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Der Körper als Datenleitung

Technik. - Was mobil und drahtlos sein soll, wird heute meist per Funk angesteuert. Oft könnte man aber auch den menschlichen Körper als Datenleitung nutzen. Dabei muss kein Strom durch die Haut fließen: Kapazitive Verfahren der Datenübertragung werten vielmehr die Veränderung von elektrischen Feldern durch den Körper aus.

Von David Globig |
    Ein elektrischer Fensterheber - Standard in jedem modernen Auto. Wer sich heute ein Fahrzeug kauft, der erwartet, dass ihn die Technik bei möglichst jedem Handgriff unterstützt. Das fängt bei den Fenstern an, geht über motorgetriebene Schiebetüren und Heckklappen bis zum Cabrioverdeck. Alles können die Autos ihren Besitzern dabei allerdings noch nicht abnehmen. Andreas Güte, Projektmanager bei Ident Technology in Wessling bei München.

    "Wenn ich im Café sitze, es fängt an zu regnen, muss ich zu meinem Cabrio gehen und das Dach per Hand schließen. Weil dieser Vorgang zwar motorgetrieben ist, aber nicht vom Auto alleine gesteuert werden kann. Das Schließen des Daches ist gefährlich. Es könnte sich gerade ein Radfahrer am Auto festhalten, und es werden ihm die Finger abgequetscht. Deshalb passiert das heute nicht. Es fehlt eine Sicherheitstechnik, die es erlaubt, das Cabrio automatisch zu schließen. Und diese Technologie stellen wir als Ident Technology zur Verfügung."

    Die Entwickler nutzen dabei ein physikalisches Phänomen aus, das man vom Plattenkondensator kennt. Zwischen zwei unterschiedlich geladenen Platten, die sich nicht berühren, entsteht ein elektrisches Feld. Beim Cabrio ist das Verdeck eine der beiden Platten, man spricht auch von Elektroden. Das elektrische Feld baut sich also zwischen dem Faltdach und dem Chassis des Autos auf. Fasst man nun mit seiner Hand dazwischen, verändert man dadurch das Feld und die Motoren stoppen - ein perfekter Einklemmschutz. Er soll in den nächsten zwei Jahren auf den Markt kommen.

    Die Skinplex genannte Technologie lässt sich aber auch ganz anders nutzen. Etwa für eine drahtlose Datenübertragung. Sie ist möglich, weil der Körper in der Nähe einer Elektrode selbst zu einem Teil eines Plattenkondensators wird, erläutert Peter Faßhauer. Der ehemalige FH-Professor ist wissenschaftlicher Berater des Wesslinger Unternehmens.

    "Eine dieser Platten ist gewissermaßen die Körperfläche, zu der jetzt diese Elektrode hin gerichtet ist, und die zweite Platte ist dann eben diese Elektrode."

    Ist die Elektrode positiv geladen, wird die gegenüberliegende Körperfläche negativ und umgekehrt. Man spricht hier von Influenz. An einer anderen Stelle des Körpers erhalte ich dadurch jedoch eine Ladung mit jeweils umgekehrten Vorzeichen. Bringe ich nun eine zweite Elektrode in die Nähe des Körpers baut sich dort wiederum ein elektrisches Feld auf. Auf diese Weise lassen sich Daten von einer Elektrode zur anderen transportieren.

    "So wie man auch eine Leitung zur Informationsübertragung verwenden kann, kann man das in gleicher Weise mit dem Körper tun. Das heißt man koppelt irgendwo auf dem Körper jetzt was ein, eine Information, und kann sie an anderer Stelle wieder entnehmen."

    Dazu genügt ein kleiner Sender inklusive Elektrode in der Tasche. Dieser Sender arbeitet mit einem Wechselsignal, dessen Frequenz etwa 100 Kilohertz beträgt. Mit diesem Signal kann ich digitale Informationen weiterleiten. Also zum Beispiel einen speziellen Code, der das Schloss meiner Haus- oder Autotür öffnet, sobald ich den Türgriff berühre, in dem ein Empfänger steckt. Die Entwickler von Ident Technology hatten ursprünglich aber noch eine ganz andere Anwendung vor Augen, erinnert sich Andreas Güte.

    "Die Idee war, dass ich zum Beispiel die Funktion einer Heckenschere kopple an das Tragen der dazugehörigen Sicherheitsbrille. Das heißt ich bringe in die Brille den Sender ein, in die Heckenschere den Empfänger. Nur wenn ich die Brille auf meinem Kopf habe, kann über meinen Körper das Sicherheitssignal als Beispiel übertragen werden. Nur dann ist das Gerät betriebsbereit."

    Hersteller waren an dieser Technologie aber leider nicht interessiert. Die Wesslinger Entwickler setzen deshalb inzwischen verstärkt auf den Automobilbereich.

    Andere Unternehmen denken ebenfalls darüber nach, wofür sich diese Technologie einsetzen lässt - etwa für kleine Musik-Player. Digitale Musikdaten ließen sich damit drahtlos über den Körper zum Kopfhörer übertragen. Auch am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen hat man mit dem Körper als Datenleiter schon experimentiert - allerdings nicht erfolgreich. René Dünkler und seine Kollegen wollten medizinische Sensoren für Blutdruck, EKG und Blutsauerstoff ohne Kabel mit einem kleinen Taschencomputer verbinden.

    "Also es hat sich einfach gezeigt, dass teilweise Abbrüche in der Datenübertragung vorhanden waren und deswegen hatten wir uns entschieden, einfach wegen dem sensiblen Bereich in der Medizintechnik, auf andere Frequenzen, auf höhere Frequenzen, auf Funkfrequenzen zu wechseln."


    Dünkers Vermutung, wie es zu den Abbrüchen kam: Ein System, das den menschlichen Körper als Datenleiter nutzt, hat offenbar manchmal damit zu kämpfen, dass jeder Körper anders ist. Bei der Übertragung von digitalen Schlüsselcodes und Musik kann man damit jedoch gut leben.