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Die Bodyguards vom Riff

Biologie. - US-Biologen haben eine erstaunliche Zusammenarbeit im Riff festgestellt. Korallen beschäftigen Grundeln, kleine Verwandte der Barsche, als Helfer gegen giftige Algen. Im Fachmagazin "Science" wird die Kooperation vorgestellt.

Von Tomma Schröder | 09.11.2012
    Einen Bodyguard stellt man sich eigentlich anders vor. Keine vier Zentimeter groß sind die zierlichen Fische und wenn überhaupt, so schauen die Grundeln nur vorsichtig aus dem dichten Geäst der Steinkoralle. Trotzdem können diese kleinen Bewohner für die Koralle in bestimmten Situationen lebenswichtig sein.

    "Sobald die Koralle mit einer giftigen Alge in Kontakt kommt und sich gegen sie behaupten muss, alarmiert sie ihre Bodyguards und sagt ihnen: 'Passt auf die Alge auf und zwar schnell!'"

    Dass verschiedene Arten von giftigen Algen die Korallen im Pazifik massiv beschädigen können, hatte Mark Hay vom Georgia Institute of Technology in Atlanta vor zwei Jahren in einer Studie nachgewiesen. Dafür müssen sich die feinen Algen nicht einmal auf, sondern nur unmittelbar neben den Korallen ansiedeln, so dass sie durch leichte Strömungsbewegungen in Kontakt mit der Koralle kommen.

    "Wir haben herausgefunden, dass diese Algen giftige Stoffe von ihrer Oberfläche auf die Korallen übertragen. Dieses Gift beschädigt die Koralle, und das Gewebe beginnt abzusterben. Das geht sehr schnell, zwei oder drei Tagen, nachdem es mit der Koralle in Kontakt gekommen ist, verursacht es eine Korallenbleiche."

    Für die Koralle eine beinahe aussichtslose Situation – wären da nicht ihre kleinen hilfreichen Bewohner. Hay:

    "Zunächst wird eine kleine Kette an chemisch vermittelten Aktionen ausgelöst: Die Alge vergiftet langsam die Koralle, die Koralle gibt dabei einen Stoff ab, der den Bodyguards sagt: 'Komm her und iss die Alge!' Und tatsächlich kommen die Grundeln innerhalb von fünf bis 15 Minuten."

    Ein Wirtsorganismus ruft also mit Hilfe eines chemischen Stoffes Fressfeinde seines Konkurrenten herbei. Nirgendwo sonst auf der Welt, meint Mark Hay, habe man bisher eine solche Form der Symbiose entdeckt, die zudem für die Korallen von großer Bedeutung sein dürfte. Denn während sie unter der zunehmenden Erwärmung leiden, wird das Wachstum der Algen gefördert. Gleichzeitig fehlt es aufgrund von Überfischung an Fressfeinden für die Algen, die daher oft den Verdrängungswettbewerb gegen die Korallen gewinnen. Hier schaffen die kleinen Grundeln ein Gegengewicht. Natürlich nicht ganz uneigennützig.

    "Die Grundeln, die verbringen ja in der Koralle ihr ganzes Leben. Das ist ihr Zuhause, sie können sich dort ernähren und sich schützen. Sie kommen raus und wie kleine Friseure fressen sie die Algen ab und säubern die Koralle. Dafür können sie ihr Zuhause dann erhalten."

    Doch das ist noch nicht alles. Hay und seine Kollegin Dixson haben zwei Arten von Korallengrundeln untersucht. Beide befreiten die Koralle von ihrem giftigen Angreifer. Doch während die Rotkopfgrundel die Alge nur abfrisst und wieder ausspuckt, schluckt die Blaupunkt-Korallengrundel die Algen herunter. Denn im Gegensatz zu ihrer Artgenossin kann diese Grundel auch selbst Gift produzieren. Sie kann über ihre Haut einen giftigen Schleim absondern, der auf Fressfeinde eine narkotische Wirkung ausübt. Hat sie nun vorher die giftige Alge verspeist, so konnten Hay und Dixson nachweisen, verdoppelt sich diese narkotische Wirkung. Die Koralle hat damit noch bessere Chancen, dass ihr der kleine Helfer mit der großen Bedeutung nicht einfach weggefressen wird. Ein Helfer, so meint Mark Hay, den man in Zukunft im Auge behalten sollte, wenn es um den Schutz der Riffe geht:

    "Die Korallenriffe gehen überall auf der Welt zurück. Und wir versuchen sie in all ihrer Komplexität zu verstehen, um zu sehen, wie wir helfen können. Und dies war ein Aspekt, den wir überhaupt nicht kannten: Dass Grundeln den Korallen als Bodyguards dienen."