzt bei der Machtverteilung anfangs auf Stühlen frontal zum Publikum wie bei einer Schulstunde. Als Video an der Rückwand sieht man die wimmelnden Würmer.
Goneril, die älteste der Schwestern, ist von Elina Schnizler in ein graues Kostüm gesteckt, Regan, die blutrünstigste, in Schwarz-Rot mit keckem Hütchen auf dem Kopf, Cordelia, die verzichtbereite, in saharabeige.
Den Narren, der die Wahrheiten hinter der Fassade verkünden darf, lässt Neuenfels von seiner Frau Elisabeth Trissenaar spielen: Wie ein Joker und Krankenpfleger in schwarz-weiß kariertem Hosenanzug begleitet sie den greisen König durch das von ihm selbst geschaffene Chaos, mutiert bald zum Gevatter Tod.
Auch anderes Neuenfels'sches Lieblingspersonal findet sich auf der Bühne wie in graue Kapuzenjacken gesteckte junge Männer und Frauen als Bewegungschor, Edelhunde, die sich über den Machtrivalen der beiden Schwestern, Gloster, hermachen und bissfest schon als Ausstellungsstücke an den transparenten Plastikmöbeln in Regans Heim sitzen.
Der Verzicht auf Psychologie macht es auch etwas mühsam, Neuenfels' skelettierte Dramaturgie zu verfolgen. Was treibt die beiden älteren Schwestern? Woher nimmt Edgar, Glosters in die Heide verstoßener legitimer Sohn, die Kraft, dem Halbbruder Edmund das Heft aus der Hand zu reißen und ihn schließlich ebenfalls zu den Würmern zu schicken?
Gleichwohl einhelliger Jubel am Ende für den Regisseur und sein Team, für den Komponisten Aribert Reimann, für den die Partitur eher überforcierenden Dirigenten Carl St. Clair und die Sänger. Tómas Tómasson ist ein rüstiger Lear. Irmgard Vilsmaier und Erika Roos geben die verdrängungsmächtigen Goneril und Regan, Caroline Melzer die stolze Cordelia. Mit schönem Counter Martin Wölfel als Edgar.
Die Macht verfällt nach dem großen Schlachten an einen eigentlich Unbeteiligten. Neuenfels' "Lear" an der Komischen Oper: ein altersweises Kammerspiel.
Lear, der greise König, teilt sein Reich auf unter seinen drei Töchtern. Für jede will er sich ein Drittel seines Mantels von den Schultern reißen. Aber die jüngste, Cordelia, verzichtet zum Unmut des Vaters. Die beiden Älteren, Goneril und Regan, raufen um das letzte Drittel.
Es ist das blutrünstigste der Shakespeare-Dramen. Jeder kämpft hier gegen jeden. Gier und Gewalt beherrschen die Szene. Und das Alter schützt vor Torheit nicht beim Einschätzen des Machtstrebens der Jüngeren.
In nüchternen, geradezu Brecht'schen Bildern zeigt Hans Neuenfels das an der Berliner Komischen Oper. Betonen lässt er das Mimische.
Reimanns und seines damaligen Librettisten Claus H. Henneberg fast existenzialistischen Ansatz greift er auf. Verdi war an dem Stoff gescheitert und auch Reimann brauchte dafür zehn Jahre.
"Ich denke, dass der Reimann eine ganz unglaublich gute Situation für sich geschaffen hat musikalisch, indem er gewagt hat, die Figur des Lear freizusetzen ohne Gesellschaft, ohne soziologische und psychologische – also indem er die Figur blank gesetzt hat. Das konnte damals Verdi noch nicht, oder wollte nicht."
Die Bühne von Hansjörg Hartung ist ein schmuckloser Raum von milchig-transparenten Rechtecken. Der Hofstaat sitzt bei der Machtverteilung anfangs auf Stühlen frontal zum Publikum wie bei einer Schulstunde. Als Video an der Rückwand sieht man die wimmelnden Würmer.
Goneril, die älteste der Schwestern, ist von Elina Schnizler in ein graues Kostüm gesteckt, Regan, die blutrünstigste, in Schwarz-Rot mit keckem Hütchen auf dem Kopf, Cordelia, die verzichtbereite, in saharabeige.
Den Narren, der die Wahrheiten hinter der Fassade verkünden darf, lässt Neuenfels von seiner Frau Elisabeth Trissenaar spielen: Wie ein Joker und Krankenpfleger in schwarz-weiß kariertem Hosenanzug begleitet sie den greisen König durch das von ihm selbst geschaffene Chaos, mutiert bald zum Gevatter Tod.
Auch anderes Neuenfels'sches Lieblingspersonal findet sich auf der Bühne wie in graue Kapuzenjacken gesteckte junge Männer und Frauen als Bewegungschor, Edelhunde, die sich über den Machtrivalen der beiden Schwestern, Gloster, hermachen und bissfest schon als Ausstellungsstücke an den transparenten Plastikmöbeln in Regans Heim sitzen.
Der Verzicht auf Psychologie macht es auch etwas mühsam, Neuenfels' skelettierte Dramaturgie zu verfolgen. Was treibt die beiden älteren Schwestern? Woher nimmt Edgar, Glosters in die Heide verstoßener legitimer Sohn, die Kraft, dem Halbbruder Edmund das Heft aus der Hand zu reißen und ihn schließlich ebenfalls zu den Würmern zu schicken?
Gleichwohl einhelliger Jubel am Ende für den Regisseur und sein Team, für den Komponisten Aribert Reimann, für den die Partitur eher überforcierenden Dirigenten Carl St. Clair und die Sänger. Tómas Tómasson ist ein rüstiger Lear. Irmgard Vilsmaier und Erika Roos geben die verdrängungsmächtigen Goneril und Regan, Caroline Melzer die stolze Cordelia. Mit schönem Counter Martin Wölfel als Edgar.
Die Macht verfällt nach dem großen Schlachten an einen eigentlich Unbeteiligten. Neuenfels' "Lear" an der Komischen Oper: ein altersweises Kammerspiel.