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DFN-Boykott eine ''Folge deutscher Regelungswut''

Nicht ohne Folgen blieb der zunächst auf einen Tag befristete Boykott des vom Deutschen Forschungsnetz (DFN) betriebenen Wissenschaftsnetzes "WIN" durch 16 führende Internetserviceprovider. Die wegen eines Kostenstreites zwischen den Anbietern und dem DFN vorgenommene Abschaltung der Direktleitungen führte vor allem für die WIN-Nutzer zum Teil zu erheblichen Verzögerungen beim Navigieren im World Wide Web.

Wolfgang Noelke, Klaus Ullmann, Carsten Schiefner, Hans Wachtel | 29.11.1997
    Der Streik der Internetserviceprovider (ISP) gilt als Drohgebärde gegenüber dem DFN und sollte die Folgen einer für das Jahresende angekündigten vollständigen Stillegung demonstrieren, falls im Streit um die Gebühren keine Einigung erzielt werden sollte. Derzeit zahlen die ISP pro Anschluß an das WIN rund 800.000 Mark jährlich, obwohl nach ihren Angaben die DFN-Kunden von den Datenstraßen überproportional profitieren. "Über die von den ISP finanzierten Leitungen und Anschlüsse fließen dreimal mehr Daten in das 'WIN' als umgekehrt. Damit zahlen wir also letztlich das Angebot für die DFN-Nutzer", kritisiert Carsten Schiefner vom Berliner Provider "Contrib-Net".

    Wegen des 24stündigen Boykottes mußte der Datenverkehr aus dem WIN heraus über die USA abgewickelt werden, was zu mitunter erheblichen Verzögerungen geführt habe, erklärt Klaus Ullmann, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des DFN. "Für den Anwender ist die Arbeit mit solchen Verbindungen nicht zumutbar", kommentiert Ullmann die Erfahrungen der vergangenen Woche. Statt der bisherigen Einzelleitungen fordern die ISP einen gemeinsamen Anschluß in Frankfurt, der in den kommenden zwei Jahren mit jeweils einer halben Million Mark honoriert werden soll. Zu wenig nach Ansicht der DFN-Betreiber, die angesichts der zunehmend kommerziellen Nutzung des Internet ein für die Serviceprovider einträgliches Geschäft wittern. "Dieses Geschäft etwa mit Werbung auf den Webseiten ist keineswegs so groß wie unterstellt", hält Hans Wachtel vom Verband Deutscher Zeitschriftenverleger dagegen. "Unserer Ansicht nach handelt es sich hier um eine neuerliche Inkarnation deutscher Regelungswut."