Nach dem zweiten Akt rief jemand vom Rang "Rampentheater". Es könnte aber auch "Lampentheater" gewesen sein, und wäre genauso richtig. Denn wenn niemand und nichts mehr geht in Bernd Eichingers Bühnenkintopp, und das ist ziemlich oft der Fall, dann lodern doch im Projektionsfeld, das hier die Staatsopernbühne ist, immer noch Flammen, es jagen psychedelische Wolken oder es pumpert ein Riesenherz. Oder es geht, bei den Verwandlungen - "zum Raum wird hier die Zeit" - koppheister in rasender Fahrt durch eine Art Geburtskanal, oder vielleicht ist es auch eine Super-Rutsche im Spaßbad.
Das rätselhafteste Bild in dieser mit Rätseln sparsamen Inszenierung ist die Projektion eines Förderturms. Er erscheint, als Kundry, die große Sünderin, den jungen Mann Parsifal durch Verführung zur Erkenntnis zu bringen versucht und ihm, das zieht bei den Jungs doch noch am besten, von seiner Mutter erzählt. Tiefer!, tiefer!, bis zur siebten Sohle der Kindheits- oder Küchenpsychologie, scheint das Bild zu meinen. Vielleicht aber auch nur einen industriekritischen Beitrag zur Geschichte der Menschheit und Zivilisation im Großen und Ganzen.
Diese wird uns nämlich nebenbei im Zeitrafferverfahren vorgestellt, von den frühesten Höhlenzeichnungen über Sphinxe und Pyramiden, Tempel und Türme bis zur, genau: Skyline von New York. Und wo wir schon in New York sind, ist auch ein gewaltbereiter Herrenchor nicht weit, drohend wiegen die Ledermänner ihre Gewaltsymbole in der Hand, bis dann aber ein Knabenchor von Erlösung singt. Da nehmen sie wieder artig Platz, lassen von dem kranken König Amfortas ab, der sich von ihnen doch nur den Tod und Ende seiner Leiden wünschte, und schauen auf den zeitreisenden schwarzen Ritter Parsifal, der den heiligen Speer zurück nach New York bringt.
Und um das Happyend komplett zu machen, darf jetzt die von allen Männerbünden zuvor geknechtete Kundry als geläuterte Sünderin auftreten. Dienen, dienen! waren ihre einzigen Worte in diesem Akt gewesen, längst ist sie nicht mehr die widrige Person, die sie war, deshalb muss sie nicht wie bei Wagner entseelt zu Boden sinken, sondern wird, so nett sitzen die zwei beieinander, womöglich noch Frau Parsifal.
Er habe einfach nur die Geschichte erzählen wollen, hatte Bernd Eichinger über seine mit großer Aufmerksamkeit bedachten ersten Opernregie verraten. Bestürzend daran ist nur zweitens der anti-intellektuelle Affekt, der dahinter steckt, sondern zuerst einmal die Unbedarftheit, mit der hier Wagners so faszinierendem wie bedenklichen Bühnenweihzauber der religiös-ideologische Überbau erst ausgeblendet wird, um den so gewonnenen Freiraum dann mit allerhand ersten Einfällen zu illustrieren. - Was ist der Gral? Ist es das Herz, das sich Amfortas lebendig aus dem Leibe reißt und das, am Beginn der Zeitreise, von Urwaldkriegern verspeist wird? Oder ist es der blaue Planet, in den sich das Pumperherz am Ende verwandelt? Irgendwas wird es schon sein, und so hampelt sich der Abend von Bild zu Bild, und wenn die Zeitreisende Kundry davon singt, wie sie einst der Blick des leidenden Christus traf, da trifft dieser auch uns, denn weil hier alles immer gezeigt werden muss, darf auch ein Ausschnitt Jesusfilm nicht fehlen.
Über all das wäre kaum ein Wort zu verlieren, allenfalls über die Selbstvergessenheit, mit der zur Zeit namhafte Opernintendanten ihre unter Erfolgsdruck stehenden Institute an Regisseure des deutschen Mainstream-Kinos ausliefern. Doch dem szenischen Dilettantismus widersprach wenigstens die Musik. Daniel Barenboim ist nach wie vor der Auffassung, dass sich für Wagners Bühnenweihfestspiel gedehnte Tempi gehören, eine Art Krümmung der Zeitachse, lange Andachtspausen. Es ist das Gegenteil der schwerelosen Leichtigkeit, die Pierre Boulez zuletzt in Bayreuth gelang. Staunenswert aber, wie Barenboim unter den Bedingungen einer derart exponierten Leidensmusik über den langen Abend hin Spannung zu halten versteht. Mit Bedacht setzt er espressivo-Akzente, strukturiert und belebt etwa die großen Flächen der Gurnemanz-Erzählungen, und die Staatskapelle folgt ihm mit Hingabe. Fünf Minuten brauchte es, dann hatte sie ihren Parsifal-Ton gefunden, ein Musizieren wie auf Goldgrund.
Eine Ästhetik der Überwältigung durch Klangschönheit, den Wundern der Parsifal-Partitur nähert man sich in Berlin auf Knien, und doch hält Barenboim das Geschehen im Griff, denkt in großen Bögen, und deckt seine Sänger (fast) nie zu. Sensationell René Papes erster Gurnemanz, kantabel, perfekt wortverständlich. Hanno Müller-Brachmann gibt dem Schmerzensmann Amfortas ein scharfes Profil, ohne vokales Gejammer. Der Parsifal von Burkhard Fritz fand jedenfalls nach seinen Irrfahrten am Ende zu einer differenzierteren Gestaltung. Hochkonzentriert, vielleicht eine Spur zu nervig Michaela Schuster als Hysterikerin Kundry.
Nachdem Bernd Eichinger die wahrscheinlich nasseste Buh-Dusche seines Lebens entgegengenommen hatte, fiel der Satz des Abends an der Garderobe: Er wirds nicht wieder tun. Wir zünden ihm eine Kerze an und wollen es ganz fest hoffen.
Das rätselhafteste Bild in dieser mit Rätseln sparsamen Inszenierung ist die Projektion eines Förderturms. Er erscheint, als Kundry, die große Sünderin, den jungen Mann Parsifal durch Verführung zur Erkenntnis zu bringen versucht und ihm, das zieht bei den Jungs doch noch am besten, von seiner Mutter erzählt. Tiefer!, tiefer!, bis zur siebten Sohle der Kindheits- oder Küchenpsychologie, scheint das Bild zu meinen. Vielleicht aber auch nur einen industriekritischen Beitrag zur Geschichte der Menschheit und Zivilisation im Großen und Ganzen.
Diese wird uns nämlich nebenbei im Zeitrafferverfahren vorgestellt, von den frühesten Höhlenzeichnungen über Sphinxe und Pyramiden, Tempel und Türme bis zur, genau: Skyline von New York. Und wo wir schon in New York sind, ist auch ein gewaltbereiter Herrenchor nicht weit, drohend wiegen die Ledermänner ihre Gewaltsymbole in der Hand, bis dann aber ein Knabenchor von Erlösung singt. Da nehmen sie wieder artig Platz, lassen von dem kranken König Amfortas ab, der sich von ihnen doch nur den Tod und Ende seiner Leiden wünschte, und schauen auf den zeitreisenden schwarzen Ritter Parsifal, der den heiligen Speer zurück nach New York bringt.
Und um das Happyend komplett zu machen, darf jetzt die von allen Männerbünden zuvor geknechtete Kundry als geläuterte Sünderin auftreten. Dienen, dienen! waren ihre einzigen Worte in diesem Akt gewesen, längst ist sie nicht mehr die widrige Person, die sie war, deshalb muss sie nicht wie bei Wagner entseelt zu Boden sinken, sondern wird, so nett sitzen die zwei beieinander, womöglich noch Frau Parsifal.
Er habe einfach nur die Geschichte erzählen wollen, hatte Bernd Eichinger über seine mit großer Aufmerksamkeit bedachten ersten Opernregie verraten. Bestürzend daran ist nur zweitens der anti-intellektuelle Affekt, der dahinter steckt, sondern zuerst einmal die Unbedarftheit, mit der hier Wagners so faszinierendem wie bedenklichen Bühnenweihzauber der religiös-ideologische Überbau erst ausgeblendet wird, um den so gewonnenen Freiraum dann mit allerhand ersten Einfällen zu illustrieren. - Was ist der Gral? Ist es das Herz, das sich Amfortas lebendig aus dem Leibe reißt und das, am Beginn der Zeitreise, von Urwaldkriegern verspeist wird? Oder ist es der blaue Planet, in den sich das Pumperherz am Ende verwandelt? Irgendwas wird es schon sein, und so hampelt sich der Abend von Bild zu Bild, und wenn die Zeitreisende Kundry davon singt, wie sie einst der Blick des leidenden Christus traf, da trifft dieser auch uns, denn weil hier alles immer gezeigt werden muss, darf auch ein Ausschnitt Jesusfilm nicht fehlen.
Über all das wäre kaum ein Wort zu verlieren, allenfalls über die Selbstvergessenheit, mit der zur Zeit namhafte Opernintendanten ihre unter Erfolgsdruck stehenden Institute an Regisseure des deutschen Mainstream-Kinos ausliefern. Doch dem szenischen Dilettantismus widersprach wenigstens die Musik. Daniel Barenboim ist nach wie vor der Auffassung, dass sich für Wagners Bühnenweihfestspiel gedehnte Tempi gehören, eine Art Krümmung der Zeitachse, lange Andachtspausen. Es ist das Gegenteil der schwerelosen Leichtigkeit, die Pierre Boulez zuletzt in Bayreuth gelang. Staunenswert aber, wie Barenboim unter den Bedingungen einer derart exponierten Leidensmusik über den langen Abend hin Spannung zu halten versteht. Mit Bedacht setzt er espressivo-Akzente, strukturiert und belebt etwa die großen Flächen der Gurnemanz-Erzählungen, und die Staatskapelle folgt ihm mit Hingabe. Fünf Minuten brauchte es, dann hatte sie ihren Parsifal-Ton gefunden, ein Musizieren wie auf Goldgrund.
Eine Ästhetik der Überwältigung durch Klangschönheit, den Wundern der Parsifal-Partitur nähert man sich in Berlin auf Knien, und doch hält Barenboim das Geschehen im Griff, denkt in großen Bögen, und deckt seine Sänger (fast) nie zu. Sensationell René Papes erster Gurnemanz, kantabel, perfekt wortverständlich. Hanno Müller-Brachmann gibt dem Schmerzensmann Amfortas ein scharfes Profil, ohne vokales Gejammer. Der Parsifal von Burkhard Fritz fand jedenfalls nach seinen Irrfahrten am Ende zu einer differenzierteren Gestaltung. Hochkonzentriert, vielleicht eine Spur zu nervig Michaela Schuster als Hysterikerin Kundry.
Nachdem Bernd Eichinger die wahrscheinlich nasseste Buh-Dusche seines Lebens entgegengenommen hatte, fiel der Satz des Abends an der Garderobe: Er wirds nicht wieder tun. Wir zünden ihm eine Kerze an und wollen es ganz fest hoffen.