"Was mir bei Albert Schweitzer zuerst einfällt, ist der Urwalddoktor."
"Dschungel und Urwald war etwas, was ganz weit weg ist, was ganz anders ist, als das, was man hier kennt. Und es war ziemlich unvorstellbar, also riesig bewundernswert, dass ein Mann aus Europa dahingeht."
"Albert Schweitzer war ein Pastor, kam aus einer Pastorenfamilie und war Arzt, dann ist er nach Afrika gegangen, nach Lambarene und hat da für die Afrikaner ein Krankenhaus aufgebaut, um den Afrikanern zu helfen."
"Sein selbstloses Engagement, wie er seine eigenen Bedürfnisse so hinten angestellt hat ohne Ansehen, ohne Rücksicht auf sich selbst diese Hilfe dort geleistet hat, das ist das Hervorstechende."
Als junger Mann studierte Albert Schweitzer Theologie und Philosophie. Er wurde Pfarrer, machte seinen Doktor und nahm eine Stelle als Professor in Straßburg an. Schon in seiner Studentenzeit war es für Albert Schweitzer schwer verständlich, dass er ein so glückliches Leben führen durfte, wo es doch so viel Leid und Sorge anderer Menschen um ihn herum gab. Er fasste den Entschluss, anderen Menschen direkt zu helfen. Im Jahr 1904 entdeckte er eine Anzeige der Pariser Missionsgesellschaft.
"Wir suchen dringend Menschen, die bereit sind, mit ihren Kräften den Leuten in Afrika zu helfen. Wer ist bereit, als Missionar, Lehrer oder als Arzt Hilfe zu bringen?"
Für Albert Schweitzer war seine neue Aufgabe sofort klar: Er würde als Arzt nach Afrika gehen und begann deshalb mit 30 Jahren noch einmal Medizin zu studieren. Albert Schweitzer entschloss sich, nach Gabun zu gehen. In einem Land kurz unterhalb des Äquators - 7000 Kilometer von seinem Heimatort entfernt - wartete eine neue Aufgabe auf ihn: kranken Menschen zu helfen. Schweitzer belegte einen Kurs in Tropenmedizin und seine Frau Helene machte noch vor der Abreise eine Ausbildung zur Krankenschwester.
Das Ehepaar Schweitzer packte Hab und Gut in Lederkoffer, Medikamente und ärztliche Geräte in Kisten - über 70 hatten sie zum Schluss zusammen. Dann ging es endlich los.
Fast drei Wochen dauerte die Seereise auf einem alten Dampfer. Vorbei an Spanien, Teneriffa, entlang der afrikanischen Westküste bis hin zur Mündung des Ogoué-Flusses in Gabun. Dort ging es auf einem kleinen Flussdampfer weiter, der noch einmal drei ganze Tage stromaufwärts fuhr. In seinem Reisetagebuch schreibt Albert Schweitzer über die Fahrt:
"Wasser und Urwald! Wer vermöchte diese Eindrücke wiederzugeben? Es ist uns, als ob wir träumen. Vorsintflutartige Landschaften, die wir als Phantasiezeichnungen irgendwo gesehen, werden lebendig. […] Immer nur derselbe Wald, dasselbe gelbe Wasser. Diese Eintönigkeit steigert die Gewalt dieser Natur ins Unermessene"
Und dann kam Albert Schweitzer in Lambarene an, einem kleinen Dorf, das nur per Schiff erreichbar war. Der Arzt baute im Laufe der Zeit sein eigenes Krankhaus auf: das Albert-Schweitzer-Hospital. Aus politischen und persönlichen Gründen kehrte Schweitzer immer wieder nach Deutschland zurück, verbrachte aber insgesamt über 30 Jahre in Gabun. Das Krankenhaus steht bis heute und hat einen guten Ruf - auch nach Schweitzers Tod im Jahr 1965. Gibt es heute noch Mitarbeiter dort, die sich an den alten Schweitzer erinnern oder ihn gar gekannt haben?
Anne-Marie Badji Babalou ist Zeitzeugin: eine der letzten, die Albert Schweitzer zu Lebzeiten gekannt hat, als sie noch ein kleines Mädchen war. Es geht auf eine Reise nach Gabun zu Anne-Marie Badji-Babalou. Wer im 21. Jahrhundert dorthin reist braucht keine dreiwöchige Dampferfahrt wie Albert Schweitzer anzutreten.
In nur sieben Stunden Flugzeit erreicht man heutzutage die gabunesische Küste. An Bord gibt es Filme, Musik über Kopfhörer und ein dreigängiges Menü; anders als zu Schweitzers Zeiten. Auf dem Flughafen herrscht reges Treiben, es ist schwül, der Himmel bedeckt, über 30 Grad warm. Afrikaner in farbenfrohen Umhängen laufen hin und her, Zollbeamte sitzen in Uniform an Tischen. Hier werden die Pässe noch richtig gestempelt.
Mit dem Taxi sind es dann noch vier Stunden nach Lambarene. Es ist Regenzeit, dicke Gewitterwolken hängen tief am Himmel. Die Äste der Mangobäume biegen sich unter der Last der gelben Früchte. In der Kurve der Hauptstraße zum Albert-Schweitzer-Hospital steht ein weiß gestrichenes kleines Haus aus Beton. Gabunesische Musik dröhnt aus einer Anlage. Hier wohnt Anne-Marie Badji-Babalou, die Zeitzeugin, die Albert Schweitzer gekannt hat. In leuchtend orange-braun gemustertem Gewand steht sie draußen vor dem Fenster und schließt die Läden. Vor ein paar Monaten hat die 68-Jährige aufgehört, im Albert Schweitzer-Hospital zu arbeiten. 39 Dienstjahre hat sie hinter sich.
So ganz kann sie es noch nicht lassen, immer wieder auf das Krankenhausgelände zurückzukehren. Sie ist ein bekanntes Gesicht hier. Jeder kennt sie. Viele Patienten und Kollegen rufen ihr zu, grüßen und wissen, dass sie eine der Letzten ist, die Albert Schweitzer noch gekannt haben. Anne-Marie Badji-Babalou läuft in Flip-Flops los zu ihren Lieblingsplätzen auf dem Gelände des Hospitals. Erinnerungen an Albert Schweitzer werden wieder wach. Als sie an einstöckigen, hellgelben Gebäuden mit Wellblechdächern vorbeiläuft zeigt sie nach rechts,auf ein Fußballfeld großes Areal. Heute stehen hier Hütten.
"Früher waren hier überall Apfelbäume. Wir haben die Früchte vom Boden aufgesammelt und wenn Doktor Schweitzer vorbei kam, haben wir uns schnell versteckt. Danach sind wir zu den Mangobäumen gegangen und haben Mangos gestohlen."
Äußerlich war an Albert Schweitzer sein Tropenhelm das Auffälligste.
"Er trug immer eine Bundfaltenhose und große Schuhe. Er war ein großer Mann, hatte einen Schnauzbart und wilde ungekämmte Haare. Eine Krawatte hatte er nie um, sondern immer eine Fliege. Wenn er seine Runde machte, hatte er immer die Hände auf dem Rücken. Wir nannten ihn immer 'Le Grand Docteur', den Großen Doktor, denn er war der erste bekannte Arzt, der hierher kam."
Anne-Marie läuft den Weg übers Gelände weiter in Richtung Ogué-Fluss. In den Hütten, an denen sie vorbeikommt, hatte sie auch mal ein Zimmer. Albert Schweitzers Wohnhaus ist heute noch vollständig erhalten und zu einem Museum ausgebaut. Anne-Marie steigt die Stufen hinauf zum Eingang.
Schweitzers Arbeitszimmer, sein Wohnzimmer, Mikroskope und seine Lederkoffer von seiner Schiffsreise sind im Museum aufbewahrt. Alles liebevoll restauriert. Auf seinem Schreibtisch liegt die Nobelpreisurkunde von 1952, in einer Plastikhülle. Anne-Marie steuert zielstrebig auf das Regal zu, nimmt ein Buch heraus. Ein Bildband über Albert Schweitzer. Sie blättert und zeigt auf ein Foto.
"Und das hier ist mein Vater. Er war Chefpfleger bei Schweitzer, er war der einzige, der ein bisschen Lesen und Schreiben konnte."
Anne-Marie winkt Silvia Njundu, die Museumsmitarbeiterin, zu sich her und fragt, ob im Museum außer den restaurierten Zimmern noch etwas Besonderes von Schweitzer stehe. "Gleich im Raum nebenan", sagt Silvia, "da steht sein Klavier".
"Das ist das zweite Klavier von Albert Schweitzer. Es war nach dem Transport etwas kaputt, deshalb hat er es hier in Gabun reparieren lassen und seit 1938 stand es in seinem Esszimmer. Er hielt dort Gottesdienste und spielte auch bei Hochzeitszeremonien. Noch schöner war aber sein erstes Klavier mit Orgelpedalen. Das steht heute allerdings im Albert Schweitzer Museums in Günsbach, wo er aufgewachsen ist. Das Klavier war so gebaut, dass extremes Klima wie hier in Gabun dem Klavier nichts anhaben konnte. Es war daher aus sehr hartem Ebenholz gebaut, und Termiten konnten auch nicht eindringen. Gleichzeitig war es so auch gegen Feuchtigkeit geschützt."
Tatsächlich sieht das Klavier noch gut erhalten aus, als könne sich Albert Schweitzer gleich wieder dransetzen und spielen.
"Die Lust zum Spielen bekam Schweitzer in den Abendstunden. Oft zwischen 10 Uhr abends und ein Uhr nachts setzte er sich ans Klavier und hatte dabei viele neue Ideen für den nächsten Tag. Albert Schweitzer war auch ein großer Komponist und spielte Musikwerke von Bach. In Europa hat er über 480 Orgelkonzerte gegeben. Und die Einnahmen kamen dem Hospital in Lambarene zugute. Ohne die gäbe es das hier alles nicht."
Nach Schweden, Spanien, in die Schweiz, nach England und Dänemark ist Schweitzer gereist, um Orgelkonzerte zu geben. Geübt hat er dafür in seinem Musikzimmer in Lambarene. Der Klang war oft auf dem Hospitalgelände zu hören.
"Als wir uns am Ogoue gewaschen haben, hörten wir ihm beim Orgel spielen zu. Dabei haben wir natürlich Lärm gemacht, wie das bei Kindern so ist. Schweitzer konnte das nicht ertragen, wenn er Musik gespielt hat. Das hat ihn genervt. Er schickte dann einen Arbeiter, der unsere Klamotten wegnahm, um uns Angst zu machen."
Anne-Marie verlässt das Museum und geht runter zum Fluss an die Anlegestelle: ihr Lieblingsplatz. Hier hat sie mit einem besonderen Freund sehr oft gespielt - mit Parzival, Schweitzers Pelikan.
"Der Pelikan war unser Spielkamerad, als wir Kinder uns am Ogoue-Fluss gewaschen haben. Wir haben zusammen gespielt und er war wie ein Kind. Als der Doktor sich zurückgezogen hatte, um zu schreiben, ist der Pelikan runter zur Anlegestelle gewatschelt. Wir haben dann mit ihm gespielt und sind getaucht. Auch der Pelikan ist dann untergetaucht und hat uns im Wasser gesucht. Er war immer um uns herum und auch sehr zahm."
Anne-Marie Badji-Bablou verlässt den Ogoue-Fluss und das Krankenhausgelände. Sie selber sucht nach 39 Dienstjahren eine neue Aufgabe.
"Mein Traum ist, hier ein kleines Restaurant zu eröffnen, mit gabunesischen Speisen. Es würde wahrscheinlich Restaurant Schweitzer heißen, weil er wie mein Vater war. Ich werde ihn immer in meinem Herzen tragen und ihn nicht vergessen."
"Dschungel und Urwald war etwas, was ganz weit weg ist, was ganz anders ist, als das, was man hier kennt. Und es war ziemlich unvorstellbar, also riesig bewundernswert, dass ein Mann aus Europa dahingeht."
"Albert Schweitzer war ein Pastor, kam aus einer Pastorenfamilie und war Arzt, dann ist er nach Afrika gegangen, nach Lambarene und hat da für die Afrikaner ein Krankenhaus aufgebaut, um den Afrikanern zu helfen."
"Sein selbstloses Engagement, wie er seine eigenen Bedürfnisse so hinten angestellt hat ohne Ansehen, ohne Rücksicht auf sich selbst diese Hilfe dort geleistet hat, das ist das Hervorstechende."
Als junger Mann studierte Albert Schweitzer Theologie und Philosophie. Er wurde Pfarrer, machte seinen Doktor und nahm eine Stelle als Professor in Straßburg an. Schon in seiner Studentenzeit war es für Albert Schweitzer schwer verständlich, dass er ein so glückliches Leben führen durfte, wo es doch so viel Leid und Sorge anderer Menschen um ihn herum gab. Er fasste den Entschluss, anderen Menschen direkt zu helfen. Im Jahr 1904 entdeckte er eine Anzeige der Pariser Missionsgesellschaft.
"Wir suchen dringend Menschen, die bereit sind, mit ihren Kräften den Leuten in Afrika zu helfen. Wer ist bereit, als Missionar, Lehrer oder als Arzt Hilfe zu bringen?"
Für Albert Schweitzer war seine neue Aufgabe sofort klar: Er würde als Arzt nach Afrika gehen und begann deshalb mit 30 Jahren noch einmal Medizin zu studieren. Albert Schweitzer entschloss sich, nach Gabun zu gehen. In einem Land kurz unterhalb des Äquators - 7000 Kilometer von seinem Heimatort entfernt - wartete eine neue Aufgabe auf ihn: kranken Menschen zu helfen. Schweitzer belegte einen Kurs in Tropenmedizin und seine Frau Helene machte noch vor der Abreise eine Ausbildung zur Krankenschwester.
Das Ehepaar Schweitzer packte Hab und Gut in Lederkoffer, Medikamente und ärztliche Geräte in Kisten - über 70 hatten sie zum Schluss zusammen. Dann ging es endlich los.
Fast drei Wochen dauerte die Seereise auf einem alten Dampfer. Vorbei an Spanien, Teneriffa, entlang der afrikanischen Westküste bis hin zur Mündung des Ogoué-Flusses in Gabun. Dort ging es auf einem kleinen Flussdampfer weiter, der noch einmal drei ganze Tage stromaufwärts fuhr. In seinem Reisetagebuch schreibt Albert Schweitzer über die Fahrt:
"Wasser und Urwald! Wer vermöchte diese Eindrücke wiederzugeben? Es ist uns, als ob wir träumen. Vorsintflutartige Landschaften, die wir als Phantasiezeichnungen irgendwo gesehen, werden lebendig. […] Immer nur derselbe Wald, dasselbe gelbe Wasser. Diese Eintönigkeit steigert die Gewalt dieser Natur ins Unermessene"
Und dann kam Albert Schweitzer in Lambarene an, einem kleinen Dorf, das nur per Schiff erreichbar war. Der Arzt baute im Laufe der Zeit sein eigenes Krankhaus auf: das Albert-Schweitzer-Hospital. Aus politischen und persönlichen Gründen kehrte Schweitzer immer wieder nach Deutschland zurück, verbrachte aber insgesamt über 30 Jahre in Gabun. Das Krankenhaus steht bis heute und hat einen guten Ruf - auch nach Schweitzers Tod im Jahr 1965. Gibt es heute noch Mitarbeiter dort, die sich an den alten Schweitzer erinnern oder ihn gar gekannt haben?
Anne-Marie Badji Babalou ist Zeitzeugin: eine der letzten, die Albert Schweitzer zu Lebzeiten gekannt hat, als sie noch ein kleines Mädchen war. Es geht auf eine Reise nach Gabun zu Anne-Marie Badji-Babalou. Wer im 21. Jahrhundert dorthin reist braucht keine dreiwöchige Dampferfahrt wie Albert Schweitzer anzutreten.
In nur sieben Stunden Flugzeit erreicht man heutzutage die gabunesische Küste. An Bord gibt es Filme, Musik über Kopfhörer und ein dreigängiges Menü; anders als zu Schweitzers Zeiten. Auf dem Flughafen herrscht reges Treiben, es ist schwül, der Himmel bedeckt, über 30 Grad warm. Afrikaner in farbenfrohen Umhängen laufen hin und her, Zollbeamte sitzen in Uniform an Tischen. Hier werden die Pässe noch richtig gestempelt.
Mit dem Taxi sind es dann noch vier Stunden nach Lambarene. Es ist Regenzeit, dicke Gewitterwolken hängen tief am Himmel. Die Äste der Mangobäume biegen sich unter der Last der gelben Früchte. In der Kurve der Hauptstraße zum Albert-Schweitzer-Hospital steht ein weiß gestrichenes kleines Haus aus Beton. Gabunesische Musik dröhnt aus einer Anlage. Hier wohnt Anne-Marie Badji-Babalou, die Zeitzeugin, die Albert Schweitzer gekannt hat. In leuchtend orange-braun gemustertem Gewand steht sie draußen vor dem Fenster und schließt die Läden. Vor ein paar Monaten hat die 68-Jährige aufgehört, im Albert Schweitzer-Hospital zu arbeiten. 39 Dienstjahre hat sie hinter sich.
So ganz kann sie es noch nicht lassen, immer wieder auf das Krankenhausgelände zurückzukehren. Sie ist ein bekanntes Gesicht hier. Jeder kennt sie. Viele Patienten und Kollegen rufen ihr zu, grüßen und wissen, dass sie eine der Letzten ist, die Albert Schweitzer noch gekannt haben. Anne-Marie Badji-Babalou läuft in Flip-Flops los zu ihren Lieblingsplätzen auf dem Gelände des Hospitals. Erinnerungen an Albert Schweitzer werden wieder wach. Als sie an einstöckigen, hellgelben Gebäuden mit Wellblechdächern vorbeiläuft zeigt sie nach rechts,auf ein Fußballfeld großes Areal. Heute stehen hier Hütten.
"Früher waren hier überall Apfelbäume. Wir haben die Früchte vom Boden aufgesammelt und wenn Doktor Schweitzer vorbei kam, haben wir uns schnell versteckt. Danach sind wir zu den Mangobäumen gegangen und haben Mangos gestohlen."
Äußerlich war an Albert Schweitzer sein Tropenhelm das Auffälligste.
"Er trug immer eine Bundfaltenhose und große Schuhe. Er war ein großer Mann, hatte einen Schnauzbart und wilde ungekämmte Haare. Eine Krawatte hatte er nie um, sondern immer eine Fliege. Wenn er seine Runde machte, hatte er immer die Hände auf dem Rücken. Wir nannten ihn immer 'Le Grand Docteur', den Großen Doktor, denn er war der erste bekannte Arzt, der hierher kam."
Anne-Marie läuft den Weg übers Gelände weiter in Richtung Ogué-Fluss. In den Hütten, an denen sie vorbeikommt, hatte sie auch mal ein Zimmer. Albert Schweitzers Wohnhaus ist heute noch vollständig erhalten und zu einem Museum ausgebaut. Anne-Marie steigt die Stufen hinauf zum Eingang.
Schweitzers Arbeitszimmer, sein Wohnzimmer, Mikroskope und seine Lederkoffer von seiner Schiffsreise sind im Museum aufbewahrt. Alles liebevoll restauriert. Auf seinem Schreibtisch liegt die Nobelpreisurkunde von 1952, in einer Plastikhülle. Anne-Marie steuert zielstrebig auf das Regal zu, nimmt ein Buch heraus. Ein Bildband über Albert Schweitzer. Sie blättert und zeigt auf ein Foto.
"Und das hier ist mein Vater. Er war Chefpfleger bei Schweitzer, er war der einzige, der ein bisschen Lesen und Schreiben konnte."
Anne-Marie winkt Silvia Njundu, die Museumsmitarbeiterin, zu sich her und fragt, ob im Museum außer den restaurierten Zimmern noch etwas Besonderes von Schweitzer stehe. "Gleich im Raum nebenan", sagt Silvia, "da steht sein Klavier".
"Das ist das zweite Klavier von Albert Schweitzer. Es war nach dem Transport etwas kaputt, deshalb hat er es hier in Gabun reparieren lassen und seit 1938 stand es in seinem Esszimmer. Er hielt dort Gottesdienste und spielte auch bei Hochzeitszeremonien. Noch schöner war aber sein erstes Klavier mit Orgelpedalen. Das steht heute allerdings im Albert Schweitzer Museums in Günsbach, wo er aufgewachsen ist. Das Klavier war so gebaut, dass extremes Klima wie hier in Gabun dem Klavier nichts anhaben konnte. Es war daher aus sehr hartem Ebenholz gebaut, und Termiten konnten auch nicht eindringen. Gleichzeitig war es so auch gegen Feuchtigkeit geschützt."
Tatsächlich sieht das Klavier noch gut erhalten aus, als könne sich Albert Schweitzer gleich wieder dransetzen und spielen.
"Die Lust zum Spielen bekam Schweitzer in den Abendstunden. Oft zwischen 10 Uhr abends und ein Uhr nachts setzte er sich ans Klavier und hatte dabei viele neue Ideen für den nächsten Tag. Albert Schweitzer war auch ein großer Komponist und spielte Musikwerke von Bach. In Europa hat er über 480 Orgelkonzerte gegeben. Und die Einnahmen kamen dem Hospital in Lambarene zugute. Ohne die gäbe es das hier alles nicht."
Nach Schweden, Spanien, in die Schweiz, nach England und Dänemark ist Schweitzer gereist, um Orgelkonzerte zu geben. Geübt hat er dafür in seinem Musikzimmer in Lambarene. Der Klang war oft auf dem Hospitalgelände zu hören.
"Als wir uns am Ogoue gewaschen haben, hörten wir ihm beim Orgel spielen zu. Dabei haben wir natürlich Lärm gemacht, wie das bei Kindern so ist. Schweitzer konnte das nicht ertragen, wenn er Musik gespielt hat. Das hat ihn genervt. Er schickte dann einen Arbeiter, der unsere Klamotten wegnahm, um uns Angst zu machen."
Anne-Marie verlässt das Museum und geht runter zum Fluss an die Anlegestelle: ihr Lieblingsplatz. Hier hat sie mit einem besonderen Freund sehr oft gespielt - mit Parzival, Schweitzers Pelikan.
"Der Pelikan war unser Spielkamerad, als wir Kinder uns am Ogoue-Fluss gewaschen haben. Wir haben zusammen gespielt und er war wie ein Kind. Als der Doktor sich zurückgezogen hatte, um zu schreiben, ist der Pelikan runter zur Anlegestelle gewatschelt. Wir haben dann mit ihm gespielt und sind getaucht. Auch der Pelikan ist dann untergetaucht und hat uns im Wasser gesucht. Er war immer um uns herum und auch sehr zahm."
Anne-Marie Badji-Bablou verlässt den Ogoue-Fluss und das Krankenhausgelände. Sie selber sucht nach 39 Dienstjahren eine neue Aufgabe.
"Mein Traum ist, hier ein kleines Restaurant zu eröffnen, mit gabunesischen Speisen. Es würde wahrscheinlich Restaurant Schweitzer heißen, weil er wie mein Vater war. Ich werde ihn immer in meinem Herzen tragen und ihn nicht vergessen."