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Die Alte Brücke von Mostar

Auch 17 Jahre nach Ende des Bosnienkrieges leben in der Stadt Mostar die Volksgruppen weitgehend getrennt. Daran konnte weder die gemeinsame Stadtverwaltung noch der symbolträchtige Wiederaufbau der im Krieg zerstörte Alten Brücke viel ändern.

Von Tim Gerrit Köhler |
    Flipflops auf Kopfsteinpflaster, Digitalkameras, ein Sprachengewirr - Touristen aus aller Welt drängen sich durch die Gassen der Altstadt von Mostar. Vorbei an kleinen Läden voller Kunsthandwerk. Doch wirklich alt ist hier nichts: Die Häuser aus Naturstein sind wiederaufgebaut worden, ebenso wie das Wahrzeichen der Stadt:

    Die Alte Brücke, die in gut 20 Meter Höhe den Fluss Neretva überspannt, eine filigrane Bogenkonstruktion. Das Original wurde 1993 im Bosnienkrieg zerstört, nun steht hier die neue Alte Brücke, ein Weltkulturerbe, 2004 feierlich eröffnet:

    "Nur keinen Krieg mehr - wir wollen hier keinen Krieg", sang der Kinderchor bei der Zeremonie vor acht Jahren. Ein Symbol für das friedliche Zusammenleben der katholischen Kroaten, der muslimischen Bosniaken und der orthodoxen Serben - so wollten und wollen auch heute noch viele die Brücke sehen. Doch die Wirklichkeit ist eine andere:

    "Wenn sie jetzt einen Kroaten vom rechten Ufer hier an den Tisch bringen, ich denke, zu 99,9 Prozent würden wir uns ununterbrochen streiten."

    Ibrica Dizdar ist alles andere als ein Hitzkopf. Der Historiker arbeitet als Kurator im Museum von Herzegowina. Dass die neue Alte Brücke die Volksgruppen verbindet, glaubt der Bosniake nicht:

    "Man versucht, mit dieser Maske, dem Wiederaufbau, die Seele dieses Landes und seiner Völker irgendwie zu maskieren. Aber das läuft nicht so."

    Auch 17 Jahre nach Kriegsende leben die Volksgruppen in Mostar weitgehend getrennt. Vor einigen Jahren wurde zwar auf internationalen Druck hin eine gemeinsame Stadtverwaltung gebildet, aber:

    "Sonst ist alles beim Alten geblieben. Wir haben zwei unterschiedliche Stromanbieter, zwei Postämter, zwei Telefongesellschaften. Wir bringen noch nicht einmal unseren Müll zur selben Deponie. Wir haben sogar zwei Puppentheater, damit die Kinder nur kroatische oder nur bosniakische Puppen sehen."

    Kristina Coric leitet das Jugendzentrum Abraševic. Es ist einer der wenigen Orte in der Stadt, an denen egal ist, ob jemand Bosniake, Kroate oder Serbe ist. Für die Schulen von Mostar gilt das nicht: Die Kinder werden nach Volksgruppen getrennt unterrichtet.

    "Die jungen Leute wachsen nur auf ihrer Seite auf, kaum jemand geht rüber zu den anderen. Warum auch, wenn man drüben doch eh niemanden kennt. Sie werden so wirklich indoktriniert."

    Das Jugendzentrum arbeitet gegen diese Trennung. Es liegt genau dort, wo im Krieg die Front verlief, Einschusslöcher an den Wänden und ausgebrannte Ruinen in der Nachbarschaft zeugen noch davon. Vielleicht ist dieser Ort viel eher ein Symbol als die neue Alte Brücke im Zentrum - denn hier können sich alle treffen. Zum Beispiel bei den Partys von Mustafa Kajan. Als DJ Mr. Muky legt er elektronische Musik auf - und die verbindet:

    "Die Leute kommen aus ganz Mostar. Wenn du das auf den Partys siehst, das ist doch super. Du siehst nur Freundschaft, Liebe, sie tanzen. Musik bringt Leute zusammen, egal wo du herkommst, wer du bist - Musik hat keine Grenzen."