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Der Wald, der aus der Kälte kam

Ökologie. - Kiefern und Fichten gehören zu Skandinavien wie die Eichen zu Deutschland. Bisher galten diese Nadelbäume als Einwanderer, die Skandinavien erst nach der letzten Eiszeit besiedelt haben. Doch nun berichten schwedische und dänische Forscher im Fachblatt Science, dass Kiefern und Fichten ihre Heimat gar nicht verlassen haben.

Von Christine Westerhaus |
    Während der letzten Eiszeit war die skandinavische Halbinsel eine ziemlich unwirtliche Gegend. Gewaltige Eismassen überzogen die Landschaften und für die meisten Lebewesen wurde es zu kalt im Norden. Sie starben entweder aus oder wanderten in den Süden ab. Bisher gingen Forscher davon aus, dass auch Fichten und Kiefern erst wieder nach Skandinavien einwanderten, als sich die Gletscher bereits zurückzogen hatten. Doch Eske Willerslev und seine Kollegen haben nun genetische Hinweise darauf gefunden, dass diese Nadelbäume ihre Heimat selbst auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit nicht verlassen haben.

    "Wir sind einer Frage nachgegangen, die unter Wissenschaftlern schon seit Jahrzehnten intensiv diskutiert wird: Können Bäume oder andere Pflanzen während der letzten Kaltzeit in eisfreien Refugien überlebt haben? Das ist eine wichtige Frage, denn nur so können wir verstehen, wie sich Lebewesen nach einer Eiszeit wieder ausbreiten und wie schnell sie eine Region wiederbesiedeln können."

    Der Paläogenetiker von der Universität Kopenhagen vermutet, dass der skandinavische Fichtenwald im Nordwesten von Norwegen überdauert hat.

    "Wir finden in Skandinavien zwei verschiedene genetische Varianten von Fichten. Eine dieser Varianten finden wir nur hier und nirgendwo anders in Europa. Und genau dieses Verteilungsmuster würde man erwarten, wenn eine Population von Fichten auch während der Eiszeit in Skandinavien überlebt hat."

    Um ihre Hypothese zu stützen, untersuchten die Forscher auch Sedimente von Seen, die im Nordwesten Norwegens liegen. Auch hier fanden die Wissenschaftler DNA-Spuren von Fichten, Kiefern und anderen Pflanzen, die bereits während der letzten Kaltzeit dort gelebt haben müssen. Eske Willerslev vermutet, dass es solche Rückzugsgebiete nicht nur in Skandinavien, sondern auch auf anderen Kontinenten gab.

    "Ich sehe keinen Grund, warum es sie nicht auch zum Beispiel in Nordamerika gegeben haben soll. Und dass es diese Refugien gibt, wirft ein völlig neues Licht auf die Geschwindigkeit, in der Flächen nach einer Eiszeit wieder neu besiedelt werden. Bisher hieß es immer, dass sich Bäume nach klimatischen Veränderungen sehr schnell wieder ausbreiten können. Wenn sie aber kalte Perioden in eisfreien Refugien überdauert haben, besiedeln sie das Land ganz einfach nur deswegen schnell, weil sie sowieso schon in der Gegend waren."

    Eske Willerslev geht davon aus, dass nicht nur Nadelhölzer wie Kiefern und Fichten die letzte Eiszeit in Skandinavien überdauert haben. Auch andere Pflanzen und sogar Lemminge, Mäuse und manche Vogelarten haben in eisfreien Refugien überwintert, vermutet der Forscher.

    "Wir sind immer davon ausgegangen, dass Bäume aussterben oder in den Süden ausweichen, wenn es kalt wird. Doch unsere Studie zeigt, dass diese Gewächse massive klimatische Veränderungen überlebt haben und geblieben sind. Und das kann sehr gut auch bei anderen Organismen der Fall sein. Damit haben unsere Ergebnisse auch Auswirkungen auf die Folgen des Klimawandels, denn sie zeigen, dass manche Organismen widerstandsfähiger sind, als wir gedacht haben."

    Dass es in Skandinavien Nadelhölzer gibt, denen offenbar nicht mal eine Eiszeit etwas anhaben kann, könnte auch in Zuchtprogrammen genutzt werden, meint Eske Willerslev. Aus diesen Bäumen ließe sich sehr wahrscheinlich besonders widerstandsfähiges Holz gewinnen.