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Deutsche sind treibender Motor der Stammzellenforschung

Biologie. - In Bonn ist im Augenblick das Who is Who der internationalen Stammzellenforschung versammelt. Stargast sozusagen ist der bislang in Philadelphia ansässige Forscher Hans Schöler, der vor einem Jahr mit der Schaffung künstlicher Eizellen von Mäusen Schlagzeilen machte. Hans Schöler kehrt in diesen Tagen aus Amerika nach Deutschland zurück und übernimmt in Münster die Leitung des Max-Planck-Institutes für molekulare Biomedizin. Er hat große Pläne in der Forschung mit embryonalen Stammzellen - auch des Menschen. Trotz der großen ethischen Debatten hierzulande kommen die größten Fortschritte auf dem Gebiet derzeit verblüffender Weise ausgerechnet von Deutschen.

Von Grit Kienzlen |
    Nordrhein-Westfalen ist - für deutsche Verhältnisse - derzeit Stammzellenforschers Traumbundesland. Nicht alle Regionen sind so offen für sein Wissenschaftsgebiet, stellte der Biologe Hans Schöler mit unfreiwilliger Komik fest:

    Baden-Württemberg sagt ganz klar, Embryonale Stammzellen sind - also äh - des Teufels, also...

    Tatsächlich stehen die Zeichen für ihn gut, dass er seine Pläne in Münster weiter verfolgen kann. In Philadelphia hatte Hans Schöler mit Embryonalen Stammzellen von Mäusen gearbeitet und der Welt vorgeführt, dass die sich in Maus-Eizellen verwandeln lassen - im Reagenzglas. Nun ist an Mauseizellen in der Forschung kein Mangel. An menschlichen Eizellen dagegen schon. Schöler:

    Wir wollen ja versuchen, nicht nur Eizellen aus ES Zellen der Maus zu gewinnen, wie wir das gerade publiziert haben, sondern wollen sehen, ob wir das auch an menschlichen ES möglich ist. Das ist ja so, dass das zumindest mal mit frühen Vorläufern für Eizellen mit menschlichen Embryonalen Stammzellen schon gelungen ist. Wir würden in Bezug auf die Grundlagenforschung die menschlichen Zellen als Referenz nehmen wollen, in Bezug auf mögliche Therapien eben da versuchen, was ich als "therapeutisches Klonen in vitro" bezeichne, entwickeln.

    Therapeutisches oder Forschungsklonen ist in Deutschland klar verboten. Unter einem in Vitro-Verfahren stellt sich Hans Schöler eine Klonmethode vor, bei der seine künstlichen Eizellen zum Einsatz kämen und zwar so verändert, dass sich daraus kein Leben entwickeln kann. Ein großes Projekt und sicherlich eine Frage der Definition, ob unser Gesetz das gestattet.

    Derartige Probleme hat der junge Wissenschaftler Thomas Zwaka nicht, denn er arbeitet noch in den USA, genauer gesagt in Madison/Wisconsin, im Labor von Jamie Thomson, dem die Kultivierung menschlicher embryonaler Stammzellen vor fünf Jahren erstmals gelang. Thomas Zwaka hat dann einen weiteren großen Schritt gemacht: Er hat die menschlichen Embryonalen Stammzellen, kurz ES-Zellen, genetisch verändert, was bei Mäusen schon lange klappte, bei Menschen aber eben nicht.

    Man hat es versucht, in gleicher Weise wie bei Maus-ES-Zellen und Maus ES Zellen und humane ES Zellen sind verschieden, die sehen ganz anders aus, haben eine ganz andere Größe, haben einen ganz anderen Proteingehalt - das heißt diese Transfektions-Methode, wie man diese fremde DNA in die Zellen hineinbringt ist einfach verschieden.

    Thomas Zwaka hatte Erfolg, als er einen Gendefekt einführte, der vom so genannten Lesh-Nyhan Syndrom des Menschen, einer Nervenkrankheit, bekannt ist. Kollegen aus Israel haben diesen Faden inzwischen aufgenommen und studieren die Vorgänge beim Lesh Nyhan Syndrom an den gentechnisch manipulierten menschlichen Zellen. Zwaka:

    Die haben diese Technik übernommen und fortgeführt und haben das ursprüngliche Gen genommen, um es als Krankheitsmodell zu nutzen. Für das Lesh Nyhan Syndrom, was entsteht und haben festgestellt, dass diese HPRT defizienten Zellen Charakteristika kennen, die wir von Lesh Nyhan Patienten tatsächlich kennen. Das heißt wir können diese Zelllinien nutzen, um sie als Krankheitsmodell für diese Erkrankungen zu nutzen. Das Problem war, wenn man das gleich mit der Maus gemacht hat, diese Mäuse waren völlig unbeeindruckt und entwickelten das Krankheitsmodell nicht.

    Bei Mäusen gibt es kein Lesh Nyhan Syndrom und deshalb brauchten die Forscher die menschlichen Zellen, um zu sehen, welche giftigen Stoffwechselprodukte bei der Krankheit entstehen. Das ist aber nur eine von vielen möglichen Anwendungen der Technik. Eine andere: Thomas Zwaka möchte die Embryonalen Stammzellen damit aufreinigen. Will man beispielsweise eines Tages aus ES-Zellen Nervenzellen züchten und die ins Gehirn eine Parkinson-Kranken transplantieren, dann darf in dem Transplantat wirklich nur der eine gefragte Nervenzelltyp vorkommen. Zwaka:

    Und wir haben das große Problem, wenn wir menschliche Embryonale Stammzellen differenzieren, haben wir immer eine gemischte Population aus allen möglichen Nervenzellen, nie reine Populationen und es kann später für Transplantationsapplikationen ein Problem sein, wenn wir dieses Gemisch wirklich in das Gehirn des Patienten injizieren und nicht die hochreine Nervenpopulation.

    Mit Hilfe der Genetik kann man einen bestimmten Zelltyp markieren und dann mit Hilfe der Markierung aussortieren. Thomas Zwaka ist das nun gerade für Nervenzellen gelungen, die den Botenstoff Dopamin herstellen. Der Zelltyp, der beim Morbus Parkinson zerstört wird.