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'Der Traum vom Orient - Eine Entführung in den Serail'

Wir stellen Ihnen heute die neueste Produktion von Concerto Köln unter der musikalischen Leitung von Werner Ehrhardt vor, die das Orchester zusammen mit dem Ensemble Sarband unter der Leitung von Vladimir Ivanoff unter das Motto gestellt hat: "Der Traum vom Orient - Eine Entführung in den Serail". Erschienen ist die CD in der Reihe Archiv-Produktion der Deutschen Grammophon. * Musikbeispiel: W.A.Mozart - Introduktion aus der Ouvertüre zur Oper "Die Entführung aus dem Serail" Es gibt wohl kaum eine vergleichbare Aufnahme, in der Mozarts Ouvertüre zur Oper "Die Entführung aus dem Serail" so martialisch und zugleich leicht und beschwingt präsentiert wird, ein reines Feuerwerk. Concerto Köln wurde hier von den Perkussionisten des Ensembles Sarband unterstützt, das auch zuvor eine türkische Introduktion spielte.

Christiane Lehnigk |
    "Crossover"- so hieß in den letzten Jahren das modische Zauberwort von Künstlern und Veranstaltern, wenn es darum ging, verschiedene Musikstile in einem Programm zu vereinen, mit dem Ziel, Grenzen zu öffnen und nicht zuletzt auch ein größeres Publikum anzusprechen.

    Concerto Köln, eine der innovativsten Formationen in der Alten-Musik-Szene, die ihr Repertoire inzwischen bis zur Klassik und Romantik erweiterte und auch die Moderne mit einbezieht, hat einige solcher Projekte mit großem Erfolg durchgeführt.

    Bei diesem "Traum vom Orient" wurde stilisierte, "alla turca"- Musik des 18. Jahrhunderts mit traditioneller türkischer Musik gemischt, wobei sich die Musiker in ihren Ensembles auch jeweils ergänzen, - eine west-östliche Gegenüberstellung voller Kontraste und Harmonie .

    Mozart hatte sein Singspiel zum 100. Jahrestag der überstandenen Belagerung Wiens geschrieben und auch andere Komponisten nahmen aus der Distanz des 18. Jahrhunderts, Bezug auf die Kämpfe zwischen den Europäern und den Türken. So etwa der Mozart-Schüler Franz Xaver Süßmayr in seiner "Sinfonia turchesca", in der nach Art eines Puppenspiels, so Vladimir Ivanoff, über drei Sätze "das tapfere Orchesterkasperle verzweifelt gegen die perkussive Gewalt des 'türkischen Krokodils' kämpft." Erst im Finalsatz erbeutet das europäische Orchester die begehrten Schlaginstrumente, um schließlich einen habsburgischen Siegesmarsch anzustimmen. * Musikbeispiel: Franz Xaver Süßmayr - 4. Satz, Finale (Schluss) aus: Sinfonia turchesca C-Dur Die Angst vor den Türken schlug nach der erfolgreichen Beendigung der Belagerung einige Jahrzehnte später in eine wahre Türkenmode um, das Fremdartige, Martialische, Orientalische wurde zum Faszinosum. Dies fand auch in der Musik des 18. Jahrhunderts seinen Niederschlag, wobei es allerdings keinen wirklichen Austausch zwischen den beiden Kulturen gab, sondern das Zitieren von türkischen Elementen in der europäischen Musik eher der Erheiterung des Publikums diente und zumeist reine Persiflage war. In den hier vorgestellten Werken von Mozart, Johann Martin Kraus, Christoph Willibald Gluck oder Süssmayr kann man heraushören, dass das spezielle "orientalische" Kolorit abendländischer Musik fast nur in der Einbeziehung von diversen Schlaginstrumenten und der Betonung auf rhythmischen Elementen bestand. Vorbilder waren hier die Ensembles der türkischen Staats- und Militärmusik, die die Sultane auch gerne als Gastgeschenke mit ihren Diplomaten an verschiedene europäische Höfe entsandten. Als diese Ensembles später aufgelöst wurden, verdingten sich die türkischen Musiker als Perkussionisten in den Hof- und Opernorchestern.

    Von den einheimischen Komponisten wurde das übernommen, was sich ohne große Probleme in die standardisierte Kompositionstechnik integrieren ließ, das ausdrucksvolle Melos, die Vierteltonchromatik, die komplexe Metrik und die weitschweifenden Melodien der türkischen Musik, wie sie das Ensemble Sarband hier beispielhaft präsentiert, bleiben dabei nahezu unberücksichtigt.

    Etwas differenzierter und authentischer verhält es sich da bei dem "Concerto turco nominato 'Izia semaisi", das von dem Marquis de Ferriol aufgezeichnet und in Venedig 1787 nachgedruckt wurde. Vladimir Ivanoff hat es für Concerto Köln und Sarband arrangiert und so ein schönes Beispiel west-östlichen Zusammenspiels geschaffen. Werner Ehrhardt beschreibt im Textheft die Schwierigkeiten, die beide Musikergruppen anfangs bei diesem Projekt zu überwinden hatten, da sassen "vorauseilende, europäische Musiker" Seite an Seite mit türkischen Kollegen, die eine "ganz andere, entspanntere Tempoauffassung hatten und vor allen Dingen Gelassenheit mitbrachten". Das Ergebnis der Zusammenarbeit ist jedoch erstaunlich homogen geworden. * Musikbeispiel: Marquis de Ferriol /Arr. - Concerto turco nominato "Izia semaisi" Das, was diese Produktion von Concerto Köln und dem Ensemble Sarband so interessant macht ist, dass die Musiker gemeinsam spielen und es nicht bei einer reinen Gegenüberstellung von Okzident und Orient belassen. Für Vladimir Ivanoff ist das auch ein Weg der Völkerverständigung und das Schaffen von gegenseitigem Respekt in einer Welt, in der gerade heute immer noch in Schwarz-Weiß-Schemata gedacht wird. Zwar klingen die "alla turca" Werke der Komponisten des 18. Jahrhunderts im Vergleich mit der traditionellen und "klassischen" türkischen Musik zuweilen etwas lächerlich, doch durch die Verstärkung der Perkussionisten von Sarband, erhalten sie ein authentisches Element , das ein Stück Musikgeschichte wieder lebendig werden lässt.

    Hier zum Abschluss ein Ausschnitt aus einem Janitscharen-Tanz aus dem 16. Jahrhundert und daran anschließend die "Marcia dei Gainnizzari" aus dem Ballett der Oper "Soliman II oder die 3 Sultaninnen" des Mozart-Zeitgenossen Joseph Martin Kraus. * Musikbeispiel: Tatar Han Gazi Giray - "Mahur Pesrevi" (Schluss) * Musikbeispiel: Joseph Martin Kraus - 'Marcia dei Giannizzari’ aus "Soliman II"