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Die Ausstellung "Electric Sky"
Ein großer Zirkus aus Licht

Beim Burning Man Festival in der Wüste Nevadas treffen sich Menschen, die sich nach einem alternativen Leben sehnen. Das Künstlerpaar Römer+Römer hält diese Utopie auf Zeit in flirrenden Ölgemälden fest und zeigt sie in der Ausstellung "Electric Sky".

Von Marie Kaiser | 18.01.2019
    Um eine riesige fahrbare Skulptur mit Tierfiguren, die Feuer in den Nachthimmel speien, stehen Besucher des Burning Man Festival in der Wüste Nevadas .
    Besucher des Burning Man Festivals in der Wüste Nevadas inspirierten das Künstlerpaar Römer+Römer zu dem Bild "Rabid Transit" (2017, Öl und Acryl auf Leinwand). (Haus am Lützowplatz)
    So könnte eine Mondsiedlung aussehen – mitten in der Wüste wird für das Burning Man Festival eine eigene kleine Stadt aufgebaut, Black Rock City. Die Bewohner nennen sich "Burner". Neuankömmlinge wie Nina und Torsten Römer müssen sich einem Willkommensritual unterziehen.
    "Wir waren "Virgin Burners", wie man das nennt. Wenn man das erste Mal hinkommt, muss man auch so eine Art Taufe machen. Dann muss man sich einmal im Sand wälzen, dann wird eine Glocke geläutet und dann ist man Burner."
    Torsten Römer, Anfang 50, kommt ursprünglich aus Aachen, das Haar ist schon etwas grau, aber verwuschelt – er trägt Ohrring. Seine 10 Jahre jüngere Frau Nina kommt aus Moskau – unter ihrem Pony schaut sie mit wachen grünen Augen in die Welt. Beim Kunststudium vor über 20 Jahren haben sie sich kennengelernt. Seitdem bemalen sie die Leinwände gemeinsam und arbeiten unter dem Künstlernamen Römer+Römer in Berlin. Als Künstlerpaar sind die beiden häufig auf Festivals unterwegs – wie dem Fusion in Mecklenburg-Vorpommern. In Ölgemälden dokumentieren sie das ausschweifende Leben der Festivalbesucher.
    "Fusion ist mehr so ein Musikfestival und beim Burning Man, sind es eher die visuellen Eindrücke, die zählen. Es ist mehr so ein Kunstfestival. Es ist tatsächlich von der Idee her ein temporäres Dorf, was man nachher, nachdem man das vor Ort erlebt hat, nach Hause mitnimmt. Dieses Miteinander."
    Utopien auf Zeit
    Das Burning Man Festival ist Wallfahrtsort für alle, die sich nach einem alternativen und konsumfreien Leben sehnen."Für viele wird das sehr speziell sein, dass man nichts kaufen kann auf dem Festival außer Eis und Wasser. Man muss alles mitbringen und man schenkt sich das gegenseitig. Ich denke mal, dass der Gründer Larry Harvey auch mit dieser Idee, das als so eine Art Performancekunstfestival gesehen hat, um die Gesellschaft zu verändern." Das Künstlerpaar hat eine Vorliebe für solche Utopien auf Zeit. Auch beim Burning Man waren sie mit der Kamera unterwegs, um möglichst viele Momentaufnahmen zu machen.
    "Wir haben ungefähr 10.000 Fotografien dort gemacht. Und im Nachhinein gesehen, was für die Malerei am Spannendsten ist. Spannend waren für die Künstler vor allem die Nachtaufnahmen. Denn nachts verwandelt sich das Burning Man Festival in ein bunt leuchtendes Universum mit Feuerkünstlern und Lichtskulpturen."Burning Man war ursprünglich so ein Feuerfest, wo man alles verbrannt hat. Aber heutzutage, wo LED gang und gäbe ist, ist alles erleuchtet. Davon waren wir total geflasht und diesen Flash wollten wir in unserer Malerei wiedergeben."
    Auf einem der Gemälde ist ein sogenanntes "Art Car" zu sehen: eine riesige fahrbare Skulptur mit Tierfiguren, die Feuer in hohem Bogen in den Nachthimmel speien – darum versammelt im goldenen Licht Festivalbesucher mit ihren Fahrrädern.
    Der Mensch verschmilzt mit Objekten, Lichtern und Farben
    "Die Leute, die Burner, die auf dem Festival unterwegs sind, die sind mit Lichterketten umfangen und auch die Fahrräder sind fahrende Kunstwerke und durch die neuen LED-Lichter hat man auch so Installationen, die so enorm spektakulär die Farben wechseln. Hier auf dem Bild sieht man eine große Wolke, wie so ein wolkenförmiger Monitor, aber ziemlich groß. Auf dem Bild sieht man dann eine Tänzerin, die davor mit so Ringen tanzt. Solche Lichtsituationen haben uns interessiert. Und vor allem die Interaktion von den Besuchern mit dem Licht, mit dem Feuer." - "Der Mensch verschmilzt mit Objekten, Lichtern und Farben. Es geht alles ineinander über."
    Manche dieser Gemälde scheinen von innen zu leuchten, als wären in die Leinwand selbst Leuchtdioden eingebaut. Die Malerei von Römer+Römer ist halb digital, halb analog: Die Fotos werden im Rechner in Farbraster zerlegt– diese grobe Pixelstruktur dann auf große Leinwand übertragen und ganz analog mit Öl- und Acrylfarbe übermalt. Dabei gehen die Künstler ein bisschen vor wie die französischen Pointilisten - mit feinstem Pinsel tupfen sie Farbpunkte auf die Leinwand.
    "Wir haben festgestellt, dass durch diese Auflösung von Linien in Punkte das ganze Bild so etwas in Bewegung bleibt, dass es dadurch lebendiger ist. Dass man es ein bisschen filmisch denkt. Die Person guckt jetzt gerade noch dahin, und gleich geht sie schon wieder weiter oder klettert da runter. Es ist dieser kurze Moment, und dann wird es schon anders sein. Und mit diesem Bildflimmern wollen wir dem nahekommen."
    Ein Zeitphänomen dokumentieren
    Mit ihrem Pixel-Pointilismus fangen Römer + Römer nicht nur die hedonistische Stimmung des Festivals ein, sie lassen den Betrachter in diesen flirrenden Zirkus aus Licht eintauchen. Nach einer Woche Feierei verschwindet Black Rock City, es bleiben nur Bilder wie die von Nina und Torsten Römer. Doch es geht den beiden um mehr als nur schöne Erinnerungen an das Burning Man. Sie wollen ein Lebensgefühl einfangen, für das sich in ein paar Jahrzehnten vielleicht auch Historiker interessieren könnten.
    "Es ist so ein Zeitphänomen. Auch das Menschen aus ihrem normalen Alltag mal eine Zeitlang rausgehen und so eine spezielle andere Welt erleben. Ich würde sagen, das ist schon so eine historische Erscheinung, viele sagen: "Warum malt ihr das, das kennt man ja?" Aber ich denk mal schon in 20, 30 Jahren wird es so nicht mehr existieren. Wir denken das schon in die Zukunft, wie es für spätere Betrachter wirken wird."