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Der letzte Fisch im Netz

Der kanadische Journalist und Autor Taras Grescoe liebt Fisch über alles, egal ob gebraten, gekocht, gedünstet oder auch roh. Dass seine Lieblingsspeise durch Genießer wie ihn bedroht sein könnte, lässt ihm jedoch keine Ruhe, und so macht er sich auf die Suche nach einem Fischgenuss ohne Reue.

Von Taras Grescoe | 11.07.2010
    Er fährt mit auf kleinen Fischerbooten und auf riesigen schwimmenden Fischfabriken, besucht ökologisch korrekte Austernfarmer ebenso wie giftbeladene Garnelenzuchten und die großen Fischmärkte der Welt. Und immer wieder lässt er sich Fisch auftischen. Er besucht kleine Fischlokale, chinesische Fischparadiese, New Yorker Gourmettempel und die Imbissbude um die Ecke. Fisch ist für ihn kein Lebewesen, sondern eine Ressource: ein ideales Nahrungsmittel für alle Menschen, das leider bedroht ist.

    Besonders überzeugt dieses Buch, wenn Taras Grescoe über seine persönlichen Erfahrungen berichtet, über Menschen, die er auf seinen Reisen kennen gelernt hat, oder über Schlussfolgerungen, die er aus seinen Erlebnissen und Recherchen zieht. Er ist ein engagierter, aber naiver Aufklärer. Sein Umgang mit Fakten erscheint oft hemdsärmelig. Sobald Taras Grescoe eine einfache Erklärung für den Rückgang einer bestimmten Fischart gefunden hat, benennt er sie als Ursache und gibt sich damit zufrieden. Beispiel: In China gibt es mehr Neureiche, die essen immer mehr Haifischflossensuppe und deshalb sterben die Haie aus. Die von ihm klar benannten Zusammenhänge sind oft nur ein Teil der Wahrheit. Auf das komplizierte ökologische Wechselspiel zwischen Umwelt und Lebewesen geht er nicht ein. Das Meer spielt in seinem Fischuniversum nur eine Nebenrolle.

    Überzeugend ist sein Plädoyer für verantwortungsvollen Fischgenuss. Denn tatsächlich findet er ein paar Fischmahlzeiten, die gesundheitlich ebenso wie ökologisch nicht zu verachten sind. Und eigentlich sind Makrele und Sardine mindestens so wohlschmeckend wie Thunfisch, Kabeljau oder der überteuerte Seeteufel. Lediglich, die Bemerkung, dass in Zukunft die Welt mit Quallen ernährt werden kann, mag nicht jeden überzeugen.

    [Besprochen von Michael Lange]

    Taras Grescoe: Der letzte Fisch im Netz. Wie wir die wichtigste Nahrungsquelle der Welt retten können – die Meere
    ISBN: 978-3-89667-345-9
    Lessing, 600 Seiten, 19,95 Euro