"Mein Name ist Philip Oltermann, ich bin fleißig, immer pünktlich, um sechs Uhr ist bei mir Feierabend. Meine Leibspeise ist Leberwurst und mein Lieblingshobby ist, mit 200 Sachen über die Autobahn zu brettern."
Oh – falsche Platte! Und noch mal:
"Mein Name ist Philip Oltermann, ich bin zwar oft pünktlich, aber meistens dann doch ziemlich chaotisch. Mein Lieblingsessen ist scharfes, indisches Curry und mein Lieblingshobby ist, gemütlich Fahrrad fahren."
Tja, da wäre sie fast gewesen, die alte Platte mit den Klischees von dem typischen Deutschen. Das kann man von Philip Oltermann nicht gerade behaupten. Philip kauft sich eine Tüte englische Chips und beißt genussvoll rein. Gut, dass es Läden wie Sweet Surburbia in Hamburg gibt, die englische Chips verkaufen. Seit über 16 Jahren lebt Oltermann in London:
"Wenn ich länger in Deutschland bin, dann vermisse ich schon englisches Essen, was so einen schlechten Ruf hat, aber in Wirklichkeit wahnsinnig lecker ist. Zum Beispiel, hier sieht man Branston Pickle, einer Art Chutney, das schmiere ich mir immer sehr gerne auf mein Käsebrot."
Wie es zu solchen Angewohnheiten kam, erzählt er in seinem Buch "Dichter und Denker, Spinner und Banker".
"Als ich mit 16 auf eine englische Schule gegangen bin, hatte ich natürlich einen starken, deutschen Akzent und war unter meinen Schulkameraden ziemlich schnell als "Phil, the German" bekannt. Was bedeutete das genau? – Also ich denke, die hatten erwartet, dass ich als Deutscher immer pünktlich bin, hart arbeite und keinen Humor habe."
Aber auch er selbst will sich nicht frei sprechen von Vorurteilen.
"Ich weiß noch genau an meinem ersten Schultag, als ich meine Schulkameraden sah. Die hatten alle diese Schuluniform an und die sahen alle gleich aus. Und ich fand es ein bisschen verstörend. Ich dachte, es ist, als wäre ich auf einer Militärakademie."
Auch um deutsch-britische Begegnungen anderer Art geht es im Buch.
"Ich hatte mich entschlossen, das Thema deutsch-englischer Beziehungen anhand von Begegnungen zu erzählen, weil ich nicht über Klischees erzählen wollte, sondern von echten Situationen zwischen echten Menschen. Denn ich fand, durch diese Situation konnte man die Klischees ein bisschen umfahren."
"Deutsche arbeiten ..." - "Viel weniger als die Griechen."
Um Missverständnisse geht es da und jede Menge Zuneigung auf beiden Seiten füreinander.
"In der Presse konzentriert man sich immer sehr auf die Unterschiede zwischen den beiden Ländern. In Wirklichkeit gibt es wahnsinnig viel Bewunderung und Ähnlichkeiten, zum Beispiel im 19. Jahrhundert bewunderten viele Briten deutsche Kultur. Und englische Dichter wie Coleridge und Wordsworth gingen in den Harz, um dort deutsche Philosophen zu besuchen. Gleichzeitig gingen deutsche Industrielle wie Krupp und Siemens nach Manchester, um dort vom englischen Wirtschaftswunder zu lernen."
Heute wird mal wieder darüber diskutiert, wie Großbritannien sich von Europa entfernt. Und mit dem Tod Thatchers wird zum x-ten Mal an deren Deutschlandfeindlichkeit erinnert.
"Das Problem dieser europakritischen Bewegung ist, dass die kommt von Zeitungsmacher und Politikern, die zwischen 40 und 50 Jahre alt sind. Die kommen von einer Generation, die sich sehr klar erinnert an die Rede von Margaret Thatcher 1988 in Brügge, die sehr europakritisch war, wo sich diese Premierministerin von einer Europafreundin zu einem Europafeind entwickelt hat. Wenn man sich die Umfragen anguckt, dann ist die nächste Generation komplett anders, die sind gewohnt, dass man am Wochenende mal eben nach Barcelona fliegt oder nach Berlin."
Briten und Deutsche sind sich viel näher, als manche denken: Sie bewundern sich schon lange, sie steigen gerne in den Flieger, um sich zu besuchen und - war da noch was? Ach ja:
"Briten haben keinen Sex, sondern eine Wärmflasche." - "Falsch. Waren Sie schon in Newcastle?"
Und dann gäbe es natürlich noch den Sport:
"Ich hatte ursprünglich nur geplant, ein Jahr lang in London zu bleiben. Der Moment, wo ich mich dann umentschieden habe, war eigentlich ganz komisch: Das war der Moment, als ich einmal mit meiner Mannschaft gegen die eine Lehrermannschaft gespielt habe und ein Tor geschossen habe, durch das wir gewonnen haben, danach habe ich mich so anerkannt gefühlt."
Mit einem Tor zum Briten geworden: Philip Oltermann ist heute mit einer Engländerin verheiratet und hat einen festen Job bei der Zeitung "The Guardian". In seinem Buch schreibt er, dass, wenn er etwas aus dem Treffen zwischen Christopher Isherwood und Marlene Dietrich, dem Zweikampf zwischen Berti Vogts und Kevin Keegan oder dem Wettrennen zwischen Mini und Käfer gelernt habe, dann, dass die beiden Kulturen ohne ihr Gegenüber nie so wären, wie sie sind. Vielleicht ist es heute sowieso nicht mehr so wichtig, ob man Deutscher oder Brite oder eben eine Mischung ist:
"Ich fühle mich weder 100-prozentig deutsch noch 100-prozentig britisch. Ich finde, das ist ganz okay. Ich bin Teil einer Generation von Europäern oder Weltbürgern, die oft mehrere Kulturen oder Nationen in ihren Herzen tragen. Und ich bin auch ganz stolz drauf. Ich bin gerade dabei, mich für eine britische Staatsbürgerschaft zu bewerben, damit ich endlich auch zwei Pässe habe, die das ganz gut ausdrücken."
Buchinfos:
Philip Oltermann: "Dichter und Denker, Spinner und Banker: Eine deutsch-englische Beziehungsgeschichte", Verlag rororo, ISBN: 978-3499625237, Preis: 12,99 Euro
Oh – falsche Platte! Und noch mal:
"Mein Name ist Philip Oltermann, ich bin zwar oft pünktlich, aber meistens dann doch ziemlich chaotisch. Mein Lieblingsessen ist scharfes, indisches Curry und mein Lieblingshobby ist, gemütlich Fahrrad fahren."
Tja, da wäre sie fast gewesen, die alte Platte mit den Klischees von dem typischen Deutschen. Das kann man von Philip Oltermann nicht gerade behaupten. Philip kauft sich eine Tüte englische Chips und beißt genussvoll rein. Gut, dass es Läden wie Sweet Surburbia in Hamburg gibt, die englische Chips verkaufen. Seit über 16 Jahren lebt Oltermann in London:
"Wenn ich länger in Deutschland bin, dann vermisse ich schon englisches Essen, was so einen schlechten Ruf hat, aber in Wirklichkeit wahnsinnig lecker ist. Zum Beispiel, hier sieht man Branston Pickle, einer Art Chutney, das schmiere ich mir immer sehr gerne auf mein Käsebrot."
Wie es zu solchen Angewohnheiten kam, erzählt er in seinem Buch "Dichter und Denker, Spinner und Banker".
"Als ich mit 16 auf eine englische Schule gegangen bin, hatte ich natürlich einen starken, deutschen Akzent und war unter meinen Schulkameraden ziemlich schnell als "Phil, the German" bekannt. Was bedeutete das genau? – Also ich denke, die hatten erwartet, dass ich als Deutscher immer pünktlich bin, hart arbeite und keinen Humor habe."
Aber auch er selbst will sich nicht frei sprechen von Vorurteilen.
"Ich weiß noch genau an meinem ersten Schultag, als ich meine Schulkameraden sah. Die hatten alle diese Schuluniform an und die sahen alle gleich aus. Und ich fand es ein bisschen verstörend. Ich dachte, es ist, als wäre ich auf einer Militärakademie."
Auch um deutsch-britische Begegnungen anderer Art geht es im Buch.
"Ich hatte mich entschlossen, das Thema deutsch-englischer Beziehungen anhand von Begegnungen zu erzählen, weil ich nicht über Klischees erzählen wollte, sondern von echten Situationen zwischen echten Menschen. Denn ich fand, durch diese Situation konnte man die Klischees ein bisschen umfahren."
"Deutsche arbeiten ..." - "Viel weniger als die Griechen."
Um Missverständnisse geht es da und jede Menge Zuneigung auf beiden Seiten füreinander.
"In der Presse konzentriert man sich immer sehr auf die Unterschiede zwischen den beiden Ländern. In Wirklichkeit gibt es wahnsinnig viel Bewunderung und Ähnlichkeiten, zum Beispiel im 19. Jahrhundert bewunderten viele Briten deutsche Kultur. Und englische Dichter wie Coleridge und Wordsworth gingen in den Harz, um dort deutsche Philosophen zu besuchen. Gleichzeitig gingen deutsche Industrielle wie Krupp und Siemens nach Manchester, um dort vom englischen Wirtschaftswunder zu lernen."
Heute wird mal wieder darüber diskutiert, wie Großbritannien sich von Europa entfernt. Und mit dem Tod Thatchers wird zum x-ten Mal an deren Deutschlandfeindlichkeit erinnert.
"Das Problem dieser europakritischen Bewegung ist, dass die kommt von Zeitungsmacher und Politikern, die zwischen 40 und 50 Jahre alt sind. Die kommen von einer Generation, die sich sehr klar erinnert an die Rede von Margaret Thatcher 1988 in Brügge, die sehr europakritisch war, wo sich diese Premierministerin von einer Europafreundin zu einem Europafeind entwickelt hat. Wenn man sich die Umfragen anguckt, dann ist die nächste Generation komplett anders, die sind gewohnt, dass man am Wochenende mal eben nach Barcelona fliegt oder nach Berlin."
Briten und Deutsche sind sich viel näher, als manche denken: Sie bewundern sich schon lange, sie steigen gerne in den Flieger, um sich zu besuchen und - war da noch was? Ach ja:
"Briten haben keinen Sex, sondern eine Wärmflasche." - "Falsch. Waren Sie schon in Newcastle?"
Und dann gäbe es natürlich noch den Sport:
"Ich hatte ursprünglich nur geplant, ein Jahr lang in London zu bleiben. Der Moment, wo ich mich dann umentschieden habe, war eigentlich ganz komisch: Das war der Moment, als ich einmal mit meiner Mannschaft gegen die eine Lehrermannschaft gespielt habe und ein Tor geschossen habe, durch das wir gewonnen haben, danach habe ich mich so anerkannt gefühlt."
Mit einem Tor zum Briten geworden: Philip Oltermann ist heute mit einer Engländerin verheiratet und hat einen festen Job bei der Zeitung "The Guardian". In seinem Buch schreibt er, dass, wenn er etwas aus dem Treffen zwischen Christopher Isherwood und Marlene Dietrich, dem Zweikampf zwischen Berti Vogts und Kevin Keegan oder dem Wettrennen zwischen Mini und Käfer gelernt habe, dann, dass die beiden Kulturen ohne ihr Gegenüber nie so wären, wie sie sind. Vielleicht ist es heute sowieso nicht mehr so wichtig, ob man Deutscher oder Brite oder eben eine Mischung ist:
"Ich fühle mich weder 100-prozentig deutsch noch 100-prozentig britisch. Ich finde, das ist ganz okay. Ich bin Teil einer Generation von Europäern oder Weltbürgern, die oft mehrere Kulturen oder Nationen in ihren Herzen tragen. Und ich bin auch ganz stolz drauf. Ich bin gerade dabei, mich für eine britische Staatsbürgerschaft zu bewerben, damit ich endlich auch zwei Pässe habe, die das ganz gut ausdrücken."
Buchinfos:
Philip Oltermann: "Dichter und Denker, Spinner und Banker: Eine deutsch-englische Beziehungsgeschichte", Verlag rororo, ISBN: 978-3499625237, Preis: 12,99 Euro