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Detektivarbeit auf dem Mars

Planetologie. - Es war ein wenig wie in der Oskarnacht - und der Gewinner ist: Opportunity. Der Marsrover, der in der Nacht vom 24. Januar in Meridiani Planum gelandet ist, hat direkt vor seiner "Nase" die Antwort auf eine der wichtigsten Fragen bei der Erforschung des Mars gefunden: Gab es dort jemals viel flüssiges Wasser? Ja, konnte die NASA am Dienstagabend nach einer nur zwei Wochen dauernden Untersuchung der Steine verkünden.

Von Dagmar Röhrlich |
    Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass diese Gesteine einmal von flüssigem Wasser durchtränkt waren. Auf Ihre Frage: Haben sich diese wunderbaren, geschichteten Gesteine in flüssigem Wasser gebildet - lautet die Antwort: Yeah.

    Ja - erklärt Steve Squyres von der Cornell-University. Dann erläutert er die Kette von Indizien, die belegt, dass es auf dem Mars sehr viel flüssiges Wasser gegeben hat:

    Da sind erstens diese kleinen Kügelchen, die nur ein paar Millimeter groß sind und denen wir den Spitznamen Blaubeeren gegeben haben, weil sie aussehen wie Blaubeeren in einem Muffin. Wir wussten nicht, was diese kleinen harten Dinger sind und haben sie deshalb mit unseren Kameras und Mikroskopen untersucht. Wir glauben jetzt, dass es sich dabei um das handelt, was Geologen Konkretionen nennen.

    Konkretionen sind Gebilde, die im Stein wachsen, wenn mit Chemikalien beladene Lösungen durch ihn zirkulieren und irgendwo auf einen Keim treffen. Um den kristallisieren dann Minerale - und so entstünden die Mars-Blaubeeren. Das zweite Indiz sind seltsame Löcher im Stein:

    Diese Löcher sind nicht rund, sondern flach, vielleicht einen Zentimeter lang und einen oder zwei Millimeter hoch. Sie sind wild durcheinander gewürfelt, als wären Pennies hinein geworfen worden, die sich dann "davongemacht" haben.

    Auf der Erde entsteht so etwas, wenn in einem Gestein aus zirkulierenden Lösungen Gipskristalle wachsen, die später durch die Verwitterung herausgelöst werden. Das dritte Indiz – einen hohen Schwefelgehalt – lieferte die chemische Analyse. Und viertens fiel bei der Mineralzusammensetzung ein Mineral namens "Jarosit" auf. Dieses wasserhaltige Eisensulfat bildet sich auf der Erde bei der Verwitterung von Eisenlagerstätten oder wenn sulfathaltige Wässer durch einen Stein fließen.

    Die Kombination aus den potentiellen Konkretionen, den Pennie-Löchern, die vielleicht von Gipskristallen erzählen, dem Schwefelreichtum und den Sulfatmineralen, wenn man das zusammennimmt, ist die Schlussfolgerung: Diese Steine sind in flüssigem Wasser entstanden.

    Bei einem Salzgehalt von 40 Prozent an Jarosit und anderen Magnesiumsulfaten ist kaum etwas anderes vorstellbar. Wasser – und zwar flüssig – hat eine große Rolle gespielt. Nur: Was ist passiert? Gab es am Landeplatz von Opportunity einmal einen See - oder veränderte Wasser im Boden das Marsgestein? Beide Möglichkeiten sind offen, erläutert John Grotzinger vom Massachusetts Institute of Technology:

    Ob dieses Gestein ursprünglich eine feinkörnige Basaltasche gewesen ist, die anschließend von sulfathaltigen Lösungen durchflossen und dabei chemisch vollständig umgewandelt wurde, wissen wir nicht. So etwas passiert heute auf Hawaii. Die Steine können aber auch als Sedimente in einem verdunstenden See entstanden sein, auch dafür gibt es viele Beispiele auf der Erde. In einer Woche bis zehn Tagen werden wir es hoffentlich wissen.

    Denn dann hat man "Last Chance" untersucht, einen Stein ganz in der Nähe. In ihm hoffen die Forscher Anzeichen für typische Sedimentstrukturen zu sehen: die so genannte Kreuzschichtung. Sie entsteht bei Strömungsänderungen, und zwar im Wasser, in der Luft oder in vulkanischen Aschen. Die Frage nach der Entstehung der Sulfate ist auch deshalb nicht leicht zu beantworten, weil man derzeit weder ein Seebecken noch ein Flussbett erkennt, in dem Wasser gestanden haben könnte:

    Deshalb habe ich diesen Schritt auch noch nicht vollzogen. Ich bin überzeugt, dass sehr viel Wasser durch diese Gesteine geflossen ist, aber ich bin nicht hundertprozentig überzeugt, dass die Steine als Sediment in einem Gewässer entstanden sind. Wir glauben aber, dass der Mars einmal lebensfreundlich gewesen ist. Das bedeutet nicht, dass es dort Leben gegeben haben muss - aber er könnte an einem Punkt in seiner Geschichte einmal bewohnbar gewesen sein.