Die spektakulären Anschläge selbst ernannter 'Märtyrer’ und 'heiliger Krieger’, ihre fast alltägliche mediale Präsenz haben den Islam in Verruf gebracht. Viele begegnen dieser Religion inzwischen mit Skepsis, Misstrauen, ja Ablehnung. Solch emotionale Reaktionen sind verständlich, einer vertiefenden Auseinandersetzung dienen sie nicht. Wer lieber Kopf und Verstand gebrauchen möchte, wird auf dem Buchmarkt eine Fülle von Titel finden.
Drei, deren Lektüre lohnt, weil sie dazu beitragen, Phänomene und Verhaltensweisen zu verstehen, seien hier vorgestellt:
"Geschichte des Islam - Entstehung, Entwicklung und Wirkung" von Eberhard Serauky, >"Der Niedergang des orientalischen Christentums unter dem Islam" von Bat Ye`or und >"Allahs Schleier - Die Frauen im Kampf der Kulturen" von Hans-Peter Raddatz.
Alle drei Bücher fallen mit jeweils rund 480 Seiten umfangreich aus, sind in Anlage wie Intention jedoch recht unterschiedlich. Während der deutsche Orientalist Eberhard Serauky die Geschichte des Islam von den Anfängen bis heute skizziert, widmet die ägyptische Autorin Bat Ye`or ihre, durch zahlreiche Quellentexte ergänzte Arbeit, exemplarisch dem Schicksal des orientalischen Christentums unter dem Islam. Das Buch des Islamwissenschaftlers und Publizisten Hans-Peter Raddatz: "Allahs Schleier - Die Frauen im Kampf der Kulturen", greift ebenfalls weit in die Geschichte zurück. Die Rolle der Frau im Islam steht dabei zwar klar im Vordergrund, doch hindert das den Autor nicht, auch antike und christliche Vorstellungen darzustellen und zu bewerten.
Die Auseinandersetzung mit dem Islam ist heikel; der Vorwurf, das Thema einseitig zu behandeln, schnell erhoben. Wohl auch deshalb legen die drei Verfasser gleich zu Beginn ihre Sicht offen. Für Eberhard Serauky wird der Islam zu Unrecht in die Nähe von Gewalt und Terror gerückt. Ihm geht es darum, ein sachlicheres Bild zu vermitteln:
Meine 'Geschichte des Islam’ behandelt die Entstehung dieser Religion und die Entwicklung eines Großreiches, das sich um 711 bereits im Westen bis nach Spanien und im Osten bis zum Indus erstreckte. In diesem Reich standen Wissenschaften sowie Kultur in hoher Blüte. Als verbindendes Element fungierte in dem Reich die arabische Sprache als Medium der Wissenschaften, Bildung und des Schrifttums. Europa empfing aus dieser Sphäre zahlreiche Einflüsse. Denn mit der arabischen Philosophie kam über das islamische Spanien und Sizilien die Lehre des Aristoteles nach Frankreich.
Dass dieses Reich - wie viele vor und nach ihm - mit dem Schwert errichtet wurde, das der Islam einen universellen Machtanspruch hat, der die Anwendung von Gewalt nicht ausschließt, verschweigt der Autor nicht. Dennoch ist Serauky stets bemüht, stereotypen, oberflächlichen Beurteilungen zu begegnen. Breiten Raum widmet er der politischen wie religiösen Entwicklung auf der arabischen Halbinsel vor dem Islam sowie dem Leben des Religionsstifters Mohammed bzw. Muhammad - wie der Autor durchgehend schreibt. Das 6. und 7. Jahrhundert war eine Zeit verblassender Götterwelten. Hanif, Gottessucher, stellten die überkommenen Vorstellungen offen in Frage. Ein national-arabischer Monotheismus bildete sich heraus. Der Begriff 'Allah’ war weit verbreitet. Serauky greift für seine Darstellung immer wieder auf die islamische Geschichtsschreibung zurück, die für ihn beispielhaft ist:
Mit dem Aufkommen des Islam erhielt diese Literatur neue Impulse und entwickelte sich bald über das große Sammeln von Nachrichten über Muhammad hinaus zur ersten historischen Darstellung. Das Leben des Propheten und seiner engsten Gefährten wurde mit beachtlicher Zuverlässigkeit in den historischen Zusammenhang gestellt; darüber hinaus machten sich bald quellenkritische Bemühungen bemerkbar, die auf eine Überprüfung der Glaubwürdigkeit der Überlieferungen von dem Propheten hinausliefen.
Bat Ye`or setzt sich ebenfalls mit dem frühen Islam auseinander, vor allem mit seiner kämpferischen Seite. Ihre Untersuchung könne dabei nur ein negatives Bild der Geschichte der islamischen Völker ergeben,
da es den durch Zufall der Umstände bedingten oder politisch geplanten Auflösungsprozess der unterworfenen Völker genau beschreibt.
Für die Autorin ist der beispiellose Siegeszug des Islam eng mit dem 'Dschihad’, dem 'heiligen’, religiös begründeten Krieg gegen Nichtmuslime verbunden:
Der Dschihad verbindet die Bräuche des großen kriegerischen Nomadentums mit den Lebensbedingungen Muhammads in Yathrib (Medina), wohin er sich 622 begeben hatte, um den Verfolgungen der mekkanischen Götzendiener zu entfliehen. Jeglicher Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts beraubt, organisierte der Prophet Kriegszüge, um die Karawanen, die mit Mekka Handel trieben, abzufangen. Göttliche Offenbarungen, die zu diesen Kriegszügen passten, rechtfertigten den Anspruch der Muslime auf Leben und Eigentum ihrer ungläubigen Feinde. Koranverse verliehen der psychologischen Einstimmung der Kämpfer, der Logistik und der Modalitäten des Kampfes, der Aufteilung der Beute sowie dem Los der Besiegten einen sakralen Charakter."
Ziel des Dschihad - eines permanenten Krieges, der Frieden ausschließt und nur eine provisorische Waffenruhe erlaubt - sei die Unterwerfung aller Völker der Erde unter das Gesetz Allahs, das durch seinen Propheten Muhammad verkündet wurde. Ein Teil der islamischen Gelehrten betrachtet ihn gar als eine der Säulen des Glaubens, dem jeder Muslim verpflichtet ist, sei es durch Waffendienst oder finanzielle Unterstützung.
Ein zweiter zentraler Begriff der Untersuchung Bat Ye`ors ist 'Dhimmitude’. Er umschreibt die rechtliche Lage der 'Dhimmi’, der unterworfenen, tributpflichtigen Völker. Sie hatten einen minderen Status inne, der sich nur schwer beschreiben lässt, da es sich dabei nicht um ein statisches System handelte. 'Dhimmitude’ wird nach den Worten der Autorin deshalb auch nicht mit Formeln wie 'beschützte religiöse Minderheit’, 'Form islamischer Toleranz’ oder 'Bürger zweiter Klasse’ erfasst. Es handelte sich vielmehr um ein System, das den Alltag der jüdischen wie christlichen Minderheiten bestimmte, sich dabei über Jahrhunderte aber beständig weiterentwickelte. Zu seiner religiös-politischen Struktur gehörte auch die physische Vernichtung. Ein Schicksal, das die Armenier Ende des 19. Jahrhunderts im Osmanischen Reich erfuhren, und das auch den slawischen und griechischen Christen drohte, was aber die europäischen Mächte durch ihr - häufig allerdings nur zögerliches - Eingreifen verhinderten. Das Dhimmi-System sei eine Geschichte der Unterdrückung wie der Kollaboration:
Der Erfolg dieses Systems ist gleichermaßen der ungestümen Furchtlosigkeit der Soldaten des Islam und dem Scharfsinn seiner Politiker zuzuschreiben wie der Käuflichkeit, dem vielfältigen Verrat, der Bereitschaft der Oberhäupter der Dhimmis zur Zusammenarbeit und dem Ehrgeiz von Renegaten.
Hans-Peter Raddatz unterzieht den Islam in "Allahs Schleier - Die Frauen im Kampf der Kulturen" ebenfalls einer kritischen Betrachtung. Gleich zu Beginn seiner Arbeit spricht er
.. von einer islamischen Abwertung der Frau als Mensch. Seit etwa 14oo Jahren haben Männer des Islam ihren 'Glauben’ in einer Weise verstanden und an den Frauen ausgeübt, welche diese heute als abwegig, repressiv und menschenfeindlich zu beschreiben beginnen.
Dort, wo der Islam in der Geschichte gegenüber anderen Kulturen und Religionen tolerant auftritt, ist er für Raddatz 'unislamisch’. Beispielhaft nennt er die von Mu`awiya, der sich 661 in Jerusalem selbst zum Kalifen ernannt hatte, begründete arabische Dynastie der Umayyaden. Diese hätten sich auf eine indoiranisch-griechische Tradition gestützt. Durch die 'islamischen’ Abbasieden im 8. Jahrhundert verdrängt, wichen sie nach Spanien aus, einen indogermanischen Kulturraum, dessen westgotische Bräuche betont frauenfreundlich waren. Hier erlangte ihre Herrschaft eine neue Blüte.
Der Autor unterscheidet zwischen 'altem’ und 'neuem’ Islam. Die Grenze zwischen beiden erblickt er in der Herausforderung, mit der sich der Islam durch die Ausdehnung der westlichen Zivilisation bis heute konfrontiert sieht:
Dabei ging es nicht nur um die Probleme, in die Allahs Gesetz durch die modernen Wirtschafts- und Politikformen geriet. Unser Blick in die europäische Frauengeschichte hat gezeigt, dass auch hier sich eine Frauenabwertung bildete, die in vieler Hinsicht mit der islamischen vergleichbar war. Erst die fortschreitende Modernisierung in beiden Zivilisationen hat ihr grundsätzlich unterschiedliches Frauenverständnis sichtbar gemacht. Im Abendland schwang ein dem Islam fremdes, dem Weiblichen verpflichtetes Gewissen mit, das sich aus ganz anderen Religions- und Kulturwurzeln herleitete. Das geistige Erlösungskonzept formte einen - über lange Zeit männlich blockierten - virtuellen Freiraum, den die Frauen Europas ganz allmählich zu betreten und zu aktivieren begannen.
Der 'neue Islam’ hat sich nach den Worten des Islamwissenschaftlers den Gegebenheiten inzwischen angepasst. Wirksame Strategien zur Islamisierung Europas wurden entwickelt, die die Möglichkeiten der europäischen Verfassungen nutzen. Als Beispiel nennt Raddatz den 'Kopftuch-Streit’ in Deutschland. Die hohe symbolische Bedeutung des Tuches werde von Politikern nicht verstanden oder fahrlässig ignoriert:
Der Schleier sichert das ebenso uneingeschränkte Besitzrecht des Mannes als Ausdruck des geltenden schariatischen Rechts und ist daher unverzichtbar in der Behauptung der islamischen Autonomie gegen westlichen Einfluss. Dies machten die Bundesrichter klar, die das Kopftuch am Arbeitsplatz als Teil der 'Religionsfreiheit’ verfügten, und es den Ländern freistellten, wenn es um einen Einsatz im öffentlichen Dienst geht.
Das war eine Sammelbesprechung von Reinhard Backes zu den Büchern von
Eberhard Serauky: "Geschichte des Islam. Entstehung, Entwicklung und Wirkung," erschienen im Quintessenz-Verlag, Berlin, 488 Seiten zum Preis von 29 Euro 90. Ferner von Bat Ye`or: "Der Niedergang des orientalischen Christentums unter dem Islam. Zwischen Dschihad und Dhimmitude." Resch Verlag in Gräfelfing, 483 Seiten für 35 Euro, und schließlich das Ende des Monats im Buchhandel erhältliche Opus von Hans-Peter Raddatz: "Allahs Schleier über dem Westen. Die Frauen im Kampf der Kulturen", Herbig-Verlag, München 2oo4, 450 Seiten zu 24 Euro 9o.