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Diäten - Spesen - Tagegelder

Solch ein Desaster hatte das Europaparlament noch nie erlebt: Tag für Tag lieferten deutsche Medien neue Stories über die Abzocker aus Straßburg. Und das über Monate hinweg. Selbstbedienung bei den Diäten, Betrug mit den Tagegeldern, Abkassieren bei Reisespesen. Nicht ein einziger Vorwurf hat sich als richtig erwiesen. Trotzdem war die Lawine der vermeintlichen Entlarvungen erst nach Monaten zu stoppen. Bewiesen war am Ende nur eines: Nämlich dass das System der Bezahlung und Entschädigung der Europaabgeordneten dringend reformiert werden muss. Den Versuch dazu hat es in der zu Ende gehenden Legislaturperiode mehrfach gegeben. Allesamt sind sie gescheitert. Noch in diesem Jahr soll ein neuer Anlauf unternommen werden.

Von Peter Kapern |
    Im vergangenen Winter scheiterte der jüngste Versuch der Diätenreform. Jeder Abgeordnete sollte, so die Grundidee, gleich viel erhalten, egal aus welchem Mitgliedsland er kommt. Bislang nämlich gibt es gigantische Unterschiede. Ein Europaabgeordneter aus Ungarn erhält rund 800 Euro Diäten monatlich, sein Fraktionskollege aus Italien bekommt rund 12.000 Euro. Gleiches Geld für gleiche Arbeit - dieser Grundsatz sollte gelten. 8500 Euro sollten es sein. So sah es der Entwurf für ein neues Abgeordnetenstatut vor. 8500 Euro, und alle europäischen Instanzen einschließlich der nationalen Regierungen hatten bereits ihr Einverständnis signalisiert:

    Dann aber kam die Bildzeitung. Und als die Schlagzeilen über die vermeintlichen Abzocker von Straßburg immer größer wurden, kippte die Bundesregierung schließlich um. Im Ministerrat organisierte sie eine Blockade des Abgeordnetenstatuts. Die Europaparlamentarier standen düpiert im Regen. Trotzdem soll gleich zu Beginn der neuen Legislaturperiode ein neuer Anlauf für ein neues Abgeordnetenstatut unternommen werden. Diesmal soll es aber ein Entwurf aus einem Guss werden. Denn mittlerweile sind auch die Reisekosten- und Tagegeldregelungen des Parlamentes ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Reisekosten werden den Abgeordneten zum Beispiel pauschal erstattet. Für einen Flug in die Heimat gibt es das Geld für ein normales Economy-Class-Ticket. Auch dann, wenn der Abgeordnete mit einer Billigfluggesellschaft unterwegs war. Der Hintergrund dieser Regelung: Erst mit dieser lässig-großzügigen Reisekostenerstattung kommen auch die am schlechtesten bezahlten Parlamentarier auf ein anständiges Monatsgehalt. Mit den 2400 Euro, die etwa ein spanischer Abgeordneter im Monat bekommt, ist jedenfalls allein kein Staat zu machen.
    Bei der Tagegeldregelung sieht es folgendermaßen aus: 262 Euro stehen jedem Abgeordneten zu für jeden Tag, den er in Ausübung seines Mandates in Straßburg oder in Brüssel verbringt. Eine Unterschrift als Anwesenheitsnachweis genügt. Nicht notwendig ist es hingegen, an diesen Tagen an Plenarsitzungen teilzunehmen. Die Abgeordnetentätigkeit besteht schließlich nicht ausschließlich aus Sitzungen. Trotzdem gelang es dem parteilosen Abgeordneten Hans-Peter Martin, pünktlich zur Europawahl gemeinsam mit zwei deutschen Medien, nämlich Stern und Bild, eine neue Berichtslawine loszutreten. Sitzungsgeldbetrug lautete der Vorwurf, obwohl die Abgeordneten gar kein Geld für die Teilnahme an Sitzungen erhalten.

    So oder so: Das neue Parlament soll sich schnellstmöglich neue Regeln für die Bezahlung der Abgeordneten geben. Bleibt abzuwarten, wie die dünnen Zeitungen mit den dicken Buchstaben darauf reagieren.