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Der Krieg der Hockey-Mütter

Die Innenansichten der Ehen von US-Präsidenten sind spätestens seit den Clintons ein dankbares Thema für die Klatschpresse. In den USA ist nun wieder ein einschlägiger Schlüsselroman erschienen: "American Wife" von Curtis Sittenfeld handelt von einem fiktiven Präsidenten und seiner Frau - und spielt deutlich auf das aktuelle Paar im Weißen Haus an.

Von Gregor Peter Schmitz |
    Ganz Amerika redet nach dem Republikaner-Parteitag über Sarah Palin. John McCains Überraschungs-Vize präsentierte sich als resolute "Hockey-Mom", die Elche jagt, fünf Kinder großzieht - und zwischendurch noch Barack Obama abwatschen kann.

    Doch der heimliche Star des Parteitreffens war eine Frau, die ganz anders auftritt: Laura Bush, die amtierende First Lady. Weil der Präsident wegen des Hurrikan Gustav nicht kommen konnte, sprach sie für ihn auf der Bühne - und erntete für ihre leise, bescheidene Art Begeisterungsstürme, selbst vom politischen Gegner.

    Kein neues Kunststück für Bush: Sie ist mit dem wohl unbeliebtesten amerikanischen Präsidenten aller Zeiten verheiratet - und dennoch in den USA angesehen bei Freund und Feind. Vielleicht weil ihre vornehm-zurückhaltende Art sich so deutlich abhebt vom Cowboy-Image ihres Mannes.

    Die amerikanische Autorin Curtis Sittenfeld hat sich dem Laura-Bush-Phänomen nun literarisch angenommen - in einem Schlüsselroman, dem das politische Amerika ähnlich aufgeregt entgegen fieberte wie einst "Primary Colors" von Joe Klein, der unschwer zu enthüllenden fiktiven Aufbereitung der Clinton-Ehe.

    Sittenfeld, erfolgreich schon mit dem Roman "Prep" über das Leben an Amerikas Elite-Internaten, geht es vordergründig um das Porträt einer Frau, die in Liebe einem Mann zur Seite steht. Selbst wenn der und dessen Familie mit ihren politischen Überzeugungen sehr wenig gemein haben. Alice Lindgren, die Heldin ihres Buches, ist eine junge Bibliothekarin und überzeugte Demokratin - die den Sprössling einer republikanischen Politikerdynastie namens Charlie Blackwell kennen und lieben lernt. Der ist oberflächlich, fixiert auf Alkohol, Baseball und seine einnehmende Familie - "ein Blackwell zu sein, ist ein Ganztagesjob", verkündet er seiner Frau früh. Die tut sich schwer mit seiner Familie und seinen Ansichten, doch bleibt ihrem Ehemann treu - selbst als der erst zuviel trinkt und dann als wiedergeborener Christ zum Disziplinfreak avanciert. Auch dessen politische Karriere unterstützt sie, obwohl sie sich insgeheim wünscht, er werde nicht Präsident. Vielleicht weil sie ahnt, was dem Land blüht: Am Ende seiner zweiten Amtszeit hat der fiktive Präsident in "American Wife" die USA in einen desaströsen Nahost-Krieg verstrickt und verfolgt daheim eine radikale Agenda - etwa die Ernennung von erzkonservativen Abtreibungsgegner zum Obersten Gerichtshof. Alice hingegen hatte als junges Mädchen selber eine Abtreibung und behielt dazu ein Leben lang eine liberale Haltung.

    Wer denkt da nicht an das Bush-Ehepaar? Auch wenn Sittenfeld vorsichtigerweise ein paar Änderungen eingebaut hat. Die Blackwells verdienen anders als die Bushs ihr Geld mit Fleisch, nicht Öl. Charlie ist Gouverneur von Wisconsin, nicht von Texas - und von einer Abtreibung ist bei Laura Bush nichts bekannt.

    Dennoch sorgt das Buch für heftigste Diskussionen - in Politikzirkeln, nicht im Feuilleton. Nicht nur wegen der brisanten Anspielungen auf einen tödlichen Autounfall, in den Alice Lindgren als junges Mädchen verwickelt ist - genau wie, kaum bekannt, einst Laura Bush. Oder der vielen Sexszenen mit genauer Beschreibung der intimsten Körperteile des Präsidenten.

    Sondern vor allem wegen dessen Rolle in Sittenfelds Buch. Charlie Blackwell alias George W. Bush zeichnet die Autorin - eine überzeugte Demokratin - als eine Art Teufel in Menschengestalt. So erhöht sie dessen Frau zu einer Art feministischem Rollenmodell, das trotz dieses Ballasts an ihrer Seite ein stolzes eigenes Leben führt.

    Aber in einem Newsweek-Interview musste die Autorin einräumen: Leser finden den nichtsnutzigen und oberflächlichen George Blackwell alias George W. Bush eigentlich ganz sympathisch. Darüber ärgern sich nun Sittenfelds Demokraten-Freunde - die ihren Wahlkampf ja gerade als Bruch mit dem Bush-Erbe zeichnen wollen.

    So geht es am Ende also doch wieder nur um den Präsidenten - was leider von einer anderen Debatte ablenkt, die Sittenfelds Buch hätte anstoßen können: die Rolle der "First Ladys" in der US-Gesellschaft. Die müssen vor allem dem traditionellen Bild der anhimmelnden Gattin entsprechen. Als Hillary Clinton gelobte, als "First Lady" nicht daheim Plätzchen zu backen, wurde sie von der Öffentlichkeit abgestraft - und wandelte sich zwischenzeitlich zur Vorzeigemutter und Kinderbuchautorin.

    Im aktuellen Wahlkampf erlebt man Ähnliches. Michelle Obama geriet in die Schlagzeilen, als sie kritische Bemerkungen über die USA machte - und betont nun ihre Mutterrolle. Auch Cindy McCain stellt sich vor allem als stolze Mutter vor. Zwar ließ sie in einem Interview durchblicken, sie teile den strammen Anti-Abtreibungskurs ihres Mannes und von Vize Palin nicht. Doch das fand kaum Gehör.

    Fest steht also wohl eins: Auch die nächste Frau im Weißen Haus wird in erster Linie ein "American Wife" sein müssen.