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"Deutschland gehört zu den Globalisierungsgewinnern"

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Josef Ackermann, hat sich zuversichtlich zu den wirtschaftlichen Aussichten Deutschlands geäußert. Zugleich sprach er sich für mehr Transparenz bei den hochspekulativen Hedgefonds aus. Das sei wichtiger als über zusätzliche Kontrollen der Finanzinvestoren zu sprechen. Die weltweiten Aktivitäten der Hedgefonds hätten außerordentlich zur Stabilisierung der Finanzmärkte beigetragen, betonte Ackermann.

Moderation: Dieter Jepsen-Föge |
    Jepsen-Föge: Herr Dr. Ackermann, wir gucken hier von Ihrem Büro oder Ihrem Sitzungsraum weit über Frankfurt. Ich ahne, dass Sie selber wahrscheinlich diesen Blick relativ selten genießen können, weil Sie viel unterwegs sind und die Deutsche Bank als weltweites Unternehmen auch weltweit regieren - und nur selten von Frankfurt aus. Ist das so?

    Ackermann: Ja gut, im Moment ist es ein bisschen extrem. Ich war die letzte Woche in Athen, dann in Kapstadt, dann in Paris, dann jetzt in Petersburg, und morgen geht's weiter nach New York, Washington und dann an die Westküste. Aber das ist nicht immer so, aber es ist schon richtig: Man ist sehr, sehr oft irgendwo in der Welt unterwegs, weil man eben auch die Mitarbeiter dort vor Ort sprechen möchte und natürlich auch Kunden - Regierungsvertreter - vor Ort treffen möchte.

    Jepsen-Föge: Woran messen Sie als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank eigentlich Ihren Erfolg - an der Kursentwicklung der Aktie, an den beachtlichen Gewinnen, am Image der Deutschen Bank oder Ihrem Gehalt - was immer wieder zitiert wird, es sei das höchste aller deutschen Manager -, woran?

    Ackermann: Es ist eine gute Frage. Sicherlich nicht am Gehalt. Das ist, glaube ich, für die Positionierung der Bank nicht relevant, das muss auch der Aufsichtsrat festlegen. Ich glaube, ganz wichtig ist eben auch die längerfristige Positionierung, das heißt, wie ist man strategisch positioniert. Das ist vielleicht noch fast wichtiger als der Gewinn oder der Aktienkurs allein, obwohl der Aktienkurs dann am Schluss natürlich alles zusammenfasst. Aber es ist schon wichtiger die Frage: Sind wir in Lateinamerika, sind wir in Asien, sind wir in Europa, in den USA richtig aufgestellt, können wir auch eine längerfristige Perspektive darstellen? Das ist eigentlich für mich das Entscheidende.

    Jepsen-Föge: Und wenn Sie die Frage beantworten - ohne dass Sie nun die Weltregierungen durchdeklinieren -, sind wir richtig aufgestellt: Wo sind Sie richtig aufgestellt, und wo haben Sie den Eindruck, Sie sind es nicht? Also in Deutschland hier sind Sie die absolute Nummer Eins, aber ich erinnere mich an die Hauptversammlung der Deutschen Bank, wo es ja auch kritische Fragen gibt, dass die Deutsche Bank eben im weltweiten Maßstab keineswegs die Nummer Eins oder führend sei.

    Ackermann: Gut, wenn man das auf das Ganze bezieht, das heißt, die Bewertung an der Börse insgesamt, dann sind wir nicht unter den ersten Banken der Welt. Wenn wir aber die Erträge anschauen, das heißt, wieviel verdienen wir weltweit, dann gehören wir zu den ersten zehn dieser Welt. Und wenn wir eigentlich die Geschäftsfelder nehmen, die für uns wichtig sind, dann sind wir zum Teil unter den ersten drei oder den ersten fünf. Also, ich glaube, man kann mit Recht sagen, dass die Deutsche Bank heute weltweit eine der ganz führenden Adressen ist. Das gilt sowohl für Europa wie für Asien, wie auch für Amerika, und zwar sowohl für Nord- als auch für Lateinamerika. Aber interessanterweise - ich war gerade in Südafrika in einer Konferenz - und wir sind fast in allen Bereichen des Banking, also wo wir aktiv sind, sind wir die Nummer Eins. Und in Australien ist es fast ebenso. Also man kann schon sagen auch mit einem gewissen Stolz, dass die Deutsche Bank heute Deutschland in der Welt als eine führende Bank repräsentiert.

    Jepsen-Föge: Herr Dr. Ackermann, es wird immer wieder kritisiert, dass sich nicht nur Sie als Manager der Deutschen Bank, aber viele Manager der großen Unternehmen - der DAX-Unternehmen in Deutschland - gleichsam am shareholder value vor allem orientieren. Ist das eigentlich ein Vorwurf, der Sie trifft, oder würden Sie sagen: Ja, das ist nunmal unsere Aufgabe. Oder sehen Sie darüber hinaus auch so etwas wie eine gesellschaftliche Aufgabe oder Verpflichtung?

    Ackermann: Ja gut, für mich gibt es immer verschiedene Interessengruppen. Da sind einmal die Mitarbeiter, die Kunden, die Aktionäre, aber natürlich auch die Gesellschaft als Ganzes. Und ich glaube, das ist ein in sich geschlossenes System. Das heißt, Sie können nicht erfolgreich sein, wenn Sie nicht zufriedene Kunden haben, wenn Sie unmotivierte Mitarbeiter haben und wenn Sie eben auch eine Gesellschaft haben, die es Ihnen nicht ermöglicht, Ihre geschäftspolitischen Ziele zu realisieren. Aber wenn man so die Frage stellt: Wo ist die Priorität, was ist eigentlich das Wichtigste? - dann glaube ich, ist der Gewinn einfach ein Zentrum, und zwar aus verschiedenen Gründen. Nur, wenn Sie eine profitable Bank sind mit einer guten strategischen Positionierung, können Sie ein guter Arbeitgeber sein. Nur dann können Sie gegenüber Ihren Kunden, insbesondere auch Firmenkunden, mittelständischen Kunden, die Risiken weltweit mittragen. Und nur dann können Sie auch ein guter Steuerzahler sein oder können auch ein guter Unternehmensbürger sein. Insofern ist der Gewinn für mich eigentlich Voraussetzung für alle anderen Aufgaben. Aber selbstverständlich - gerade die Deutsche Bank versteht sich sehr als ein Unternehmen, das auch andere Verantwortung wahrnimmt. Und wir geben pro Jahr 85 Millionen für gute Zwecke, für Sponsoring aus, um eben als gute Unternehmensbürger dazustehen, und wir bezahlen heute auch wieder relativ viele Steuern, gerade auch in Deutschland, wo wir im letzten Jahr sechs- bis siebenhundert Millionen an Steuern bezahlt haben wie schon im Vorjahr. Das ist eben nur möglich aus einer Position der Stärke heraus.

    Jepsen-Föge: Nun werden sich die Aktionäre nicht über mangelnde Gewinne beklagen können. Und trotzdem: Ich weiß nicht, wie Ihr Eindruck ist, was sozusagen das Image der Deutschen Bank, auch das Image der führenden Unternehmen betrifft, nämlich dass Sie doch mit sehr starker Kritik konfrontiert sind - sozusagen Managementfehler, für die aber nicht die Manager den Preis bezahlen, sondern die Angestellten. Haben Sie dafür Verständnis?

    Ackermann: Also ich habe kein Verständnis, wenn Fehler begangen werden durch das Management und das Management dann noch mit einer hohen Abfindung das Unternehmen verlässt. Ich finde, dass eigentlich wie jemand vergütet wird ganz eng mit der Leistung zusammenhängt, die man erbringt. Aber wenn die Leistung stimmt, dann bin ich auch der Meinung, soll man auch gut entschädigt werden, um die besten Talente auch für deutsche Unternehmen zu gewinnen. Nun, die Frage des Stellenabbaus ist natürlich eine ganz wichtige, und die hatte uns ja auch vor einigen Jahren sehr, sehr beschäftigt. Und es war sehr schwierig, sich da zu erklären. Aber es ist leider oftmals so, dass, wenn man Strukturen hat, die nicht konkurrenzfähig sind weltweit, dass man dann eigentlich gezwungen ist, zuerst einmal effizienter zu werden, das heißt, die Kosten zu reduzieren. Und das hängt leider oftmals auch mit Stellenabbau zusammen. Man versucht natürlich, und das haben wir sicher auch gut gemacht, dass man das sozialverträglich darstellen kann. Aber am Schluss bleibt natürlich das ungute Gefühl, dass man weniger Arbeit anbieten kann in Deutschland, als man das vor einigen Jahren tun konnte.

    Jepsen-Föge: Würden Sie sagen, ist das Systemimmanent, dass, wenn ein Unternehmensführer ankündigt, wir rationalisieren, wir bauen Stellen ab, gleichsam der Aktienkurs steigt, weil die Aktionäre denken, das bedeutet für uns Gewinne?

    Ackermann: Ja gut, also die Korrelation ist nicht ganz so eng. Wenn man nur Stellen abbaut, ohne dass man sich auch strategisch richtig positioniert, dann werden die Aktienmärkte nicht positiv reagieren. Aber dort, wo es natürlich dann so aussieht, dass man wirklich auch effizienter und damit konkurrenzfähiger wird und damit eigentlich die Zukunft sichert für ein Unternehmen, dann ist es schon so, dass die Aktienmärkte in der Regel das positiv aufnehmen. Das ist aber nicht der einzige Grund, sondern wir wollten ja auch die Mehrheit der Stellen für die Zukunft sichern. Und ich bin eigentlich sehr erfreut, und mit einem gewissen Stolz sage ich das: Ja, wir haben Stellen abgebaut, wir sind dadurch wesentlich profitabler geworden, und heute haben wir auch wieder die Möglichkeit, sehr viele neue Stellen zu schaffen. Wir haben im letzten Jahr Tausende von Stellen aufgebaut, in diesem Jahr auch schon, glaube ich, über 4.000 neue Mitarbeiter in der Deutschen Bank begrüßen können. Das zeigt . . .

    Jepsen-Föge: . . . die wenigsten davon wahrscheinlich in Deutschland, oder? . . .

    Ackermann: . . . nein, es ist erfreulicherweise so, dass wir auch in Deutschland in der Lage sind, wieder zu wachsen, und das ja auch immer gesagt haben, so dass wir auch in Deutschland wieder Stellen aufbauen können. Das hängt eben oftmals sehr eng zusammen, das heißt, wenn man im Ausland, also in der Welt attraktiver wird und konkurrenzfähiger wird, hat das dann auch Auswirkungen auf den Stellenaufbau in Deutschland.

    Jepsen-Föge: Deutschland ist Exportweltmeister, alle Parteien, kein Politiker, der es nicht betonen würde, dass Deutschland mehr als andere davon profitiert von der Globalisierung. Und trotzdem hat man den Eindruck, dass nirgendwo die Globalisierung derart kritisiert wird wie in Deutschland - wenn wir an den Gipfel der G8 in Heiligendamm denken, an den parallel stattgefundenen Evangelischen Kirchentag in Köln. Ist das eine Kritik, die Sie in Deutschland stärker erleben als sonstwo? Und wie erklären Sie sich das, dass wir profitieren und gleichzeitig die schärfsten Kritiker sind?

    Ackermann: Also die Fakten sind sicher so, dass Deutschland zu den Globalisierungsgewinnern gehört - im Export wie auch als Volkswirtschaft als Ganzes. Tatsache ist auch, dass wir, glaube ich, außerordentlich wettbewerbsfähige Unternehmen haben, und Tatsache ist auch, dass die Unternehmen gerade in den letzten Jahren sehr viel getan haben, um sich noch besser für den Wettbewerb zu rüsten. Das gilt im übrigen im hohen Maße auch für kleinere und mittlere Unternehmen, die oftmals über Weltmarktanteile verfügen, die wirklich beeindruckend sind. Auf der anderen Seite wissen wir auch, dass wir - und wenn ich jetzt sage "wir", dann zähle ich mich auch zu Deutschland - manchmal etwas kritischer sind, das Glas etwas mehr halb leer als halb voll sehen und dabei auch manchmal etwas ängstlicher agieren als andere Länder, andere Kulturen, die so mit mehr Selbstbewusstsein sich dem globalen Wettbewerb stellen. Das muss nicht so schlecht sein. Ich finde immer, eine gesunde Selbstkritik führt auch dazu, dass man sich nicht blenden lässt, dass man vielleicht etwas mehr arbeitet, um dann noch besser zu sein. Und das zeigt die Entwicklung in Deutschland heute in hohem Maße, dass es uns ja wesentlich besser geht. Wir sind wieder zur Konjunkturlokomotive geworden, und das kommt vielleicht aus dieser Stimmung heraus - wir müssen uns noch mehr anstrengen, wir sind noch nicht gut genug. Und ich finde das gar nicht so schlecht.

    Jepsen-Föge: Hätten Sie eine zentrale Botschaft, eine Antwort auf die Globalisierungskritiker?

    Ackermann: Ja, ich würde natürlich auch aus der globalen Verantwortung heraus argumentieren. Ich war gerade, wie gesagt, in Afrika, in Russland. Und wenn man ja sieht, wie auch in diesen Regionen, je näher man dran ist und das nicht so aus der Distanz sieht, sich auch viel Positives bewegt. Und es ist zwar richtig, dass die Globalisierung auch zu Verteilungsproblemen beiträgt, aber es ist auch richtig, dass der Wohlstand insgesamt für so viele Regionen wesentlich besser geworden ist. Das heißt, dadurch, dass wir die Märkte mehr öffnen, dass wir anderen Ländern die Gelegenheit geben, mit ihren spezifischen Stärken bei uns zu konkurrieren, haben wir doch Hunderten von Millionen Menschen die Möglichkeit gegeben, sich eigentlich ein besseres Leben zu gestalten. Und ich finde, das ist an sich schon ein ganz wunderschönes Ziel. Und wenn man in Indien ist, da gibt es heute über 300 Millionen Menschen, die in mittelständischen Verhältnissen leben können - vielleicht nicht ganz vergleichbar mit Deutschland, aber verglichen zu früheren Jahren schon wesentlich höher. Und diese Zahl wächst jedes Jahr um 25 Millionen. Das selbe gilt für China, das selbe gilt für viele andere Länder. Und das ist doch etwas ganz Tolles als Ergebnis der Globalisierung.

    Jepsen-Föge: Herr Ackermann, Sie kennen das Wort von Franz Müntefering von den Heuschrecken. Er meint die Hedgefonds. Er sieht sich in seiner Kritik daran immer wieder bestärkt. Auch nach dem G8-Gipfel hat es Kritik gegeben. Ich habe sogar gelesen, der Vizepräsident er Deutschen Bundesbank hat kritisiert, er hätte sich erwartet, dass mehr Beschlüsse gefasst worden wären zur Kontrolle, zur Transparenz dieser internationalen Finanzströme. Teilen Sie diese Kritik?

    Ackermann: Ich finde, bevor wir über Kontrollen sprechen oder auch über mehr Aufsicht sollten wir, glaube ich, einmal zuerst etwas mehr Transparenz schaffen. Es ist klar, wie bei allen Größeren Volumina, die in der Welt sich sammeln und dann investiert werden, gibt es ein bisschen ein unsicheres Gefühl. Ist das gut? Ist das schlecht? Wo führt das hin? Und da gibt es natürlich viele, die mehr die Risiken betonen und solche, die dann mehr die Chancen betonen. Die Finanzinvestoren, das gilt sowohl für die Hedgefonds wie für die Private Equity, haben sicher außerordentlich viel beigetragen zur Stabilisierung der Finanzmärkte, weil sie oftmals bereit sind, Risiken zu übernehmen, die andere nicht mehr übernehmen wollen, auch natürlich, weil sie Liquidität zur Verfügung stellen weltweit. Das ist alles sehr positiv. Auf der anderen Seite gibt es auch Risiken, weil die zum Teil sich sehr stark verschulden und auch zum Teil heute Preise bezahlen, die vielleicht etwas hoch sind. Da gibt es eine Angst, das könnte sich korrigieren, wenn die Zinsen nach oben gehen und dann zu einer gewissen Krisensituation führen. Ich teile diese Sorgen so nicht, aber ich sehe natürlich das Bedürfnis, dass man mehr Klarheit zu dieser Frage bekommt. Und ich bin eigentlich sehr dafür, dass man überlegt, wie man die Gesamtgrößen besser erfassen kann, darstellen kann, dass man ein besseres Gefühl bekommt. Mehr Sicherheit, mehr Klarheit schafft dann auch in der Regel mehr Vertrauen.

    Jepsen-Föge: Wie könnte das geschehen?

    Ackermann: Ich glaube, der Appell an die Teilnehmer an diesem Markt, also sowohl Hedgefonds wie Private Equity, sich besser zu erklären, vielleicht auch irgendwie gewisse Grundsätze aufzustellen, die dann dazu führen, dass sich auch etwas besser begleitet werden können, dass man sieht, was getan werden müsste oder nicht. Das würde zu mehr Vertrauen beitragen und das wäre sicher eine gute Entwicklung.

    Jepsen-Föge: Jahrelang haben viele Unternehmer in Deutschland beklagt, dass der Standort Deutschland an Attraktivität verlöre oder hinterherhinke hinter seinen Möglichkeiten. Wie schätzen Sie die Standortfrage Deutschlands heute ein?

    Ackermann: Ja gut, ich wurde einmal vor fünf Jahren gefragt, wo wir den Standort haben möchten. Ich habe gesagt: In Deutschland. Und ich hoffe, dass wir in fünf Jahren rückblickend sagen können, wir haben uns richtig entschieden. Und das ist, glaube ich, heute ja schon so, dass Deutschland ja wiederum konjunkturell wesentlich stärker da steht, ja auch die Beschäftigung wieder zugenommen hat, die Unternehmen wesentlich profitabler geworden sind. Das spricht, glaube ich alles für den Standort. Die Frage ist immer, ist das mehr aufgrund der Reformen, die eingeleitet wurden, mehr aufgrund der neuen Stimmungslage, die auch wesentlich durch die Politik beeinflusst wurde, oder ist es die Wirtschaft, die einfach ihre Hausaufgaben besser gemacht hat. Ich würde meinen, alle drei Elemente spielen zusammen. Seien wir froh, dass es besser ist. Wer dann am meisten Lob dafür bekommt . . .

    Jepsen-Föge: Also sozusagen Schröder - Merkel - Ackermann.

    Ackermann: Ja, nicht nur Ackermann, sondern auch viele andere. Aber ich glaube, das ist die entscheidende Frage, die für mich ja nicht zweitrangig ist. Aber Tatsache ist, dass wir auch schauen sollten, dass wir jetzt in dieser positiven Phase uns nicht zurücklehnen und sagen, wir haben jetzt alles getan, was zu tun ist. Die Welt verändert sich nach wie vor unglaublich rasch. Viele Länder werden noch konkurrenzfähiger, wollen auch noch größere Ziele realisieren, und wir müssen halt dafür sorgen, dass wir in den Reformen, auch in der Effizienz der Unternehmen mithalten können. Ich bin da zuversichtlich, aber das ist eine Aufgabe, die sich für uns immer stellen wird. Und da gibt es sicher noch einige Dinge am Standort Deutschland, die noch verbesserungsfähig sind. Das ist in der Politik eigentlich weit bekannt, natürlich auch in der Wirtschaft. Und ich finde auch, man muss auch die Politik fordern, dass die Politik weiß, man hätte noch attraktive Standortbedingungen, die man sich wünschen würde. Aber eines möchte ich doch sehr sagen: Wir sollten diese Kritik intern - ich sage immer, in der Familie muss man kritisch miteinander umgehen, aber wenn man dann nach außen auftritt in der Welt, dann muss man eigentlich die Familie verteidigen und ein positives Bild geben. Vieles ist schon geschehen und wir sind wieder ganz vorne mit dabei.

    Jepsen-Föge: Aber sozusagen in der Familie gesprochen, würden Sie auch der Bundesregierung sagen: Bleibt fest in eurem Reformkurs?

    Ackermann: Absolut. Aber das sagen wir ja oft in kleineren Runden, in Gesprächen mit den Vertretern der Bundesregierung. Aber wir müssen das nicht immer über die Medien dann noch der ganzen Welt mitteilen.

    Jepsen-Föge: Herr Ackermann, viele Bürger haben den Eindruck, dass sie von diesem Wirtschaftsaufschwung nicht selber profitieren.

    Ackermann: Gut, wenn man es, sagen wir mal, gesamtwirtschaftlich anschaut dann sind doch viel mehr Menschen jetzt doch wieder in der Arbeit, als das vor einigen Jahren der Fall war, so dass ja viele auch davon profitiert haben. Aber es ist schon so, dass natürlich die Anforderungen gerade in der Wirtschaft ganz massiv größer geworden sind und viele Menschen sei es aus gesundheitlichen Gründen oder aus Gründen der Bereitschaft, sich zu engagieren, zum Teil auch aus Gründen der Bildung oder Ausbildung, vielleicht hier nicht voll partizipieren können. Und ich glaube, da ist es eine Aufgabe des Staates, übrigens auch der Wirtschaft, und - ich betone - auch der einzelnen Bürger, diesen Menschen zu helfen. Und das ist ja mit ein Grund, dass wir uns auch als Unternehmen engagieren in der Bildung, in der Ausbildung wie auch eben auf dem karitativen Bereich. Aber wir werden natürlich immer leider erleben, dass Menschen dieser Dynamik aus irgend welchen Gründen nicht so gewachsen sind. Und die werden sich sicher irgendwo als Verlierer des Systems sehen. Und da, glaube ich, ist es Aufgabe, denen eine auch gute Gegenwart und Zukunft zu bieten.

    Jepsen-Föge: Wenn Sie international vergleichen, haben Sie den Eindruck, dass in Deutschland sozusagen Leistung - es hat mal den Slogan gegeben 'Leistung muss sich lohnen'* - dass das zu wenig der Fall ist, dass das zu wenig gewürdigt wird, dass wir auch wirtschaftlich mit Reformschritten weiter vorankämen, wenn sozusagen der Leistungsgedanke stärker verankert und mehr gefördert würde?

    Ackermann: Wir haben sicher eher eine starke Verankerung auch in der sozialen Marktwirtschaft, die ja die soziale Komponente sehr stark betont. Ich halte das auch für etwas, was wir nicht aufgeben wollen und aufgeben sollten. Aber die Frage ist natürlich, in einer sehr globalen Welt, die zum Teil heute andere gesellschaftliche Systeme hat, ob unser System manchmal etwas zu stark die soziale Komponente betont. Ich würde da schon meinen, dass es wichtig ist, dass man alles tut, um auch Leistung zu erzeugen und natürlich auch Menschen, die bereit sind, eine sehr große Leistung zu erbringen, auch entsprechend belohnt, damit jüngere Menschen, aber auch ältere Menschen, bereit sind, mehr zu tun, mehr zu leisten als das vom Durchschnitt erwartet wird, und dadurch wir in die Lage versetzt werden, die sozialen Aufgaben wahrzunehmen. Wenn ich das ganz vereinfacht - und ich bin mir bewusst, es ist zu vereinfacht - sage: Ich sage immer, bevor wir uns über die Verteilung eines Kuchens streiten, sollten wir vielleicht auch schauen, dass möglichst der Kuchen groß wird. Ich habe lieber ein relativ kleines Stück eines großen Kuchens als ein großes Stück eines kleinen Kuchens.

    Jepsen-Föge: Herr Dr. Ackermann, zum Schluss: Der DAX hatte seinen absoluten Höhepunkt, ich glaube es war im März 2000. In den vergangenen Wochen näherte er sich wieder dieser Höchstmarke. Es ist etwas runter gegangen. Muss man befürchten, dass sich so etwas wiederholen könnte, nämlich ein Absturz über die kommenden Jahre?

    Ackermann: Alle sagen, irgendwann wird die Musik aufhören zu spielen. Aber niemand weiß wann. Und niemand weiß, wodurch das ausgelöst wird. Ich bin da eigentlich optimistischer. Ich glaube, all das, was in der Welt im Moment geschieht, auch durch die Globalisierung, durch eine wesentlich bessere Politik in vielen Ländern, durch die Nachfrage aus China, Indien, Lateinamerika, Osteuropa, ganz neue Märkte, die dazu gekommen sind, dass wir, wenn man einmal von größeren geopolitischen Risiken absieht, die nicht vorhersehbar sind und die leider nicht auszuschließen sind, gehe ich davon aus, dass die Weltwirtschaft sich über mittlere Frist oder auch längere Frist gut entwickeln wird und das auch eine sehr positive Entwicklung für die ärmeren Regionen dieser Welt ist. Und wenn dem so ist, dann werden auch die Unternehmen davon profitieren, gerade die, die ja auch global aufgestellt sind. Und die werden dann auch an der Börse ihren positiven Niederschlag finden, so dass ich eigentlich, wenn man einmal von kurzfristigen Schwankungen absieht, die immer einmal ausgelöst werden können, eher zuversichtlich bin für die Entwicklung der Märkte, insbesondere aber auch über die Entwicklung der Finanzmärkte.

    Jepsen-Föge: Eine allerletzte Frage, Herr Dr. Ackermann: Wenn sie eines Tages die Deutsche Bank in andere Hände übergeben, wie soll sie dann aussehen, und wird es dann noch eine deutsche Deutsche Bank sein?

    Ackermann: Wo man ist in der Welt hat man sehr, sehr große Türen offen, weil die Deutsche Bank eben auch als Repräsentant Deutschlands außerordentlich gut da steht. Ich hoffe, dass es mir gelingt, mit meinen Kollegen zusammen natürlich, die Deutsche Bank noch erfolgreicher zu machen, noch globaler aufzustellen, noch stärker, aber immer auch noch in einigen Jahren, dass sie die Deutsche Bank ist und dass es eine deutsche Bank ist, die in der Weltliga mitspielt und aus Deutschland heraus geführt wird.