Wie normale Lemberg-Touristen sieht die Gruppe nicht aus: Zu fein das Tuch, zu dunkel die Farben, zu gepflegt das gesamte Äußere der Damen und Herren reiferen Alters, die da durch die Innenstadt laufen. Mittendrin und vorneweg, das wehende Silberhaar über der hohen Stirn: Klaus Reichert, Präsident der deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
"Wir haben gehört, dass es hier eine sehr, sehr lebendige, junge literarische Szene gibt, Autoren, die auch in Deutschland übersetzt sind. Wir kannten einige junge Autoren. Deswegen haben wir gesagt: Das wollen wir doch unterstützen. Das Interesse an der deutschen Sprache ist groß, und wenn wir so etwas hören, dann fahren wir doch hin."
Diesen Befund bestätigt Jurko Prochasko, ukrainischer Essayist und Musil-Übersetzer, der sich in beiden Sprachwelten frei bewegt.
"Die deutsche Sprache hat hier eine lange Tradition. Sie ist zwar verlernt, aber nicht vergessen. Das gilt insbesondere hier in der West-Ukraine. In Ostgalizien gilt Deutsch als eine der Weltsprachen, vielleicht die Weltsprache. Das liegt nicht nur an der Erinnerung an die kuk-Zeit, die hier mächtig verklärt wird, sondern auch durch die Nähe der deutschsprachigen Länder, und daran, dass im internationalen Kulturaustausch die deutschsprachigen Länder viel präsenter sind als unsere anderen Partner."
Wie man auch an der Auslandstagung der Akademie sieht, die der inzwischen auch in Deutschland sehr bekannte ukrainische Autor Juri Andruchowytsch mitorganisiert hat. Auch er spricht hervorragend deutsch. An Ansatzpunkten auf ukrainischer Seite mangelt es also nicht, nur ist den Deutschen die Region seltsam fremd, beobachtet die mitgereiste Schriftstellerin Felicitas Hoppe:
"Ich merke das hier an vielen Kollegen, dass viele hier seit ewigen Zeiten nicht waren, was mit unserer deutschen Geschichte zusammenhängt. Lemberg ist, aus Berlin gesehen, im Bewusstsein viel weiter weg als Madrid, obwohl es geografisch näher ist."
Historische Landschaftsbegriffe wie Bukowina, Galizien, oder der alte Stadtname Lemberg werden langsam vergessen, sind aber doch gerade in der Literatur verewigt, auch in der Weltliteratur. Große Namen stammen aus der Region, Paul Celan, Bruno Schulz, Josef Roth. Sie kommen von hier, skizzierten die Region - doch sie schrieben woanders, betont Übersetzer Prochasko.
"Einige haben die Stadt wegen ihrer Provinzialität verlassen, andere wurden deportiert und ermordet, andere sind geflüchtet. Die Tatsache ist aber, dass diese Stadt, obwohl wirklich literarischer Topos, dann doch keine Stadt der Weltliteratur ist. Die Weltliteratur über diese Stadt, aus dieser Stadt, um diese Stadt herum, wurde meistens woanders gemacht, nicht in Lemberg."
Derzeit erfindet sich die Stadt, nun das ukrainische Lviv, mal wieder neu: Als heimliches Zentrum der nationalorientierten West-Ukraine und als Brücke in den Westen, nur 80 Kilometer vor der polnischen EU-Grenze. Die deutsche Sprache ist für viele da der erste Anlauf, auch auf der Suche nach einem Westjob.
Und so haben die deutschen Dichter an der Schule Nummer 28 von vornherein eigentlich einen guten Stand. Dorthin sind sie geladen, vor Schülern zu lesen - wobei Felicitas Hoppe und Hanna Johansen doch etwas irritiert wirken, als die Direktorin die Schüler in der vollbesetzten Aula zum Einzug der Dichter stramm stehen lässt
Die nachfolgende Lesung gerät zum Fiasko - zum einen, weil die Mikrofone nicht funktionieren, zum anderen, weil Frau Johansen weder lauter noch deutlicher zu lesen in der Lage ist. Verstanden wird fast nichts, Fragen kommen nicht an, die Autorin wird sauer, die Lehrer rüffeln die Schüler, doch keiner macht, das es besser wird.
Die beiden älteren Schüler Andrej und Dani aber ärgert das nicht. Sie hätten sich sogar mehr Zeit gewünscht, um mit den deutschen Schriftstellern zu reden, sagen sie am Rande. Im Ukrainisch- und allgemeinen Literaturunterricht, erzählen sie, gibt es nur die alten Wälzer, die schwere Kost. Anders im Deutschunterricht, da lasen sie:
"Hau ab, Du Flasche!"
Das Jugendbuch über einen jungen Trinker hat die beiden begeistert, sie erzählen Details wie aus einem Kinofilm. Und kommen zum Schluss:
"In deutscher Literatur gibt es viele Bücher für Jugendliche - aktuell, ja, aktuell."
Generell stoßen deutsche Autoren im Ostteil des Kontinents auf größeres Interesse als in Frankreich, England, Amerika, hat es deutsche Literatur leichter. Nimmt man die Gymnasiasten der Schule Nummer 28 in Lviv zum Maßstab, dann dürfte das auch so bleiben.
"Wir haben gehört, dass es hier eine sehr, sehr lebendige, junge literarische Szene gibt, Autoren, die auch in Deutschland übersetzt sind. Wir kannten einige junge Autoren. Deswegen haben wir gesagt: Das wollen wir doch unterstützen. Das Interesse an der deutschen Sprache ist groß, und wenn wir so etwas hören, dann fahren wir doch hin."
Diesen Befund bestätigt Jurko Prochasko, ukrainischer Essayist und Musil-Übersetzer, der sich in beiden Sprachwelten frei bewegt.
"Die deutsche Sprache hat hier eine lange Tradition. Sie ist zwar verlernt, aber nicht vergessen. Das gilt insbesondere hier in der West-Ukraine. In Ostgalizien gilt Deutsch als eine der Weltsprachen, vielleicht die Weltsprache. Das liegt nicht nur an der Erinnerung an die kuk-Zeit, die hier mächtig verklärt wird, sondern auch durch die Nähe der deutschsprachigen Länder, und daran, dass im internationalen Kulturaustausch die deutschsprachigen Länder viel präsenter sind als unsere anderen Partner."
Wie man auch an der Auslandstagung der Akademie sieht, die der inzwischen auch in Deutschland sehr bekannte ukrainische Autor Juri Andruchowytsch mitorganisiert hat. Auch er spricht hervorragend deutsch. An Ansatzpunkten auf ukrainischer Seite mangelt es also nicht, nur ist den Deutschen die Region seltsam fremd, beobachtet die mitgereiste Schriftstellerin Felicitas Hoppe:
"Ich merke das hier an vielen Kollegen, dass viele hier seit ewigen Zeiten nicht waren, was mit unserer deutschen Geschichte zusammenhängt. Lemberg ist, aus Berlin gesehen, im Bewusstsein viel weiter weg als Madrid, obwohl es geografisch näher ist."
Historische Landschaftsbegriffe wie Bukowina, Galizien, oder der alte Stadtname Lemberg werden langsam vergessen, sind aber doch gerade in der Literatur verewigt, auch in der Weltliteratur. Große Namen stammen aus der Region, Paul Celan, Bruno Schulz, Josef Roth. Sie kommen von hier, skizzierten die Region - doch sie schrieben woanders, betont Übersetzer Prochasko.
"Einige haben die Stadt wegen ihrer Provinzialität verlassen, andere wurden deportiert und ermordet, andere sind geflüchtet. Die Tatsache ist aber, dass diese Stadt, obwohl wirklich literarischer Topos, dann doch keine Stadt der Weltliteratur ist. Die Weltliteratur über diese Stadt, aus dieser Stadt, um diese Stadt herum, wurde meistens woanders gemacht, nicht in Lemberg."
Derzeit erfindet sich die Stadt, nun das ukrainische Lviv, mal wieder neu: Als heimliches Zentrum der nationalorientierten West-Ukraine und als Brücke in den Westen, nur 80 Kilometer vor der polnischen EU-Grenze. Die deutsche Sprache ist für viele da der erste Anlauf, auch auf der Suche nach einem Westjob.
Und so haben die deutschen Dichter an der Schule Nummer 28 von vornherein eigentlich einen guten Stand. Dorthin sind sie geladen, vor Schülern zu lesen - wobei Felicitas Hoppe und Hanna Johansen doch etwas irritiert wirken, als die Direktorin die Schüler in der vollbesetzten Aula zum Einzug der Dichter stramm stehen lässt
Die nachfolgende Lesung gerät zum Fiasko - zum einen, weil die Mikrofone nicht funktionieren, zum anderen, weil Frau Johansen weder lauter noch deutlicher zu lesen in der Lage ist. Verstanden wird fast nichts, Fragen kommen nicht an, die Autorin wird sauer, die Lehrer rüffeln die Schüler, doch keiner macht, das es besser wird.
Die beiden älteren Schüler Andrej und Dani aber ärgert das nicht. Sie hätten sich sogar mehr Zeit gewünscht, um mit den deutschen Schriftstellern zu reden, sagen sie am Rande. Im Ukrainisch- und allgemeinen Literaturunterricht, erzählen sie, gibt es nur die alten Wälzer, die schwere Kost. Anders im Deutschunterricht, da lasen sie:
"Hau ab, Du Flasche!"
Das Jugendbuch über einen jungen Trinker hat die beiden begeistert, sie erzählen Details wie aus einem Kinofilm. Und kommen zum Schluss:
"In deutscher Literatur gibt es viele Bücher für Jugendliche - aktuell, ja, aktuell."
Generell stoßen deutsche Autoren im Ostteil des Kontinents auf größeres Interesse als in Frankreich, England, Amerika, hat es deutsche Literatur leichter. Nimmt man die Gymnasiasten der Schule Nummer 28 in Lviv zum Maßstab, dann dürfte das auch so bleiben.