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Der SPD-Kanzlerkandidat des Christian Ude

2013 ist Landtagswahl in Bayern und auch Bundestagswahl. Der SPD-Spitzenkandidat Christian Ude hat derzeit weit höhere persönliche Beliebtheitswerte als der amtierende Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Bleibt nur die Frage: Mit welchem SPD-Kanzlerkandidaten sollte er im Wahlkampf in bayerischen Bierzelten auftreten?

Von Michael Watzke |
    Wahlkampf vor einem Münchner Einkaufszentrum. Das neue Jahr hat gerade erst angefangen, da verteilt Bayerns SPD-Fraktions-Chef Markus Rinderspacher schon Schokolade an die Bürger. Zwar dauert es noch 85 Wochen, bis in Bayern gewählt wird. Aber zum ersten Mal seit Jahrzehnten macht den bayerischen Genossen Wahlkampf wieder richtig Spaß:

    "Es ist ein ganz anderes Lebensgefühl. Wir müssen in der Opposition nicht mehr verkrampfen, denn wir liegen vorne. Das ist nämlich neu. Bisher mussten wir in der Rolle des Angreifers aus der Opposition heraus neue Themen generieren. Die Staatsregierung quasi vor uns hertreiben. Diese Notwendigkeit haben wir im Moment gar nicht. Denn es sieht nach einer recht guten Mehrheit für die drei Oppositionsparteien aus, es ist etwas drin. Es gibt eine Wechselstimmung im Land. Darauf lässt sich aufbauen."

    Die neueste Umfrage bestätigt das nur fast: Die SPD käme derzeit zusammen mit Grünen und Freien Wählern auf 43 Prozent, sagt der Bayerntrend des Bayerischen Rundfunks. Die CSU liegt bei 44 Prozent. Aber der SPD-Spitzenkandidat Christian Ude hat weit höhere persönliche Beliebtheitswerte als der amtierende Ministerpräsident Horst Seehofer von der CSU. Nun fragen sich die Roten in Bayern: Mit welchem SPD-Kanzlerkandidaten sollte ihr Kandidat Christian Ude im Wahlkampf in bayerischen Bierzelten auftreten? Denn die Landtagswahl in Bayern wird 2013 im selben Monat stattfinden wie die Bundestagswahl. Ist Siegmar Gabriel der Richtige? Frank-Walter Steinmeier? Peer Steinbrück? An der Basis der Bayern-SPD sind die Meinungen geteilt:

    "Steinbrück wäre für mich der erste Kandidat. Er kommt gut rüber bei den Bürgern. Er hat Sachverstand, das hat er als Finanzminister schon gezeigt. Als Bundeskanzler würde er auch eine gute Figur abgeben."

    "Da kann ich mich nur voll anschließen. Der Steinbrück wär's."

    "Ich bin mir noch nicht sicher. Steinbrück ist natürlich charismatisch und kann in der Mitte der Gesellschaft, bei den Konservativen, Stimmen klauen. Aber mein Herz schlägt, ehrlich gesagt, eher für Siegmar Gabriel. Weil der die Herzthemen der SPD vertritt."

    Die Herzthemen der Bayern vertrat jahrzehntelang die CSU. Sie regiert im Freistaat seit 54 Jahren ununterbrochen. Weil sie es lange Zeit verstand, ihren Einfluss als Landespartei auf Bundesebene geltend zu machen. Auch CSU-Chef Horst Seehofer lässt keine Gelegenheit aus, seinen Wählern zwischen Aschaffenburg und Zwiesel zu demonstrieren: Bayern zuerst – egal ob in Berlin, Brüssel oder München. Deshalb ist auch für die bayerische SPD das Verhältnis zwischen Landes- und Bundespartei besonders wichtig. Bayern muss eine hervorgehobene Rolle spielen. Der Münchner Christian Ude muss in Berlin Einfluss demonstrieren können. Markus Rinderspacher, der bayerische SPD-Fraktionschef, erhofft sich deshalb vom SPD-Kanzlerkandidaten zusätzlichen Rückenwind.

    "Christian Ude kann ja mit allen dreien sehr gut. Im Übrigen: Es gibt auch noch andere, die in Frage kämen: Ich nenn jetzt mal noch zwei Namen, nämlich Hannelore Kraft und Olaf Scholz. Wir sollten uns nicht verengen auf die Stones und Siegmar Gabriel."

    Markus Rinderspacher möchte die Troika also zum Quartett erweitern. Doch bei dem Spiel macht sein Kandidat Christian Ude nicht mit:

    "Ich denke, dass man die Betroffenen selber fragen sollte, ob sie zur Verfügung stehen. Das ist bei Frau Kraft und Herrn Scholz offensichtlich nicht der Fall. Mit den drei Persönlichkeiten Steinbrück, Steinmeier und Gabriel könnte ich wirklich in allen drei Fällen sehr gut leben. Wir haben bei allen drei Persönlichkeiten volle Übereinstimmung erzielt."

    Doch wer ein bisschen nachhakt bei Christian Ude, erfährt bald, dass der Münchner OB auch innerhalb der Troika Präferenzen kennt. Für ihn ist die Frage entscheidend:
    " ... wer denn die größten Chancen hat für die SPD. Da sehe ich die Stones beide deutlich vorne."

    Die Stones, also Steinmeier und Steinbrück, deutlich vor Parteichef Siegmar Gabriel, sagt Ude. Und verbirgt nicht, dass er besondere Sympathien für seinen guten Freund Peer hegt. Städtetagspräsident Ude hatte mit dem Ex-Bundesfinanzminister Steinbrück während der Großen Koalition ein Konzept zur Kommunalen Finanzausstattung ausgearbeitet. Beide sind gleich alt - 64 Jahre - sehen sich als zupackende Macher und teilen eine Vorliebe für feine Ironie und eine spitze Zunge. Ude mag an Steinbrück ...

    "... dass er Klartext spricht und Probleme auch mal unbequem benennt. Ich halte genau das für einen großen Vorteil. Wir brauchen niemand, der Honig ums Maul schmiert. Sondern wir brauchen jemand, der Handlungszwänge offenlegt."

    Wer die SPD 2013 in den Bundestagswahlkampf gegen Angela Merkel führen wird – die Sozialdemokraten wollen es erst Ende 2012 entscheiden. Die Bayern-SPD wolle dabei ein gewichtiges Wörtchen mitsprechen, betont Generalsekretärin Natascha Kohnen. Markus Rinderspacher, der SPD-Fraktionschef vor dem Münchner Einkaufszentrum, ist in früheren Jahren kaum beachtet worden:

    "''Wir haben ja schon viele Infostände hier gemacht, da gab es auch unschönere Situationen, aber heute dürfen wir gerade als bayerische SPD feststellen: Die Leute verfolgen das mit großem Interesse, was wir so machen.""

    Nun muss Rinderspacher nur noch dafür sorgen, dass das Interesse anhält. Bis zur Wahl in 85 Wochen.