Der Heilige Sebastian - aber nicht gemalt von Andrea Mantegna oder einem anderen Renaissancekünstler auf den Trümmern der Antike, sondern ein solariengebräunter Jüngling im weißen String-Tanga, ein paar dekorativ aufgeklebte Pfeile stecken im makellos trainierten Körper, umgeben von den Lichtern einer nächtlichen Großstadt. "Die Weiße Königin", eine Arbeit von 1991, zeigt ein dunkelhaariges weibliches Model in schneeweißer Robe, umgeben von herzförmigen Ranken weißen Flieders. Nina Hagen wiederum ließ sich von Pierre und Gilles 1993, höchst dekorativ wie ein zu groß geratenes Schulmädchen, an einen Stuhl gefesselt vor einer schrillfarbenen Tapete ablichten. Das Spiel mit dem schwülen bis schwulen Kitschformat ist seit gut drei Jahrzehnten das Markenzeichen des Pariser Künstlerpaares Pierre Commoy und Gilles Blanchard. Auf die immer wieder gestellte Frage, ob sie nicht selber finden, dass ihre Bilder Kitsch seien, antworten sie mittlerweile nur noch: "Ich weiß nicht" - und die Ausstellung im Alten Berliner Postfuhramt gibt ihnen Recht.
Denn dieser Kitsch ist höchst bewusst durchkomponiert und kalkuliert bis hin zu den Rahmungen der Bilder, die die beiden meist selbst bauen und den Motiven anpassen: Goldene Flitterarchitektur hier, eine Federboa da, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, und doch wirken die beiden in keinem Augenblick so, als wären sie nichts als schwule Freaks, die nichts als künstlerisch aufgehübschte Pornos produzieren. Ihre Produktion verläuft arbeitsteilig: Pierre Commoy ist von Haus aus der Fotograf, der in den 70er-Jahren mit Mode- und Musikfotografie begann. Gilles Blanchard ist der Maler, der für die nachträgliche Farbgebung der oft großformatigen Bilder zuständig ist. Viele der Werke von Pierre und Gilles sind handkolorierte Unikate, die die Grenze von Fotografie und Malerei auflösen. Die Szenerien, in denen sie ihre Models fotografieren, sind durch und durch künstlich. Die beiden bauen sie in akribischer Arbeit in ihrem Studio auf, nichts wird dem Zufall überlassen. Viele Models sind junge Männer, die in kunsthistorischen Posen und erotisch drapiert erscheinen, doch auch Frauen und Transsexuelle spielen wichtige Rollen. Trotz der oft bonbonfarbenen Kolorierung wirken die Bilder kühl und klar. Pierre und Gilles nennen sie selbst "Ikonen", auch, weil viele der Fotografierten direkt von vorn zu sehen sind.
Vor allem aber setzen die beiden mit ihren Bildern eine inzwischen sehr reiche Tradition fort, die vermutlich schon in einigen Cabarets auf dem Broadway und noch früher in den Pariser Folies Bergeres begann. Diese künstlichen Welten, in denen klassische Stoffe höchst burlesk und unter Vermischung von Geschlechterrollen inszeniert wurden, griff später der Filmemacher und Fotograf James Bidgood auf. Wer Bidgoods bunt-schwülstige Inszenierungen adoleszenter Nacktheit ansieht, erkennt sofort den Einfluss, den er auf Pierre und Gilles' Werk hatte. Es ist die Aneignung der bürgerlichen Kunstgeschichte unter schwulem Gesichtspunkt, die Lesart der klassischen Mythen und christlichen Überlieferung als sexuelle Legende, die von gemarterten oder erlösten Körpern erzählt werden und nun in die Hochglanzästhetik der heutigen Medienwelt transponiert wird.
Dass so etwas nicht ohne Ironie abgeht, dürfte klar sein. Dass das Werk von Pierre und Gilles die androgyne Mode der 70er- und 80er-Jahre spielend überlebt hat und heute zu den Klassikern der inszenierten Fotografie zählt, ist Beweis genug, dass es sich weniger um Kitsch handelt als um eine Bestandsaufnahme, wie Mythen heute eigentlich noch erzählt werden können, und wie sie in den Köpfen heute umherspuken. Insofern wirken die beiden eher wie Realisten.
Denn dieser Kitsch ist höchst bewusst durchkomponiert und kalkuliert bis hin zu den Rahmungen der Bilder, die die beiden meist selbst bauen und den Motiven anpassen: Goldene Flitterarchitektur hier, eine Federboa da, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, und doch wirken die beiden in keinem Augenblick so, als wären sie nichts als schwule Freaks, die nichts als künstlerisch aufgehübschte Pornos produzieren. Ihre Produktion verläuft arbeitsteilig: Pierre Commoy ist von Haus aus der Fotograf, der in den 70er-Jahren mit Mode- und Musikfotografie begann. Gilles Blanchard ist der Maler, der für die nachträgliche Farbgebung der oft großformatigen Bilder zuständig ist. Viele der Werke von Pierre und Gilles sind handkolorierte Unikate, die die Grenze von Fotografie und Malerei auflösen. Die Szenerien, in denen sie ihre Models fotografieren, sind durch und durch künstlich. Die beiden bauen sie in akribischer Arbeit in ihrem Studio auf, nichts wird dem Zufall überlassen. Viele Models sind junge Männer, die in kunsthistorischen Posen und erotisch drapiert erscheinen, doch auch Frauen und Transsexuelle spielen wichtige Rollen. Trotz der oft bonbonfarbenen Kolorierung wirken die Bilder kühl und klar. Pierre und Gilles nennen sie selbst "Ikonen", auch, weil viele der Fotografierten direkt von vorn zu sehen sind.
Vor allem aber setzen die beiden mit ihren Bildern eine inzwischen sehr reiche Tradition fort, die vermutlich schon in einigen Cabarets auf dem Broadway und noch früher in den Pariser Folies Bergeres begann. Diese künstlichen Welten, in denen klassische Stoffe höchst burlesk und unter Vermischung von Geschlechterrollen inszeniert wurden, griff später der Filmemacher und Fotograf James Bidgood auf. Wer Bidgoods bunt-schwülstige Inszenierungen adoleszenter Nacktheit ansieht, erkennt sofort den Einfluss, den er auf Pierre und Gilles' Werk hatte. Es ist die Aneignung der bürgerlichen Kunstgeschichte unter schwulem Gesichtspunkt, die Lesart der klassischen Mythen und christlichen Überlieferung als sexuelle Legende, die von gemarterten oder erlösten Körpern erzählt werden und nun in die Hochglanzästhetik der heutigen Medienwelt transponiert wird.
Dass so etwas nicht ohne Ironie abgeht, dürfte klar sein. Dass das Werk von Pierre und Gilles die androgyne Mode der 70er- und 80er-Jahre spielend überlebt hat und heute zu den Klassikern der inszenierten Fotografie zählt, ist Beweis genug, dass es sich weniger um Kitsch handelt als um eine Bestandsaufnahme, wie Mythen heute eigentlich noch erzählt werden können, und wie sie in den Köpfen heute umherspuken. Insofern wirken die beiden eher wie Realisten.