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Der Ursprung des Regens

Klima.- Der Indische Monsun versorgt Südostasien mit Niederschlägen. Um hinter das Geheimnis zu kommen, nach welchen Regeln diese gigantische Luftwalze funktioniert, haben Harvard-Forscher das Hochland von Tibet entfernt – zumindest virtuell.

Von Dagmar Röhrlich |
    Als "Dach der Welt" wird das Hochland von Tibet oft bezeichnet. Schließlich bringt es das riesige Plateau auf eine durchschnittliche Höhe von mehr als viereinhalb Kilometern. Weil sich Luft über Land schneller aufheizt als über dem Meer, schien die Hochebene für die Meteorologen so etwas wie eine Herdplatte zu sein:

    "Lange Zeit glaubten wir, dass die schweren Monsun-Regenfälle über Indien und Indochina dadurch entstehen, dass das sonnenerwärmte Gestein des Tibetischen Plateaus die Atmosphäre über sich stark aufheizt. Das soll die Energie liefern für die Luftwalze des Monsuns",

    erklärt William Boos von der Harvard University. Computersimulationen schienen diese Sicht zu bestätigen: Nahm man das Plateau heraus, schwächelte der südostasiatische Monsun und verschob sich in Richtung Äquator. Als sich Boos und sein Kollege Zhiming Kuang nun die Satellitendaten vornahmen, erkannten sie erstaunt, dass da etwas nicht stimmen konnte:

    "Wir haben dann mit diesen Daten Modellrechnungen laufen lassen. Als wir dabei sowohl die hohen Berge des Himalaja als auch das tibetische Hochland herausnahmen, verschwand der Monsun fast ganz. Aber mit den Bergen, jedoch ohne die Hochebene, entsprach das Bild schon sehr der von den Satelliten beobachteten Realität: Temperaturen und Feuchtigkeit erreichten in der Höhenluft über Nordindien ihr Maximum, also südlich des Himalaja."

    Die Idee der Forscher: Der starke Monsun wird nicht von der Lufterwärmung über dem tibetischen Hochland angetrieben, sondern von der über dem indischen Subkontinent:

    "Man braucht das Plateau gar nicht, um den südostasiatischen Monsun in der Stärke zu erhalten, wie wir ihn sehen. Stattdessen brauchen wir die hohen Bergketten um das Plateau, besonders den Himalaja."

    Denn die wirken durch ihre Höhe wie eine Brandmauer, trennen Südasien von Innerasien und sind deshalb entscheidend für die intensiven Regenfälle:

    "Der Himalaja und die anderen Bergketten isolieren die warme und feuchte Luft aus den Tropen von der kalten, trockenen Luft über Tibet. Ohne die hohen Bergketten würde die kalte, trockene Luft in die Region der tropischen Monsune eindringen. Die Luftmassen würden sich vermischen, die Energie verpuffen. Der Monsun würde schwächeln, die Regenfälle über Indien und Indochina würden dramatisch abnehmen."
    Falls sich die Theorie der beiden Harvard-Forscher als richtig erweist, wird sie künftig bei den Modellrechungen wichtig werden, die die Folgen des Klimawandels abschätzen: Der südostasiatische Monsun versorgt schließlich Milliarden Menschen mit Wasser. Da wird es wichtig, sich auf Veränderungen in den kommenden Jahrzehnten einrichten zu können:

    "Die Gesellschaft macht sich Sorgen über das Abschmelzen der Gletscher im Hochland von Tibet durch den Klimawandel. Nach der konventionellen Sichtweise müsste das einen gewaltigen Effekt auf den südostasiatischen Monsun haben: Ein gletscherloses Tibet sollte den Monsun noch stärker antreiben und nach Norden lenken. Wir glauben jedoch, dass eine andere Region wichtig wird. Wenn wir die Folgen des Klimawandels für den Regenfall in Asien betrachten wollen, müssen wir uns ansehen, was südlich des Himalaja passiert, wo die warme und feuchte Luft entsteht."

    Dann richtet sich der Blick auf Indien - und auf das, was der Mensch dort an klimawirksamen Veränderungen verursacht, etwa in der Landwirtschaft.