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"Die bleiben auf ihren Kosten sitzen"

Menschen, die in überschwemmungsgefährdeten Bereichen leben, haben es sehr schwer, einen Versicherungsschutz gegen Wasserschäden zu bekommen, sagt Bianca Boss vom Bund der Versicherten. Die Expertin rät: Schäden schnell dokumentieren und melden.

Bianca Boss im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 03.06.2013
    Susanne Kuhlmann: Land unter im Süden und Osten Deutschlands. Große Gebiete in Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt versinken in Wassermassen, ebenso wie Teile Tschechiens, Österreichs und der Schweiz. Viele Städte haben Katastrophenalarm ausgelöst. Ganze Ortschaften wurden evakuiert, erste Dämme brachen, der Strom musste abgestellt werden, Schulen bleiben geschlossen, kurz: das private wie das öffentliche Leben befinden sich im Krisenzustand. Verwüstete Wohnungen, versunkenes Hab und Gut – welche Versicherungen kommen für solche Schäden auf? Am Telefon ist Bianca Boss vom Bund der Versicherten. Guten Tag, Frau Boss.

    Bianca Boss: Guten Tag.

    Kuhlmann: Wenn nicht nur der Keller, sondern auch Wohnzimmer und Küche volllaufen, Frau Boss, welche Versicherung zahlt dann?

    Boss: Leider nicht die normale Hausrat- und Gebäudeversicherung, sondern man braucht zu beidem einen Zusatz, nämlich die Elementarschaden-Versicherung. Nur wenn man die hat, dann ist man auch gegen Schäden durch Grundwasser, Hochwasser oder Witterungsniederschläge abgesichert.

    Kuhlmann: Wer bekommt denn eine solche Versicherung beziehungsweise bleiben Menschen womöglich außen vor, deren Häuser in überschwemmungsgefährdeten Bereichen liegen?

    Boss: Genau so ist es leider. Die Versicherungswirtschaft sucht sich da ihre Risiken ganz genau aus. Das heißt, diese hohen Risiken, die in Gebieten wohnen, wo schon Überschwemmungen zutage getreten sind, die jetzt auch aktuell betroffen sind, die werden überhaupt gar keinen Versicherungsschutz mehr bekommen. Die bleiben auf ihren Kosten sitzen.

    Kuhlmann: Was ist denn mit Regionen, die bisher als sicher galten, nun aber womöglich doch unter Wasser stehen, weil Bäche, Flüsse oder die Kanalisation überlaufen?

    Boss: Genau da ist auch das Problem: Die müssten jetzt angeben bei einem Antrag, den sie stellen auf diese Elementarschaden-Versicherung, dass sie tatsächlich von einem zwar unversicherten Schaden, aber immerhin von einem Schadensfall betroffen sind, und die werden auch keinen neuen Versicherungsschutz mehr bekommen.

    Kuhlmann: Die Rechnung der Versicherer ist also klar. Wenn nur wenige Leute eine Police für die Versicherung gegen Hochwasser und Sturm zum Beispiel abschließen, dann kommt nicht genug Geld zusammen für den Schadensfall. Steht eine Pflichtversicherung gegen solche Elementarschäden für alle zur Debatte?

    Boss: Sturmschäden sind ganz normal über die Hausrat- oder Wohngebäudeversicherung versichert. Bei der Elementarschaden-Versicherung geht es um Hochwasser, Überschwemmung, Erdbeben, Erdrutsch, Schneedruck, Lawinen oder sonstiges, und da ist es tatsächlich so, dass diese hohen Risiken, also auch dort, wo Schneedruck oder Lawinen zu diesem hohen Risiko führen, oder wie jetzt in diesen Hochwassergebieten, überhaupt keinen Schutz mehr bekommen. Da plädieren wir tatsächlich schon seit Jahren, seit Jahrzehnten für eine Pflichtversicherung, dass jeder in Deutschland wirklich einen Obolus an Beitrag zahlt, so dass alle Versicherungsschutz genießen. Leider ist das immer noch nicht erfolgreich gewesen. Aber letztendlich kann ein Überschwemmungsschaden jeden treffen. Man braucht dafür nicht irgendwo am Wasser zu wohnen, sondern die Witterungsniederschläge sind deutschlandweit schon so massiv, dass auch jeder im Inland davon betroffen sein kann.

    Kuhlmann: Die Betroffenen, wie können die demnächst ihre Ansprüche geltend machen? Was muss man dafür beibringen?

    Boss: Ganz wichtig ist, dass ich auf jeden Fall festhalte, dass mir ein Schaden passiert ist, ich ihn auch sofort bei der Versicherung melde, telefonisch vorab, sodass die schnell jemanden rausschicken können, der den Schadensfall begutachten kann, am besten auch noch per Fax oder per Einschreiben mit Rückschein, weil ich immer nachweisen muss, dass ich den Schadensfall rechtzeitig und schnellstmöglich gemeldet habe. Dann muss ich nachweisen können, was beschädigt ist, also bitte nicht in einem Aufräumwahn jetzt alles vernichten und wegschmeißen, was beschädigt ist, sondern ich muss auch wirklich nachweisen können, dass das alles beschädigt ist, und letztendlich wird bei solchen Fällen jetzt auch ganz schnell jemand rauskommen von der Versicherung.

    Kuhlmann: Ist da eine bestimmte Frist einzuhalten?

    Boss: Ich muss unverzüglich alles melden bei der Gesellschaft, und das ist sicherlich jetzt wirklich taggenau der Fall, dass ich das bei der Versicherung melde.

    Kuhlmann: ... , was nicht so einfach ist, wenn gerade die Wohnung im Chaos versunken ist.

    Boss: Ja. Das ist sicherlich immer die Theorie und die Praxis. Letztendlich heißt unverzüglich so schnell wie möglich, ohne schuldhaftes Verzögern sozusagen. Wenn es natürlich so ist, dass ich der Versicherung sagen kann, ich habe die letzten fünf Stunden damit verbracht, meinen Keller leerzupumpen und die Wohnung entsprechend von Wasser und vom Schmutz zu bereinigen, dann ist das sicherlich verzeihlich. Aber ich sollte dann wirklich keine größere Verzögerung aufkommen lassen.

    Kuhlmann: Hochwasser und Überschwemmungen in Teilen Deutschlands – welche Versicherung dafür aufkommt, erklärte Bianca Boss vom Bund der Versicherten. Danke!

    Boss: Bitte schön.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.