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"Der Staat sollte als Moderator auftreten"

"Es muss den Banken klargemacht werden, dass sie nicht nur eine hohe Verantwortung tragen, sondern auch eine wichtige Funktion wahrnehmen", sagt Hans Heinrich Driftmann, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Zwar gebe es aktuell keine Kreditklemme genereller Art, doch exportstarke Unternehmen bekommen ihre Exportaufträge "nur sehr schwierig finanziert".

Hans Heinrich Driftmann im Gespräch mit Silvia Engels | 21.07.2009
    Silvia Engels: Gestern hatten die "Süddeutsche Zeitung" und das Magazin "Der Spiegel" darüber berichtet, dass die Bundesregierung sich trotz der bisher erfolgten Hilfen sorgt, dass die Unternehmen zu wenig Kredite von den Banken bekommen. Deshalb gebe es verschiedene Modelle, um zur Not die Banken zur Kreditvergabe zu zwingen - möglicherweise über eine staatliche Zwangsbeteiligung, wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet hatte. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm dementierte das gestern mit diesen Worten:

    Ulrich Wilhelm: Das Spekulationsthema Zwangskapitalisierungen kann weder von dem Bundesfinanzministerium noch von mir bestätigt werden. Wir haben beide deutlich gemacht, dass die Bundesregierung daran nicht denkt.

    Engels: Ulrich Wilhelm, Regierungssprecher. Doch die Sorge um eine Kreditklemme besteht fort. Am Telefon ist nun der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Hans Heinrich Driftmann, guten Morgen!

    Hans Heinrich Driftmann: Guten Morgen, Frau Engels!

    Engels: "Der Spiegel" zitierte eine Äußerung von Bundeskanzlerin Merkel, da heißt es, es gebe Riesenprobleme bei Investitionen von über zehn Millionen Euro. Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen der Firmen, die Sie vertreten?

    Driftmann: Wir haben eine ganze Reihe von empirischen Erhebungen gemacht. In der Tat, es gibt sowohl eine gefühlte Kreditklemme ... Eine wirkliche Kreditklemme genereller Art gibt es zurzeit nicht, das kann ich nicht bestätigen, aber es wird dann doch für einige immer schwerer, an Kredite heranzukommen: Es gibt zusätzliche Auflagen, es gibt schlechtere Konditionen, alles dieses spielt eine Rolle.

    Engels: Werden spezielle Branchen durch den Kreditmangel getroffen oder gibt es da spezielle Dinge, die noch besonders bei diesen empirischen Erhebungen herausstehen?

    Driftmann: Es wird ganz deutlich, dass exportstarke Unternehmen ihre Exportaufträge nur sehr schwierig finanziert bekommen. Das ist eine große Hürde, insbesondere, weil wir ja eine Exportnation sind. Aber auch Existenzgründer und Unternehmen, die sich mit Forschung und Entwicklung beschäftigen, haben da ihre Schwierigkeiten, obwohl sie eigentlich gute Geschäftsaussichten haben. Solche innovativen Unternehmen brauchen wir, um mit neuen Ideen aus der Krise rauszukommen.

    Engels: Wie behelfen sich denn die betroffenen Firmen? Entlassungen, Insolvenzen?

    Driftmann: Nein, die Mittelständler insbesondere geben sich ganz große Mühe, ihr Personal zu halten. Ganz offensichtlich scheint die Perspektive eher als gut empfunden zu werden, also relativ rasch raus aus der Krise, dann braucht man Personal. Man hat in das Personal investiert, das will man halten. Dennoch muss man sich natürlich um Finanzierungen bemühen und da werden ganz große Anstrengungen unternommen, um die Banken zu überzeugen.

    Engels: Bisher ist es ja so, dass vor allen Dingen die notleidenden Großbanken ihr Kreditgeschäft eingeschränkt haben. Hilft es denn etwas für die Firmen, zur Sparkasse zu wechseln und dann geht wieder mehr?

    Driftmann: Es gibt auch Großbanken, die mit langem Atem dafür sorgen, dass ihre Partner in der Realwirtschaft zu ihren Krediten kommen, aber es ist richtig: Insbesondere die Sparkassen aber auch die Volks- und Raiffeisenbanken haben jetzt die große Chance zu überzeugen. Und viele sind dorthin gewechselt, viele haben dort zusätzliche Konten eröffnet, die Zusammenarbeit mit diesen Bankengruppen funktionieren recht gut.

    Engels: Herr Driftmann, wagen Sie eine Einschätzung: Wenn die Situation so bleibt wie bislang, wie viele Unternehmen werden dann nicht weitermachen können?

    Driftmann: Das kann man so nicht abschätzen. Man muss auch sehr stark differenzieren, es kommt darauf an: Welche Unternehmensgrößen gibt es, in welchen Branchen findet das statt und auch in welchen Regionen? So ganz generell können wir das nicht sagen, gibt unser empirisches Material auch nicht wirklich her. Tatsache ist, dass die Unternehmen, die sehr innovativ sind, dass die Unternehmen, die sehr gut geführt sind, die ein klares Geschäftsmodell haben, gute Überlebenschancen haben und relativ bald schon Licht am Ende des Tunnels sehen werden.

    Engels: Dann drehen wir es einmal andersherum: In jeder Krise gehen Unternehmen ein. Sind vielleicht also gar nicht die Banken schuld, sondern viele Unternehmen sind schlicht nicht lebensfähig und durch die Krise fällt es auf?

    Driftmann: Es gibt ohne Zweifel Unternehmen, die schwach geführt sind, die auch in der Vergangenheit Probleme gehabt haben, die das durch eine großzügige Kreditvergabe der Banken haben etwas tarnen können. Das ist vorbei, aber das ist nicht das eigentliche Problem. Das eigentliche Problem ist, dass investiert werden kann, dass die notwendigen Betriebsmittelkredite da sind, um weitermachen zu können. Natürlich müssen viele Unternehmen ihre Strategien ändern, und jeder Strategiewechsel kostet zunächst einmal Geld, bevor er was einbringt. Diese Phase muss von den Banken kompetent begleitet werden.

    Engels: Was schlagen Sie zur Bewältigung dieser Kreditklemme vor, was kann der Staat tun?

    Driftmann: Der Staat sollte auf jeden Fall als Moderator auftreten und den Banken klarmachen, dass sie eine besondere Verantwortung haben. Konkrete Zwangsmaßnahmen halte ich nicht für geboten, zumal wir noch gar nicht wissen, wie die eingeleiteten Maßnahmen, wie die Instrumentarien, die die Bundesregierung anwendet, überhaupt wirken werden. Man sollte nicht vorschnell agieren, aber auf der anderen Seite muss den Banken klargemacht werden, dass sie nicht nur eine hohe Verantwortung tragen, sondern auch eine wichtige Funktion wahrnehmen: Sie sind nicht für sich selbst genug, sondern sie müssen dafür sorgen, dass die Realwirtschaft richtig funktioniert wie ein Gefäß, wie ein Adersystem im Körper, das dafür sorgt, dass Blut und damit auch Sauerstoff an die notwendigen Stellen gelangt.

    Engels: Aber, Herr Driftmann, was tun wir, wenn diese Vernunft nicht funktioniert, nicht fruchtet, was sagen Sie dann zu der Idee, die ja andere Staaten wie Großbritannien oder die USA verfolgt haben, direkt bei den Banken einzusteigen, sie so rezufinanzieren und dann die Kreditvergabe indirekt mitzubestimmen?

    Driftmann: Frau Engels, in einer gegenwärtigen Situation kann man nichts wirklich ausschließen, aber das stünde bei mir an der allerletzten Stelle einer Entwicklung, die ich nicht für gut halten würde. Ich bin der Meinung, dass man in vielerlei Gesprächen und auch in Überzeugungsdiskussionen den Banken klar machen kann, worin eigentlich ihre Funktion besteht und worin auch ihr wohlverstandenes Interesse liegt. Auch Banken brauchen natürlich die Realwirtschaft, um Geschäfte zu machen, um Betriebsmittel, Kredite zu vergeben, um daran zu verdienen. Es geht ja nicht nur um merkwürdige Bankprodukte, sondern es geht um das Wechselspiel zwischen der Geldwirtschaft, zwischen den Banken und der Realwirtschaft. Nur wenn beide vernünftig funktionieren, ist unsere Volkswirtschaft gesund.

    Engels: Was halten Sie dann von der Idee, dass die staatliche KfW-Bank ihre Kreditvergabe weiter ausweiten sollte, zur Not auch direkt an den Kunden zu gehen? Bislang läuft das ja nur über die Hausbank. Sollte die KfW da direkt Kredite vergeben?

    Driftmann: Eine direkte Kreditvergabe durch die KfW ist nach meiner Einschätzung kein Ausweg, vor allen Dingen würde es auch die Kapazitäten, auch die personellen Kapazitäten, völlig sprengen. Die Hausbanken sind vor Ort präsent, das heißt, sie können das, was die Unternehmen der Realwirtschaft tun, besser beurteilen. Das setzt natürlich voraus, dass die Hausbanken auch in der Lage sind, die Märkte zu beurteilen, auf denen sich die Realwirtschaft tummelt, und sich nicht nur um ihre eigenen Bankprodukte kümmert. Aber grundsätzlich sind sie besser geeignet, die Bonität eines Unternehmens zu prüfen, es richtig zu beraten und zu begleiten, als das zentral durch die KfW der Fall wäre.

    Engels: Über die Sorgen und die möglichen Auswege rund um eine Kreditklemme sprachen wir mit Hans Heinrich Driftmann, dem Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Vielen Dank für das Gespräch!