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"Der Verwaltungsrat, in dessen Haut möchte ich nicht stecken"

"Zu teuer gekauft, in zu kurzer Zeit abgewickelt, zu oberflächlich behandelt" - das Urteil der Vize-Vorsitzenden der bayerischen Landesbank-Kontrollkommission im Fall Hypo Alpe Adria ist vernichtend. Inge Aures (SPD) geht aber noch weiter: Man habe Anzeige erstattet gegen den Verwaltungsrat der Hypo-Eignerin Bayern-LB.

15.12.2009
    Gerwald Herter: Das Balkan-Abenteuer der Bayerischen Landesbank ist dramatisch zu Ende gegangen, wenn man jetzt überhaupt schon von einem Ende sprechen kann. Bayern-LB-Chef Michael Kemmer ist gestern Abend zwar zurückgetreten. Welche finanziellen und politischen Auswirkungen die Verluste der Landesbank-Tochter Hypo Alpe Adria jedoch noch haben werden, ist derzeit nicht absehbar. Es geht um etwa 3,7 Milliarden Euro an Verlusten. Mein Kollege Jürgen Liminski hat darüber mit der bayerischen SPD-Landtagsabgeordneten Inge Aures gesprochen. Er hat sie gefragt, ob die Verstaatlichung der Hypo Alpe Adria zu erwarten war.

    Inge Aures: Was heißt, war es zu erwarten? Welche Möglichkeiten gab es denn? Es gab drei Möglichkeiten aus meiner Sicht: Das war die erste Form der Insolvenz, die zweite Form eine mögliche Verstaatlichung durch das Land Österreich und als Drittes hätte der Freistaat oder die Landesbank noch mal 1,5 Milliarden einschießen sollen. Das waren die drei Varianten und jetzt hat man sich halt auf die Verstaatlichung letzten Endes eingeschossen.

    Jürgen Liminski: Das heißt, in jedem Fall ein Verlustgeschäft. Warum haben Sie oder Ihre Partei da nicht früher Krach geschlagen?

    Aures: Ich bin seit Februar in dieser Landesbank-Kontrollkommission. Ich habe keine Möglichkeit ausgelassen, dauernd Krach zu schlagen. Ich habe darauf hingewiesen, welche Fehler da anscheinend in der Vergangenheit gemacht worden sind, und das ist uns ja jetzt auch bestätigt worden. Es gab ja ein Gutachten von der Frau Linner, die im Auftrag unseres Ministers Fahrenschon praktisch für die Landesbank diesen Kauf der Hypo Alpe Adria noch mal unter die Lupe genommen hat, und sie hat im Mai einen Bericht gegeben, der hat die Fehler alle aufgezeigt, und man höre und staune: Im Juli ist der Bericht sozusagen wieder eingestampft worden. Das heißt, man hat Druck auf diese Frau ausgeübt und sie ist dann umgefallen und hat das alles wieder relativiert. Aber die Fakten stehen nach wie vor im Raum und das kann ich auf wenige Punkte beschränken: zu teuer gekauft, in zu kurzer Zeit abgewickelt, zu oberflächlich behandelt und nicht tief eingestiegen, nicht sorgfältig vorbereitet. Der Verwaltungsrat, in dessen Haut möchte ich nicht stecken.

    Liminski: All das, was Sie jetzt aufgezählt haben, wird wahrscheinlich Gegenstand der Untersuchung des Ausschusses sein?

    Aures: Ja. Zunächst einmal ermittelt ja die Staatsanwaltschaft München schon gegen den Herrn Schmid und wir vonseiten der SPD und der Freien Wähler, wir haben jetzt noch eine Anzeige draufgesetzt und haben jetzt das auch angezeigt und haben aber den Rest des ganzen Verwaltungsrats mit einbezogen und auch den Vorstand, weil aus unserer Sicht müssen da alle praktisch untersucht werden, weil das kann nicht sein, dass solche Geschäfte zum Beispiel mit einem Umlaufbeschluss abgewickelt werden. Das heißt, man hat die Bank für 1,625 Milliarden gekauft und war eigentlich zu faul, noch mal nach München zu einer Sitzung zu fahren, hat einfach Umlaufbeschlüsse gemacht. Das ist fahrlässig gehandelt.

    Liminski: Der Verlust für Bayern beläuft sich auf 3,7 Milliarden Euro insgesamt. Gefährdet das den Haushalt? Wie kann Bayern das verkraften?

    Aures: Bayern hat ja letztes Jahr fast auf den Tag genau am 18. 12. schon 10 Milliarden dreingeschossen in die Bayerische Landesbank und das nur für diese ABS-Papiere und die toxischen Papiere, um die Kernkapitalquote zu erfüllen. Man hat uns dauernd jetzt glauben gemacht, dass die Landesbank wohl die 1,5 Milliarden Verlust noch verkraften könnte, aber da habe ich meine Zweifel. Die 3,7 Milliarden, die jetzt rund im Raum noch stehen, die wird man so schnell nicht wegstecken können, aber das Geld, was praktisch reingesteckt worden ist, das ist aus meiner Sicht weg.

    Liminski: Und was bedeutet das für Bayern?

    Aures: Für Bayern bedeutet das, die 10 Milliarden, die derzeit zu Buche schlagen, sind mit 400 Millionen veranschlagt. Das heißt, pro Jahr zahlt Bayern allein nur 400 Millionen an Zinsen für diese 10 Milliarden. Es kommt jetzt darauf an. Es ist ja auch vom obersten Rechnungsprüfungshof schon gerügt worden, dass man bisher nicht einmal noch einen Tilgungsplan vorgelegt hat. Man hat überhaupt nicht aufgezeigt, wie man den Steuerzahler sozusagen wieder entlasten will und das Geld wieder zurück in die Kassen führt.

    Liminski: Die Fahrlässigkeit ist eine Seite, die Wirtschaftlichkeit eine andere. War denn die Verstaatlichung notwendig? Hätte man die Bank nicht auch einfach Pleite gehen lassen können?

    Aures: Man spricht ja von österreichischer Seite her, dass es eine systemrelevante Bank sei, und da geht es nicht so einfach, dass man die praktisch an die Wand fährt, weil viele andere Banken ja damit verhaftet sind, gegenseitig sich Kredite ausgereicht haben. Ich würde es mal versuchen, so darzustellen: Das wäre wie Lehman Brothers im kleinen. Geht diese Bank über die Wupper, zieht es dann sozusagen hinterher einen Riesen Schwanz an anderen Banken nach, und ich glaube, dass das Land Österreich das jetzt endlich erkannt hat. Aber es scheint ja so zu sein, dass das erst auf Druck der EU letzten Endes beziehungsweise der EZB dann zu Stande kam, dass dieser Finanzminister in Österreich erst mal aufgewacht ist.

    Liminski: Bei der Frage der Verantwortlichkeiten für das Disaster sind schon einige Köpfe gerollt. Der Chef der Landesbank ist zurückgetreten. Wer kann denn noch zur Verantwortung gezogen werden?

    Aures: Zunächst einmal ist der damalige Verwaltungsrat natürlich immer noch vorhanden. Die sind ja noch vorhanden, die ganzen Herren. Da stehen noch zwei in der Verantwortung: der Georg Schmid – der ist derzeit ja noch der Fraktionsvorsitzende der CSU im bayerischen Landtag; der kann seinen Posten jetzt räumen und wird ihn wohl auch räumen müssen. Der nächste ist der Herr Huber, der jetzt sogar den Wirtschaftsausschuss des Landtages leitet, und da stellt man sich schon einige Fragen. Die CSUler, die scheinbar das Rechnen nicht gelernt haben und auch nicht können, die sind jetzt nach wie vor in solchen Posten drin. Ich finde, das muss noch durchschlagen. Der Oberbürgermeister aus Regensburg war auch damals schon in der Verantwortung, ist auch jetzt noch mit von der Partie. Also der ganze Verwaltungsrat, angefangen vom Herrn Beckstein, vom Herrn Dr. Faltlhauser natürlich, der federführend war, und einen darf man nicht vergessen: das ist der Dr. Naser, unser Sparkassenpräsident. Damals hat er ja die Nase ziemlich weit vorne und jetzt duckt er sich weg, aber auch er war maßgeblich dafür zuständig, dass diese Hypo Alpe Adria gekauft worden ist.

    Liminski: Frau Aures, die Wirtschaftsdaten hellen sich insgesamt auf, aber es geht dennoch eine große Bank Pleite, wie diese eben, oder muss verstaatlicht werden und andere Finanzinstitute haben Engpässe wie Abu Dhabi und Griechenland steht vor dem Kollaps. Sind das Folgen der Finanzkrise, oder Vorboten einer neuen Welle?

    Aures: Das sind natürlich Teile der alten Finanzkrise, wobei viele Finanzkrisen hausgemacht sind. Die Hypo Alpe Adria ist ein Paradebeispiel dafür. Die betreiben Hotels, da stehen Mitarbeiter auf der Lohnliste der Bank, die haben eine Bedarfsflug GmbH, also eine eigene Cessna, die fast 5 Millionen kostet. Da muss man sagen, das war Großmannssucht, die sich dahinter verbirgt, und sicher sind auf den Finanzmärkten jetzt viele Gelder verschwunden, aber man merkt ja jetzt schon, dass alle wieder munter mitspielen. Ich finde, da ist die Bankenaufsicht schon gefordert und vor allem die EU. Es geht um Bonuszahlungen und und und. Die Steuerzahler draußen, die Wirtschaftsunternehmen, die das Geld beibringen, das dann hier verjubelt wird, die haben kein Verständnis mehr dafür, und auch nicht die kleinen Steuerzahler, der Arbeiter, der mühsam sein Geld zusammenkratzen muss, dass hier das Geld rund um den Globus vertan wird. Da ist keine Wertschöpfung damit verbunden und ich denke, damit muss jetzt mal Schluss sein.

    Liminski: Letzte Frage, Frau Aures. Angesichts all dieser Dinge, die sich da im Finanzsektor ereignen, sind Sie für eine Besteuerung von Boni der Banker?

    Aures: Wäre ich dafür, ja. Wer gut verdient, soll auch gut Steuern zahlen.

    Liminski: Es besteht noch erheblicher Aufklärungsbedarf in der neuen Bankenaffäre. Das war Inge Aures, sie ist für die SPD im Landtag und stellvertretende Vorsitzende der Landesbank-Kontrollkommission. Besten Dank für das Gespräch, Frau Aures.

    Aures: Ich bedanke mich auch.