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Der Wandel des Landwirtschaftskammer-Gesetzes in Schleswig-Holstein

In Schleswig-Holstein gibt es seit einiger Zeit eine heftige Diskussion über die künftige Gestaltung der Landwirtschaftskammer. Die Kontroverse wird bundesweit neugierig beobachtet von den Agrarverbänden, denn sie könnte Nachahmung finden. Das ist aber nicht im Sinne vieler Landwirtschaftsvertreter, die in einer Umgestaltung der Kammern eine weitere Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen der Landwirtschaft sehen. In Schleswig-Holstein tagt heute dazu der Agrarausschuss des Landtages. Und im Vorfeld dieser Anhörung gab es gestern Abend in Neumünster auch schon eine Podiumsdiskussion.

von Annette Eversberg |
    Landwirtschaftskammern sind wie die Industrie und Handelskammern Organe der Selbstverwaltung. Dieser Gedanke stammt aus dem 19. Jahrhundert und geht auf den preußischen Verwaltungsreformer Freiherr vom Stein zurück. Traditionell übernehmen die Landwirtschaftskammern einen Teil staatlicher sowie gesellschaftspolitischer Aufgaben. Die Beratung von Landwirten, ihre Aus- und Weiterbildung und die Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis gehören seit je her zu den Kernaufgaben der Landwirtschaftskammern, die den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts haben. Noch ehe von der Agrarwende die Rede war, wurden die Landwirtschaftskammern von der Modernisierungswelle in den öffentlichen Verwaltungen erfasst. Und man stellte sich die Frage, ob diese Agrarverwaltungen überhaupt noch nötig seien. In Schleswig-Holstein wurde deshalb das Kammergesetz von 1998 bereits wieder novelliert, erläutert der Staatssekretär im Ministerium für ländliche Räume, Aloys Altmann:

    Wir haben in den letzten Jahren erlebt, dass bei dem allgemeinen Wandel in der Gesellschaft und dem Strukturwandel in der Landwirtschaft auch die Landwirtschaftskammer sich den Veränderungen anpassen muss. Und es ist auch eine Frage der Ressourcen, die wir für die Kammer bereitstellen können. Und das ging nur auf dem Wege der Änderung des Kammergesetzes, deshalb haben wir die auch jetzt auf den Weg gebracht und werden die im Laufe des Jahres noch zum Abschluss bringen.

    7 Millionen statt ursprünglich rund 22 Millionen DM sollen der schleswig-holsteinischen Landwirtschaftskammer ab 2004 nur noch zur Verfügung stehen. Neben den Umlagen, die sich aus der Zwangsmitgliedschaft der Betriebe ergeben, und den Gebühren für Dienstleistungen. Das deckt kaum die Kosten und schon gar nicht die Aufwendungen für die Zahlung der Pensionen ehemaliger Mitarbeiter. Marquard Gregersen, Geschäftsführer der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein befürchtet, dass dieses Beispiel auch in anderen Bundesländern Schule machen könnte:

    Das Land Schleswig-Holstein als Agrarland ist ja auch dafür bekannt, dass es den Entwicklungen in anderen Regionen vorauseilt. Ich denke, wir sind zur Zeit am stärksten gefordert in unserem Restrukturierungs- und Anpassungsbedarf.

    In Nordrhein-Westfalen konnte der Druck auf die Landwirtschaftskammer bisher dadurch abgefangen werden, dass sie ganz eindeutig staatliche Aufgaben übernahm, wie die Verwaltung und Vergabe der EU-Mittel für die Landwirtschaft. Für den Kieler Verwaltungsjuristen, Albert von Mutius, besteht dagegen an einem Reformbedarf der Landwirtschaftskammern kein Zweifel. Allerdings muss dieser über die Frage der Finanzierung hinausgehen:

    Das Aufgabenverständnis der Ministerialebene hat sich ja insofern mit Recht geändert, als gesehen wird, es geht nicht nur um Landwirtschaft, es geht um Verbraucherschutz, es geht um Landschaftsökologie, es geht um Tourismus, es geht um Naturschutz- und Landschaftsplanung und diese Dinge. Und eine Gestaltung des ländlichen Raums. Und was für die Ministerialebene gilt, muss im Grunde genommen auch für die Substrukturen gelten. Und dazu gehört auch die Landwirtschaftskammer. Und das ist im Grunde genommen eine Umsetzung des Grundgedankens, dass man Landschaftsschutz, Naturschutz nur mit den Menschen vor Ort machen kann und nicht gegen sie.

    Ein Vorzug für eine breitere Basis der Mitwirkung ist die grundsätzliche Trennung zwischen Landwirtschaftskammern und berufsständischer Vertretung, den Landesbauernverbänden. Eine solche Trennung gibt es bei den Industrie- und Handelskammern nicht. Doch diese formale Struktur reicht aus der Sicht von Albert von Mutius im Sinne einer modernen Selbstverwaltung noch nicht aus:

    Selbst wenn man es so belässt, dann ist es ja völlig unbestreitbar, dass man durch die Veränderung der Strukturen im ländlichen Raum den Kreis der Mitwirkenden über die Land- und Fischereiwirte im engeren Sinne erweitert auf andere Verantwortungsträger, die dort Verantwortung übernehmen - solche Sondergruppen haben wir heute schon - nur wir haben keine Berücksichtigung von Minderheiten im eigentlichen Sinne. Und deshalb ist das alles noch nicht, wie es sein könnte, bei den wirklichen Strukturen im ländlichen Raum.