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Der Maler als Marke

Jan Brueghel verstand sich auf lebensnahe Darstellungen des Lebens in Holland der Renaissance. Die Alte Pinakothek in München zeigt jetzt eine umfassende Schau des Malers. Die Ausstellung liefert auch Aufschluss über die Künstler-Dynastie Brueghel und ihre Arbeitstechniken.

Von Christian Gampert |
    Manchmal bringt das Durchleuchten von Bildern auch Enttäuschungen: Jan Brueghels "Christus in der Vorhölle" aus den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen ist wahrscheinlich doch nur ein Werkstattbild. Die Wahrheit kam durch eine Infrarot-Analyse heraus – und durch den Vergleich mit einer anderen, der originalen Version von 1597, die dem Den Haager Mauritshuis gehört. Brueghel hat das düstere, mit seinen Monstern an Hieronymus Bosch gemahnende Bild zusammen mit dem Figurenmaler Hans Rottenhammer wahrscheinlich noch während seines Italienaufenthalts konzipiert und in Antwerpen vollendet. Die Werkstatt-Version ist um Nuancen gröber.

    Solche Einsichten sind nicht schön für die Münchner, aber man hat eben auch die Größe, das öffentlich zu machen. Man hat ja genug! Man hat so viel, dass man nun in der Alten Pinakothek eine Schau einrichtet, die den eigenen, wunderbaren Brueghel-Bestand aufarbeitet und mit hochkarätigen Leihgaben konfrontiert. Es geht in der Hauptsache um Jan Brueghel den Älteren, den "Blumen-Brueghel"; im Grunde erzählt die Ausstellung aber auch die Geschichte einer Künstler-Dynastie und ihrer Arbeitstechniken. Und die bestanden unter anderem darin, dass ein bestimmtes Motivrepertoire (vor allem in Zeichnungen) vorrätig war und auch von den Gesellen immer wieder variiert wurde, wenngleich nicht ganz so perfekt wie vom Meister.

    Im ersten Saal sieht man einige Werke von Pieter Brueghel, dem Jüngeren, der wesentliche Arbeiten seines berühmten, namensgleichen Vaters – des Clan-Begründers - etwas poppiger (und etwas weniger moralisch) wiederholt, Bauernszenen und biblische Themen. Sein Bruder Jan Brueghel geht einen anderen Weg: Er staffelt die Landschaft, jenseits aller Fantastik und ohne die radikale Aufsicht, mit sanften Schattierungen ganz naturalistisch in die Ferne – und er bevölkert sie mit unglaublichen (und unglaublich vielen) Details. Weltlandschaften mit Menschenmassen, denen man stundenlang zuschauen könnte – meint Kuratorin Miriam Neumeister:

    "Das ist das Faszinierende für mich an Brueghel, dass er ein wunderbarer Erzähler ist. Dass da einer im Boot sitzt und nackt ist und sein Hemd wäscht, das ist lebensnah beobachtet. Diese Fischmarkt-Szenen, die Eisläufer. Man kann sich gut vorstellen, dass Brueghel durch die Straßen Antwerpens gegangen ist und das aufgenommen hat. Und sich einfach begeistern konnte an diesen Szenen des Lebens."

    "Wimmelbilder" hat man diese Werke genannt – aber das ist nicht gerecht. Es sind Menschheits-Panoramen, in denen das Leben pulsiert, in denen jeder – in der Masse! – etwas Eigenes tut, Fischmärkte, riesige Häfen mit italianisierten Architekturelementen, wo seltsamerweise Christus predigt oder ein Scipio Hof hält. Aber viele dieser Bilder sind angelehnt an die harte holländische Wirklichkeit, in der die Bauern säten und mähten, soffen und tanzten, wo das aufkommende Patriziat seinen Reichtum erarbeitete und sich dann biblische oder mythologische Themen an die Wand hängte - wie die "Flucht nach Ägypten", für die Jan Brueghel den Wald und die in blauem Dunst verschwindende Flussbiegung lieferte und Hans Rottenhammer die heilige Familie, die er dann schabloniert immer wieder verwendete.

    Jan Brueghel hat oft mit Spezialisten gearbeitet: Die großformatige Blumenkranz-Madonna von 1616 entstand mit Peter Paul Rubens, der die Putten-Leiber mit dem berühmten Inkarnat lieferte; Brueghel malte plastisch, prall und lebensfroh die Blumen drum herum. Angeblich geschah die Zusammenarbeit ohne jede Konkurrenz, "auf Augenhöhe" und nur für die Kunst, aber sicher auch, um den Preis ein bisschen anzuheben.

    Solche Kooperationen – wie auch der den Frühling ankündigende Rubens-Zephyr, der über eine Brueghel-Landschaft hereinschwebt – verraten viel über den Kunstmarkt der holländischen Renaissance – wie auch die Bearbeitungs-Prozesse mancher Bilder, die mehrfach umgemodelt wurden. Je nachdem, ob der Kunde lieber einen heiligen Joseph oder einen Johannes dabei haben wollte. Auch mit ihren vielen Jagdszenen und Allegorien ist die Ausstellung natürlich ein Augenschmaus – aber einer, den man sich erarbeiten muss, meint Miriam Neumeister:

    "Wir haben ganz bewusst diese Werkstatt-Stücke dazwischen gehängt, damit man im Vergleich auch ein Auge entwickeln kann, was ist ein eigenhändiges Gemälde und woran erkennt man den Werkstatt-Anteil. Man kann ihn erkennen. Aber er tritt nicht offenkundig nach vorne."

    Brueghel-Ausstellung in der Alten Pinakothek München