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"Die drei Übeltäter"

Der Bildhauer Georg Halbritter fertigte nach dem Tod der RAF-Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe deren Totenmasken an. Jetzt hat ein Kunsthändler diese Masken erworben und eine Diskussion um Totenkult entfacht.

Von Christian Gampert |
    Der Tübinger Bildhauer Georg Halbritter hat den drei RAF-Mitgliedern Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe 1977 die Totenmasken abgenommen, und die Frage ist, warum er das tat. Wir können Halbritter nicht mehr fragen, denn auch er ist mittlerweile gestorben. Wir können aber rekonstruieren, dass die Leichen von Baader, Ensslin und Raspe in Tübingen seziert wurden, von dem damals berühmten Gerichtsmediziner Hans Joachim Mallach. Die offizielle Version, die drei Stammheimer Gefangenen hätten Selbstmord begangen, wurde damals stark angezweifelt; das Land Baden-Württemberg hatte also Grund, die Todesursache klären zu lassen.

    Warum dann ein Künstler Zutritt zu den Toten erhielt, bleibt allerdings im Dunkeln. Nach der Obduktion, so heißt es in den Agenturmeldungen, blieben die Leichen noch einen Tag und eine Nacht im Tübinger gerichtsmedizinischen Institut liegen, wo Halbritter "an ihnen arbeitete". Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Er arbeitete an den bereits sezierten Leichen. Erlaubt hatte ihm das der Vater von Gudrun Ensslin, ein evangelischer Pfarrer, der zwar für seine eigene Tochter, aber wohl kaum für Baader und Raspe rechtsverbindlich sprechen konnte. Aber so ging man damals mit Staatsfeinden um: Man nahm es nicht so genau. Waren ja nur Terroristen.

    Dass die drei RAF-Mitglieder aber irgendeine historische Bedeutung haben könnten, muss auch der Bildhauer Halbritter erkannt haben, sonst hätte er kaum an ihnen "gearbeitet". Andererseits wird ihm kurz darauf bewusst geworden sein, dass die Totenmaske von Andreas Baader ideologisch eine andere Qualität haben würde als die von, sagen wir, Willy Brandt oder Gottfried Benn: Man nimmt die letzte Maske von verdienten Personen und bewahrt sie für die Nachwelt. Bei der RAF lag die Sache etwas anders, und deshalb verschwanden die Gipsabdrücke in einer Schachtel, auf der (auf Italienisch) "Die drei Übeltäter" stand.

    Es ehrt Halbritter, dass er nicht versuchte, die Masken zu versilbern. Aber jetzt, 32 Jahre nach den Stammheimer Selbstmorden, hat Halbritters Tochter den Nachlass des Vaters gesichtet und die drei Werke verkauft: 20.000 Euro zahlte der Zinnowitzer Kunsthändler Andreas Albrecht nach eigenen Angaben dafür.

    Wenn Albrecht jetzt versucht, die drei Masken als Leihgaben in ein Museum zu bringen, und wenn er sich besorgt darüber äußert, die Werke könnten "in die falschen Hände" gelangen, nämlich in die Hände derer, die diese Köpfe "wie Reliquien" verehren, dann ist das mehr als scheinheilig. Erstens ist die Zahl derer, die Andreas Baader verehren, mit den Jahren doch ziemlich gesunken. Die wenigen, die das noch tun, werden auch schwerlich 20.000 Euro übrig haben für eine Reliquie, denn sie leben meist am Rand der Gesellschaft.

    Wahrscheinlicher ist, dass der Kunsthändler Albrecht den Preis der Reliquie, oder sagen wir des Kunstwerks, hochtreiben möchte. Dabei ist es immer hilfreich, auf wichtige, große Ausstellungen verweisen zu können, in denen die Werke zu sehen waren. Das selbstlose Ausleihen der Gips-Köpfe hat also ganz profane Ziele: die Profitmaximierung (die die RAF übrigens bekämpfte).

    Es wird sich wahrscheinlich aber weder ein Kunst- noch ein zeitgeschichtliches Museum finden, das die RAF-Totenmasken zeigt. Man kann an ihnen nichts lernen, und zur Totenverehrung besteht kein Anlass. Die Köpfe werden bleiben, wo sie sind: in der Kiste. Und wer immer Devotionalienkult betreiben möchte, ist nicht auf das Original angewiesen: Es kursieren bereits weitere, billigere RAF-Totenmasken, die nach Halbritters Abgüssen illegal angefertigt wurden. Die können die Anhänger der RAF-Retro-Popkultur sich dann, als bizarre Erinnerung, ins Wohnzimmer hängen.