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Der Streit um die Nährwertkennzeichnung

Die Lebensmittelindustrie sträubt sich nicht dagegen, dass auf verpackten Nahrungsmitteln der Gehalt von Fett, Salz oder Zucker angegeben wird. Widerstand jedoch regt sich, wenn es darum geht, diese Nährwertinformationen mit klaren Ampelfarben grün, gelb oder rot zu kennzeichnen.

Von Philip Banse |
    Horst Seehofer etwa hat sich - für viele überraschend - sehr deutlich zur Farbe bekannt. Der Bundesminister für Ernährung und Verbraucherschutz war lange auf Linie der Industrie: Die solle deutlich lesbar auf Nahrungsmittelverpackungen drucken: Den Energiegehalt und die Menge von vier Nährstoffen, in Relation zu einer Tagesportion - allerdings nur freiwillig und in einer Farbe, egal, wie hoch die Werte von Fett, Zucker, gesättigten Fettsäuren und Salz im Einzelnen sind. Dann machte Seehofers Ministerium eine Umfrage, die ergab: Eine Mehrheit der Verbraucher begrüßt es, wenn etwa hohe Werte rot unterlegt sind, mittlere gelb und niedrige Werte grün:

    "Wenn Verbraucher eine solche Auffassung vertreten, kann das ein Minister ja nicht einfach in die Schublade legen. Ich werde jetzt versuchen, der Lebensmittelwirtschaft diese Überlegungen für Deutschland nahe zu bringen und ich werde in der EU, wenn es darum gehe, wie diese europaweite Regelung aussehen kann, diese farbliche Regelung mit in die Diskussion einbringen."

    In Deutschland könne diese Ampelkennzeichnung aufgrund von EU-Recht nur freiwillig erfolgen, so Seehofer, eine EU-Kennzeichnung solle dann aber verpflichtend sein. Mit dieser Ampelkennzeichnung sollen Verbraucher dann auf den ersten Blick erkennen können, welche Nahrungsmittel der Gesundheit zuträglich sind und welche eher nicht. Heike Lemmermöhle vom Verbraucherzentrale Bundesverband fordert die Ampelkennzeichnung seit langem:

    "Gerade wenn sie mit kleinen Kindern unterwegs sind, ist nicht viel Zeit zu lesen, was da jetzt drin ist, da wird schnell eingekauft. Und da ist die Nährwertangabe, wie sie im Moment stattfindet, nicht zielführend, weil die Leute keine Hilfestellung erfahren, diese Zahlenwerte sagen vielen Leuten nichts. Auch diese Umfrage von Seehofer hat ja ergeben, dass sich die Leute damit nicht auskennen. Und da sind Farben hilfreich, weil den Leuten auf einen Blick klar wird: Aha, das ist da drin, da braucht man nicht rechnen, da braucht man nicht lesen, man hat es auf einen Blick."

    Wie viel Zucker, Fett und Salz in einem Nahrungsmittel enthalten sind, das erfährt der Verbraucher auch ohne Farben anhand der Zahlen, argumentiert die Lebensmittelindustrie. Ihr größter Lobby-Verband, der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde, kurz BLL, lehnt die farbige Ampelkennzeichnung ab. Andrea Moritz vom BLL sagt, die farbige Unterlegung der vier Zahlen für die vier Nährstoffe verwirre die Verbraucher:

    "Sie stellen sich mal vor, sie stehen vor dem Regal und alle vier Nährstoffe in den Produkten sind mit dieser Ampel gekennzeichnet. Da haben sie dann grün, gelb, gelb rot; rot, rot, grün, grün; gelb, gelb, gelb, gelb; rot, grün, rot, rot. Wie entscheiden sie denn? Aus dieser Information mit diesen Farbklecksen kann keiner sehen, was ist gut und was ist schlecht."

    Das Signal der Farben sei falsch. Es gebe keine guten und schlechten Lebensmittel. In einer ausgewogenen Ernährung sei auch mal eine Tafel Schokolade okay, die bei Fett und Zucker sicher mit rot gekennzeichnet wäre. Wer wie viel Fett, Zucker, gesättigte Fettsäuren und Salz braucht, könne nur individuell entschieden werden. Es gebe zudem keine wissenschaftlichen Kriterien, wann aus einem grünen ein gelber oder ein roter Punkt wird. Das sei willkürlich. Verbraucherschützerin Lemmermöhle bestreitet das und sagt, Ernährungswissenschaftler könnten wissenschaftlich fundiert festlegen, wann die Punkte grün, gelb oder rot sind. Auf der Tagung der Verbraucherschutz-Minister wird das Thema diskutiert, entschieden wird nichts. Dass Horst Seehofer eine Ampelkennzeichnung in Europa durchsetzen kann, bezweifelt die Verbraucherschützerin Lemmermöhle:

    "Ich habe da Zweifel. Zum einen wird es sehr lange dauern. Zum anderen sehen Sie ja, wie die Industrie sich in Deutschland verhält, das wird in anderen Ländern nicht anders sein. Die wehren sich mit Händen und Füßen gegen eine farbliche Darstellung, weil sie natürlich Umsatzeinbußen befürchten."

    Das bestreitet die Lebensmittelindustrie.