Samstag, 11. Mai 2024

Archiv


Deutschlands First Ladies

Ohne Amt, aber mit Einfluß - die Rolle der First Ladies in Deutschland ist oft recht schillernd. Es kommt ganz auf die Persönlichkeit an, so wie Autorität nach Max Weber ja nicht nur an das Amt gebunden ist, sondern - zumal in Demokratien - an die fachliche Kompetenz und das Charisma. Das gilt in besonderem Maße für die natürliche Autorität von Frauen an der Seite von Präsidenten und Kanzlern. "An der Seite der Macht" heißt auch das Buch, in dem Helene Walterskirchen die Rolle der First Ladies in Deutschland untersucht. Uschi Geiling bespricht es:

Uschi Geiling | 12.08.2002
    In ihrem Buch "An der Seite der Macht" porträtiert Helene Walterskirchen Deutschlands First und Second Ladies seit 1949. Doch während das Grundgesetz die Rolle des Bundes- präsidenten und des Bundeskanzlers genau festlegt, gibt es keine Aussagen über die Rolle ihrer Ehefrauen. Dennoch haben sich schon früh - zum Beispiel bei Elly Heuss-Knapp - Arbeitsgebiete für die ersten Damen der Republik herauskristallisiert. Welche Rollen spie- len die First und Second Ladies im Leben der Republik, und welchen Beitrag leisten sie zur gesellschaftlichen Entwicklung? Helene Walterskirchen:

    Da muß man natürlich ein bißchen unterscheiden zwischen den First und den Second Ladies. Also die First Ladies sind ja immer auch mit vielen Repräsen-tationsaufgaben behaftet, die sie mit ihrem Mann oder auch alleine wahrnehmen müssen. Und sie haben natürlich ganz stark eben das Amt des Sozialen übernommen als führende Dame im Staate.

    Zu den First Ladies, die die Autorin selbst interviewt hat und von denen sie ein individuelles lebendiges Bild vermittelt, zählt unter anderem Dr.med. Veronika Carstens. Die rüstige 78-jährige, die nach wie vor als Ärztin praktiziert, war in der Amtszeit ihres Mannes Schirmherrin verschiedener Organisationen, wie etwa der ‚Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft’. Daneben galt ihr Bestreben der Erforschung und Förderung der Naturheilkunde. Zu diesem Zweck gründete sie - zusammen mit ihrem Mann - nicht nur eine Stiftung, sondern auch den Förderverein ‚Natur und Medizin’, für den sie noch heute tätig ist.

    Auch Marianne von Weizsäcker war während der zehnjährigen Amtszeit ihres Mannes neben repräsentativen Aufgaben stark sozial engagiert:

    Sie hat sich in sehr starkem Maße um die Drogenabhängigen gekümmert, und zwar nicht so sehr um die Behandlung der aktuellen Fälle, sondern um die Prävention, und natürlich auch speziell anschließend, wenn die jungen Leute wieder clean waren, dann auch um die Re-Integration wieder in die Gesellschaft.

    Als Frau des Bundespräsidenten gründete sie Ende 1988 den ‚Marianne-von-Weizsäcker-Fonds’ für ehemalige Drogenabhängige. Als deren Schirmherrin ist sie bis heute aktiv. In den letzten Jahren sind die Frauen der Bundespräsidenten und auch der Bundeskanzler aus deren Schatten deutlich herausgetreten. Sie machen heute zumindest mehr von sich reden:

    So wie sich die Rolle der Frau ja auch im Laufe vom 4o, 5o Jahren verändert hat, hat sich natürlich auch die Rolle der Second und First Lady verändert, wobei man aber sagen muß, daß zum Beispiel die erste First Lady - Elly Heuss-Knapp - für ihre Zeit damals eine unglaublich moderne Frau gewesen ist. Nicht nur, daß sie ihren Mädchennamen behalten und sich einen Doppelnamen genommen hat - was ja damals auch ungewöhnlich war -, sondern daß sie auch schon sehr aktiv ihre eigene Rolle übernommen hat, sehr selbstbewußt war, auch in der Frauenbewegung mit involviert war - zwar nicht als führend, aber immerhin - und die dann auch das Müttergenesungswerk aus eigener Initiative gegründet hat.

    Ebenso sozial engagiert wie die Präsidentenfrauen sind auch die Kanzlerfrauen. Sie machen als Schirmherrinnen wohltätiger Organisationen auf konkrete Nöte der Bürger aufmerksam und verhelfen den caritativen Organisationen durch gezíelte Medienarbeit zu mehr Resonanz in der Öffentlichkeit. Die Second Ladies agieren im Vergleich zu den First Ladies aber mehr im Hintergrund und lassen der großen Politik den Vortritt. Daher können sie im Vergleich zu den Präsidentenfrauen nicht so leicht ein eigenes Profil entwickeln. Und wie nimmt die Öffentlichkeit die Rolle der heutigen First Lady wahr? Was erwarten die Bürger von ihr?

    Ja, schon auch immer noch, daß sie halt Ansprechpartnerin insbesondere in sozialen Angelegenheit ist, oder auch in familiären Angelegenheiten - also was Kindererziehung betrifft, was Altenpflege betrifft, was Gesundheit betrifft -, wobei man aber heute schon mehr toleriert das ein oder andere Wort oder auch die Ansicht, die im politischen Bereich wiedergegeben wird, oder wenn man hört, wie Christina Rau natürlich jetzt auch sagt: Ich bin auch durchaus bei politischen Gesprächen meines Mannes anwesend und spiele hier nicht das Heimchen am Herd. Es wird akzeptiert.

    Erwünscht ist ein moderneres Frauenbild, so wie die Rolle der Frau heute auch gesehen wird. Dieses Bild der modernen Frau wird von Christina Rau und auch von Doris Schröder- Köpf durchaus verkörpert. Dafür kann sich auch die Jugend begeistern. Die Damen der jüngeren Generation haben studiert und sind sonst gut ausgebildet. Sie sehen ihre Aufgabe vor allem darin, die Familie zusammenzuhalten - so weit das neben ihrem dichten Programm möglich ist -, aber sie sind auch zugleich Berater ihrer Männer. Gibt es da einen Unterschied zu den First Ladies der ersten Nachkriegsgeneration?

    Auf jeden Fall, denn Elly Heuss-Knapp hätte sich jetzt nicht in die politischen Aufgaben ihres Mannes eingeschaltet oder Luise Erhard - also da war allenfalls natürlich schon, daß sie zu Hause darüber gesprochen haben über die Themen. Das war immer der Fall. Aber daß nach außen hin der Anschein erweckt wurde, als würden sie tatsächliche Ratgeber ihrer Männer sein, so ganz klar kam das nie rüber. Und das darf man heute ruhig sagen. Das macht sogar einen guten Eindruck und wird von vielen Menschen - insbesondere jüngeren - auch gerne gesehen.

    Helene Walterskirchen hat ihre insgesamt 14 Porträts so angelegt, dass der Leser nicht nur über den Lebenslauf der ersten Damen im Staat informiert wird, sondern auch über ihre Ehemänner. Daß manche Porträts etwas geglättet oder blaß wirken, liegt an der Verwen- dung von Second-Hand-Material. Außerdem sind einige Aussagen - vor allem die über noch lebende Ladies - aus Gründen der political correctness dem Rotstift zum Opfer gefallen. Insgesamt bleibt es aber ein lesbares und informatives Buch. Man möchte es vor allem denen empfehlen, die bislang nur ungenaue Vorstellungen vom Leben der Politikerfrauen und deren eigenen Möglichkeiten haben.

    Uschi Geiling sprach mit Helene Walterskirchen, Autorin des Bandes "An der Seite der Macht - Deutschlands First Ladies". Erschienen ist das Buch im Ueberreuter-Verlag in Wien, es hat 2o7 Seiten und kostet 19,90 €.