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Der Waldorf-Kindergarten im Forum Kreuzberg

Drei Kinder sitzen am naturbelassenen Holztisch im Morgenlicht und blicken verträumt. Maria Seifert, bald fertig ausgebildete Waldorf-Erzieherin verteilt angefeuchtete Aquarellpapierbögen.

Von Jacqueline Boysen |
    " Sie dürfen ankommen, etwas malen und dann ins Spiel gehen. Dass sie beides am Morgen hatten, das ist mir wichtig. "

    Phillip malt mit dicken Pinselstrichen blaue Wellenlinien und Anna schaut zu, wie sie verlaufen. Der vierjährige Augustin rührt versonnen in einem Napf mit roter Farbe.

    " Wir haben drei Grundfarben, rot, gelb und blau, Pflanzenfarben, die werden angerührt und verdünnt, dass sie auf dem Blatt zerfließen können. Dass sie gar nicht in Versuchung kommen, abzumalen, sondern, dass aus der Farbe etwas entsteht, was fließt. "

    Im freundlich-hellen Nachbarraum ist es unruhiger: Ein umgedrehter Tisch dient zwei herumtollenden Fünfjährigen als Boot, aus großen Körben nehmen sie Holzspielzeug und Tücher in gedeckten Farben an Bord

    " Wir spielen Fischerboot. Hier ist der Anleger. "

    Ein paar Kinder ziehen Perlenketten auf. Jule lässt sich von Erzieherin Daniela Weinkauf zeigen, wie sie eine blassrote Wollblüte auf ein selbst genähtes Puppenkleid nähen kann

    " Wieder durch die Blüte stechen. Prima. "

    Für Birgit Langhans, selbst Waldorferzieherin, stand außer Frage, dass ihr vierjähriger Sohn auch anthroposophisch erzogen wird:

    " Der Hauptpunkt liegt darin, dass man den Kindern viel Raum gibt, ihre Phantasie zu entwickeln, kreativ zu spielen, indem man sie nicht mit Angeboten überfrachtet, sondern sehr schlichtes Spielzeug anbietet. Dann die musische Erziehung mit dem Singen und dem Reigen . Und die Naturpädagogik. Auch wichtig ist, die meisten haben einen kleinen Garten. "

    Sie stellt einen Strauß frischer Feldblumen auf den Tisch und greift zur Häkelnadel

    " Das gibt so ein langes Band, ein Schneckenband. Mein Sohn war hellauf entzückt, auch eines zu haben. Damit kann man unendlich viel spielen, alles machen und das ist ein Prinzip der Waldorfpädagogik. "

    Zeit zum Aufräumen: Die Handarbeiten werden verstaut und die beiden kleinen Bootsfahrer verwandeln ihr Gefährt wieder in einen Tisch. Alle heute anwesenden 14 Kinder fassen sich bei den Händen für das tägliche Singspiel, den Reigen.

    Aufmerksam imitieren die zwischen drei und sieben Jahre alten Kinder der Sternengruppe die Tanzbewegungen ihrer Erzieherin Daniela Weinkauf.
    Erst sind es nur ihre Finger, die das Käfergekrabbel zeigen, schließlich wiegen sich alle Kinder konzentriert wie die besungenen Halme im Wind.

    " Es ist viel im Reigen mit dem nach Innengehen, nach Außengehen, schnell, langsam, ohne dass man das extra erklären muss und man sieht die Bewegungsfreude der Kinder, wie es ihnen Spaß macht. "

    Erzieherin Daniela Weinkauf reicht ihrer Kollegin Nina Raddatz ein Fläschchen Wildrosenöl:

    " Wenn ich in einen staatlichen Kindergarten gekommen bin, ist mir schon der Geruch aufgefallen. Hier sollen sich die Kinder wie zu Hause fühlen. Die Kinder spielen ganz anders, ganz phantasievoll, sind auch glücklicher . Und die Erzieherin ist ganz ruhig, sitzt da und kann genießen, dass die Kinder spielen - die Arbeit macht auch mehr Spaß. "