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Der Traum von ewiger Jugend

Mit ihrer Forschung zu den molekularen Mechanismen des Alterns haben die diesjährigen Nobelpreisträger auch Hoffnungen genährt, das Altern zu verlangsamen - der Traum des ewigen Jungbrunnens. Doch ewige Jugend ist auf die Ebene der Zellen beschränkt und dort mehr Fluch als Segen.

Von Michael Lange | 05.10.2009
    Gestern, heute, morgen, übermorgen. Jeden Tag einen Tag älter. Jede Woche eine Woche. Die Falten kommen, die Haare ergrauen, die Knochen schwinden. Nichts zu machen.

    Der Jungbrunnen? Nichts als ein Mythos. Es sei denn, die Wissenschaft dreht die Uhr des Lebens zurück.

    In den 70er-Jahren war das auf einmal möglich. Ewige Jugend im Zellkern. Elisabeth Blackburn und Jack Szostak fanden im Innern der kleinen Wimpertierchen die Uhr des Lebens. Die Telomere. Die Endstücke der Chromosomen.

    Im Grunde gleichen die Telomere einem Lebensfaden. Bei jeder Zellteilung wird ein Stückchen abgeschnitten, und noch Stückchen und noch eines. Und jedesmal wird die Zelle ein kleines bisschen älter, die Zeit, die noch bleibt, ein wenig kürzer.

    Aber wie wäre es, wenn man dem Altern ein Schnippchen schlagen? Wie beim Bildnis des Dorian Gray. Das Bild wird alt, der Mensch bleibt jung. Man müsste doch nur die Uhr des Leben irgendwie zurückdrehen, den Lebensfaden verlängern.
    Gefragt, gefunden. Kein Problem für die Wissenschaft. In den 80er-Jahren kam Carol Greider in Blackburns Labor und fand den biologischen Jungbrunnen für alle: das Enzym Telomerase. Es verlängert die Telomere - den Lebensfaden. Das Ende des Altern war gekommen. Schon wieder: der Jungbrunnen.

    Sogar der Dalai Lama lud die Telomer-Forscher zu sich ein und war begeistert von deren Forschung. Zum Schluss stellte er nur eine Frage: Was macht die Telomerase, wenn keine Hoffnung bleibt? Was nützt Lebenszeit, wenn wir nicht reifer werden?

    Inzwischen wissen die Forscher, dass sie den Jungbrunnen nicht entdeckt haben. Ewige Jugend gibt es nur auf der Ebene der Körperzellen. Zellen, die nicht alt werden, wachsen immer weiter. Diese "ewige Jugend" heißt Krebs.

    Und darüber, dass Menschen weiter altern, sind die drei Nobelpreisträger nicht einmal unglücklich. Heute wissen sie: Es gibt viele biologische Faktoren, die uns altern lassen. Vielleicht wird man das Altern nie vollständig verstehen. Was bleibt, ist die Hoffnung.