Dienstag, 16. April 2024

Archiv


Der Pate des Calcio gibt nicht auf

Luciano Moggi ist die umstrittenste Figur des italienischen Calcio. Nun steht der ehemalige Sportdirektor von Juventus Turin als Hauptangeklagter im Prozess um den Betrugsskandal Calciopoli von 2006 in Neapel vor Gericht. Gleichzeitig bereitet er seine Rückkehr in den Fußball-Betrieb vor.

Von Julius Müller-Meiningen | 11.10.2009
    Es ist, als wäre nichts gewesen. Keine abgehörten Telefonate, in denen Luciano Moggi Schiedsrichter und deren Betreuer beeinflusste, keine Telefonate mit Journalisten, in denen diese angewiesen wurden, verbal auf Spielleiter einzuschlagen, die nicht im Sinne von Juventus Turin gepfiffen hatten. Nichts. Calciopoli, der italienische Fußballskandal von 2006, als großer Bluff, als Verschwörung der Gegner des erfolgreichsten aller Fußballvereine Italiens.

    "Die Welt des Fußballs ist eigenartig. Alles geht ums Geschäft. Gegen mich wurden unzählige Kriege angezettelt, weil ich zu viel gewonnen habe."

    Luciano Moggi, der am kommenden Dienstag wegen Sportbetrugs in Neapel vor Gericht steht, spielt das Unschuldslamm. Der 72-Jährige sitzt in der Lounge des Hotel Paradiso in Posillipo am Rande Neapels. Moggi wohnt in der Nähe, deshalb findet hier der Prozess statt. Mit Blick auf den Golf und den Vesuv schneidert er sich eine rosige Vergangenheit zurecht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm und anderen Angeklagten vor, dutzende Spiele zwischen 2004 und 2006 zugunsten seines Vereins manipuliert zu haben.

    Zugegeben, Juventus Turin, gewann in Moggis Amtszeit zwischen 1994 und 2006 fünf Meisterschaften und die Champions League. Im WM-Finale zwischen Frankreich und Italien in Berlin standen insgesamt zehn Spieler von Juventus auf dem Platz. Doch 2006 erkannte ein Sportgericht Juventus zwei Meistertitel ab, der Verein musste absteigen. Moggi wurde wegen Verletzung ethischer Prinzipien des Sports für fünf Jahre gesperrt. Eigentlich gibt es keinen Zweifel an seiner moralischen Schuld. Das belegen die abgehörten Telefongespräche. Doch in Italien sind immer mehr Tifosi für eine Rehabilitierung nach dem Motto: War doch alles nicht so schlimm.

    ""Sie haben mich mächtig aussehen lassen, als sie mich ausschalten wollten. In Wahrheit habe ich nichts gezählt.”"

    Im Januar wurde der Mann, der als mächtigster Drahtzieher im italienischen Fußball galt, im Prozess gegen die Spieleragentur Gea in erster Instanz zu einer Haftstrafe von 18 Monaten verurteilt. Moggis Sohn Alessandro bekam 14 Monate. Die Begründung: Die beiden hätten ihre Macht im Fußballgeschäft ausgenutzt und Spieler zu ungünstigen Verträgen genötigt. Erst wenn ein Urteil letzter Instanz vorliegt, müsste Moggi ins Gefängnis. In Italien kann das dauern. Stattdessen bereitet der ehemalige Angestellte der Staatseisenbahn ganz öffentlich seine Rückkehr in die Serie A vor:

    "”Meine Sperre durch das Sportgericht endet in anderthalb Jahren, dann mache ich mir Gedanken. Jetzt ruhe ich mich ein paar Jahre aus, um dann wieder voller Energie zurückzukommen.”"

    Das Terrain für ein Comeback hat der gläubige Katholik längst sondiert. Er schreibt als Kommentator für die Tageszeitung Libero und bis vor kurzem für das katholische Online-Portal Petrus. Außerdem wird er als Experte zu Fernsehshows eingeladen. Beim Publikum kommt so eine kontroverse Figur an. Auch bei den Präsidenten der Serie A. Moggi ist bei vielen wegen seiner einzigartigen Kenntnis ein gern gesehener Gast.

    "”In letzter Zeit wurde ich schon mit verschiedenen Mannschaften in Verbindung gebracht, mit dem FC Bologna etwa oder US Palermo. Ich bin mit beiden Präsidenten befreundet. Ich rede mit allen. Habe Kontakt mit allen.”"

    Bis Moggi wieder Geschäfte machen kann, wird es noch einige Zeit dauern. Aber das Interesse der gesamten Liga scheint groß.

    "”Ich hatte unzählige Anfragen. Mit Massimo Moratti, dem Präsidenten von Inter Mailand, hatte ich auch schon einen Arbeitsvertrag. Auch Berlusconi vom AC Mailand hat mich angerufen.”"

    Aber dann sei das Pandämonium Calciopoli dazwischen gekommen. Und nun muss sich der, der einst "Lucky Luciano” genannt wurde, vor Gericht verantworten. Reue? Ach was. Fehler? Nicht ein einziger. Nur eines hat Luciano Moggi gelernt:

    "”Immer ganz nah an den Tapeten entlang laufen. Denn hinter den Wänden steht niemand, der zuhören kann, was du sagst.”"