Einige Szenen dieses Films, darunter ein in seiner Beiläufigkeit erschreckender, hasserfüllter Gewaltakt eines Afghanen, der einen am Boden sitzenden, gefangenen Landsmann mit dem Schaft seiner Kalaschnikow malträtiert, bleiben unweigerlich haften. Stärker als jede Inszenierung es vermag, vermittelt sich unmittelbar die Wahrheit des Krieges, der, wie Rahimi sagt, jeden zum Bösen macht, und zum Opfer.
Wie schwach fiel dagegen der Rest des Abends, die Spielfassung von Rahimis jüngstem, bei Claassen erschienenen Roman "Der Krieg und die Liebe" aus. Und dennoch lieferte er einen wichtigen und wohl kaum beabsichtigten Beitrag zum Verständnis der Kriegsfolgen.
Erst im November hatten Intendant Tom Stromberg und Chefdramaturg Michael Eberth im Auftrag des Goethe-Instituts die Theatersituation in Kabul unter die Lupe genommen.
Besonders beeindruckt hatte die beiden in Kabul der 28-jährige Mahmoud Sha Salimi, ein noch unter sowjetischer Besatzung ausgebildeter Autor und Regisseur, der 1996 nach der Machtergreifung der Taliban - genau wie zwei Millionen andere Afghanen - nach Pakistan floh, und nun aus Peschawar angereist war, um Theater-Studenten zu unterrichten. Sie luden ihn zur Regie für eine gemeinsame Bühnenfassung mit Michael Eberth nach Hamburg ein.
Ergebnis: Nach den Filmbildern steht der schmale junge Mann im westlichen schwarzen Anzug als Teil seiner eigenen Inszenierung auf der Bühne im Malersaal, und erklärt auf englisch mit dünner Stimme, dass es hier um Gewalt gehe.
Nein, Schülertheater ist das nicht. Gerade im Auseinanderklaffen von Nähe und Distanz zum Stoff offenbart sich der Konflikt - und der Profit dieser Zusammenarbeit. Wie zeigt man die Odyssee des Romanhelden, der während der nächtlichen Ausgangssperre von einer Patrouille halbtot geschlagen wird, und im Haus einer allein lebenden Mutter, die ihn gefunden hat, zu sich kommt?
Dramaturg Michael Eberth setzte eine inszenierte Lesung durch: Fünf Schauspieler in schwarzer Kleidung vor Mikrophonen am Tisch, und eine Spielszene, in der Salimi mit wenigen afghanischen Requisiten arbeiten durfte. Vielleicht ist dieses Lehrstück von den Schwierigkeiten der kulturellen Völkerverständigung, das dabei herauskam, der beste Beweis dafür, dass sich die Mühe lohnt.
Viel unbescheidener erwies sich hingegen die zweite große Premiere am Sonntag. Sebastian Hartmann hatte für seine Bearbeitung von Tarkowskijs letztem mystischen Film "Opfer" auf die Hinterbühne des großen Hauses gebeten, die seit Baumbauer-Zeiten als Ort für sperrige Stoffe gilt. Auf drei Seiten von Zuschauern umringt, entfacht Hartmann um das Haus des Intellektuellen Alexander ein Mordsspektakel nach Art der Berliner Volksbühne, bei dem er die Theatertechnik nur so brummen lässt. Kein wirrer Satz des an der Sinnsuche verzweifelnden Mannes, bei dem nicht Rauch aufsteigt, kleine Geysire in einem Wassergraben blubbern, Regen aus dem Schnürboden fällt, das Haus auf der Drehbühne dreht, im Bühnenboden versinkt, oder gar nach oben fährt, um im rot ausgeleuchteten Kellergeschoss einen Blick auf die Abgründe der fundamentalistischen Seele Alexanders frei zu geben, der sich hier einer Hexe im wassergefüllten Schneewittchen-Sarg hingibt, es ist seine Magd Maria, gespielt von der Gattin. Die am Ende, wie es Alexanders Gelübde zur Weltrettung verlangt, mit der Familie sterben muss.
Es muss nicht immer Realismus sein, manchmal ist es genau diese lautstarke Form der Symbolisierung, die unfruchtbar bleibt und aushöhlt, statt ergänzt. Die sich im Illustrieren der Hysterie gefällt, aber nichts neues leistet.
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Wie schwach fiel dagegen der Rest des Abends, die Spielfassung von Rahimis jüngstem, bei Claassen erschienenen Roman "Der Krieg und die Liebe" aus. Und dennoch lieferte er einen wichtigen und wohl kaum beabsichtigten Beitrag zum Verständnis der Kriegsfolgen.
Erst im November hatten Intendant Tom Stromberg und Chefdramaturg Michael Eberth im Auftrag des Goethe-Instituts die Theatersituation in Kabul unter die Lupe genommen.
Besonders beeindruckt hatte die beiden in Kabul der 28-jährige Mahmoud Sha Salimi, ein noch unter sowjetischer Besatzung ausgebildeter Autor und Regisseur, der 1996 nach der Machtergreifung der Taliban - genau wie zwei Millionen andere Afghanen - nach Pakistan floh, und nun aus Peschawar angereist war, um Theater-Studenten zu unterrichten. Sie luden ihn zur Regie für eine gemeinsame Bühnenfassung mit Michael Eberth nach Hamburg ein.
Ergebnis: Nach den Filmbildern steht der schmale junge Mann im westlichen schwarzen Anzug als Teil seiner eigenen Inszenierung auf der Bühne im Malersaal, und erklärt auf englisch mit dünner Stimme, dass es hier um Gewalt gehe.
Nein, Schülertheater ist das nicht. Gerade im Auseinanderklaffen von Nähe und Distanz zum Stoff offenbart sich der Konflikt - und der Profit dieser Zusammenarbeit. Wie zeigt man die Odyssee des Romanhelden, der während der nächtlichen Ausgangssperre von einer Patrouille halbtot geschlagen wird, und im Haus einer allein lebenden Mutter, die ihn gefunden hat, zu sich kommt?
Dramaturg Michael Eberth setzte eine inszenierte Lesung durch: Fünf Schauspieler in schwarzer Kleidung vor Mikrophonen am Tisch, und eine Spielszene, in der Salimi mit wenigen afghanischen Requisiten arbeiten durfte. Vielleicht ist dieses Lehrstück von den Schwierigkeiten der kulturellen Völkerverständigung, das dabei herauskam, der beste Beweis dafür, dass sich die Mühe lohnt.
Viel unbescheidener erwies sich hingegen die zweite große Premiere am Sonntag. Sebastian Hartmann hatte für seine Bearbeitung von Tarkowskijs letztem mystischen Film "Opfer" auf die Hinterbühne des großen Hauses gebeten, die seit Baumbauer-Zeiten als Ort für sperrige Stoffe gilt. Auf drei Seiten von Zuschauern umringt, entfacht Hartmann um das Haus des Intellektuellen Alexander ein Mordsspektakel nach Art der Berliner Volksbühne, bei dem er die Theatertechnik nur so brummen lässt. Kein wirrer Satz des an der Sinnsuche verzweifelnden Mannes, bei dem nicht Rauch aufsteigt, kleine Geysire in einem Wassergraben blubbern, Regen aus dem Schnürboden fällt, das Haus auf der Drehbühne dreht, im Bühnenboden versinkt, oder gar nach oben fährt, um im rot ausgeleuchteten Kellergeschoss einen Blick auf die Abgründe der fundamentalistischen Seele Alexanders frei zu geben, der sich hier einer Hexe im wassergefüllten Schneewittchen-Sarg hingibt, es ist seine Magd Maria, gespielt von der Gattin. Die am Ende, wie es Alexanders Gelübde zur Weltrettung verlangt, mit der Familie sterben muss.
Es muss nicht immer Realismus sein, manchmal ist es genau diese lautstarke Form der Symbolisierung, die unfruchtbar bleibt und aushöhlt, statt ergänzt. Die sich im Illustrieren der Hysterie gefällt, aber nichts neues leistet.
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