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Der Verein Schul-TiD in Bad Segeberg

In Bad Segeberg triumphiert nicht nur bei den Karl-May-Festspielen die Gerechtigkeit - sondern dank einiger resoluter Mütter, die den Verein Schul-TiD gegründet haben, auch an der Schule. Schul-TiD ist unüberhörbar plattdeutsch für "Schulzeit" - es steht aber auch für "Transparenz, Information und Demokratie in Schulen".

Von Agnes Steinbauer |
    Der Hauptgrund war Frust. Wir sind Mütter gewesen, die enttäuscht von der Schule waren. Und haben dann gesagt: So kann das nicht weiter gehen. Wenn wir unseren Kindern und anderer Leute Kinder helfen wollen, dann müssen wir aktiv werden.

    Sagte sich Magret Bonin und griff zur Selbsthilfe. Mit anderen vorwiegend allein erziehenden Müttern gründete sie den Verein Schul-TiD - für "Transparenz, Information und Demokratie in Schulen". Voraus gegangen waren negative Erfahrungen ihrer drei Kinder im Unterricht. Eine Grundschullehrerin brachte für Magret Bonin das Fas zum Überlaufen:

    Nach dem ersten Schuljahr meines Sohnes. Da hab ich gesagt: Also, das ist eine Beurteilung, die ist - darf ich "unter aller Sau" sagen?

    Bonin ist heute noch sichtlich empört: Die Lehrerin habe nur die Rechtschreibschwäche ihres Sohnes gesehen, aber nicht seine außergewöhnlich guten Leistungen in Mathematik:

    Es war überhaupt keine Motivation für den Jungen zu erkennen. Er wurde eigentlich fast in allem abqualifiziert.

    Ergebnis: Schulfrust und Verunsicherung - das beobachtete Bonin nicht nur bei ihren eigenen Kindern. Nach dem "Kraftakt", den Sohn in die Parallelklasse versetzen zu lassen, wo er sich wohl fühlte, war für die resolute Vereinsgründerin aus Bad Segeberg klar:

    Schule lässt sich beeinflussen, dadurch, dass etwas öffentlich wird und Schule ist deshalb so problematisch, weil vieles hinter verschlossenen Türen stattfindet.

    Deshalb war die Zeit reif für "Schul-TiD". 2002 startete der Verein mit "einer Hand voll Gründungsmitgliedern" . Schon ein Jahr früher war die damalige Selbsthilfegruppe mit einem Radioprogramm im offenen Kanal Lübeck auf Sendung gegangen. Heute, so Bonin stolz, "funken wir dreimal im Monat von Radio Bad Segeberg aus dazwischen" - mit Magret Bonin am Mikrofon.

    Bonin informiert mit ihrem Vereins-Radio-Team über Neuigkeiten aus den Bereichen Schule und Bildung. Sie erklärt Details aus dem schleswig-holsteinischen Schulgesetz oder berichtet über örtliche Veranstaltungen. Vor allem aber will Schul-TiD Eltern anstacheln, sich zu informieren, Schule kritisch zu hinterfragen und "eigenmächtig" zu handeln. Seit das Projekt auf Landesebene EU-Fördergelder gewonnen hat, bringen die Schul-TiD-Leute auch ein Schulmagazin und einen Familienkalender heraus. Eine der Mitarbeiterinnen ist Michaela Müller. Ihr Sohn sollte in Nordrhein- Westfalen auf eine Sonderschule, statt, wie sie wollte, auf eine integrative:

    Die Lehrer und das Gericht sagte, mein Junge wäre zu dumm, und da hab ich dann kurzer Hand die Sachen gepackt und bin nach Schleswig-Holstein gezogen.

    Michaela Müllers Sohn ist zwar jetzt schulisch gut aufgehoben, findet sie. Es gelte aber, für ihn und andere Kinder weiter am Ball zu bleiben. Für den Verein gibt es noch viel zu tun. Etwa im Bereich "Benotung". Das wurde Magret Bonin deutlich nach einem Gespräch mit einer Gesamtschullehrerin:

    Die erzählte mir voller Stolz, dass in ihrem Deutschkurs nur eine Schülerin eine Zwei hatte und das meinte sie als Beispiel für einen guten, starken Leistungskurs. Da verkehrt sich die Intention, Schüler mit guten Noten zu motivieren, dahingehend, dass man sagt: Ich muss denen schlechte Noten geben, dann werden sie besser.

    Dank ihrer kritischen Mutter sind alle Bonin-Kinder erfolgreich an Schulen, von denen die Lehrer vorher abgeraten hatten. Wenn sie sich an die Schulart-Empfehlung gehalten hätte, würde ihre Älteste nächstes Jahr nicht Abitur machen...Auch wenn Schul-TiD keine direkten Reaktionen hervorruft - indirekt bekommt Magret Bonin zu spüren, dass sie mit ihrem Verein an ein Tabu rührt - etwa wenn ihr verboten wird, an den Pinnwänden einer Grundschule Informationen für Eltern auszuhängen oder ihr Schulmagazin auszulegen:

    Ich habe mich immer gewundert, wo die Widerstände herkamen, bis ich gemerkt habe, dass es tatsächlich vom Lehrerkollegium nicht gewollt ist.