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Die Eismacher aus dem Zoldotal

Das Pendeln zwischen zwei Ländern gehört für immer mehr Europäer zum Alltag. Auch die Eismacher aus dem Zoldotal im Nordosten Italiens haben darin Übung. Seit Generationen verbringen sie den Sommer in Deutschland und kehren im Winter in ihre Heimat zurück.

Von Kirstin Hausen |
    In Forno di Zoldo, dem Hauptort des Zoldotals in der Provinz Belluno, heizt Dario Olivier den Kachelofen an, der seine Küche dominiert.

    "Das ein Original-Ofen aus Zoldotal. wir haben Ölheizung, die wir aber nur wenig benutzen. Das ist eine große Heizquelle, das wird einmal am Tag angezündet, dauert eine halbe Stunde. Das machen wir morgens, wenn wir Frühstücken und dann sind wir bis am nächsten Morgen bedient."
    Der Kachelofen hat aber nicht nur einen praktischen Nutzen, sondern weckt auch Erinnerungen an früher, an die Familiengeschichten, die Darios Vater ihm als Kind erzählt hat. Die Armut und die Kälte spielten darin die Hauptrollen, und Glück bedeutete, sich um den wärmenden Kachelofen in der Küche zu scharen, auf dem ein Topf Suppe brodelte.

    Heute kocht auf dem Herd das Nudelwasser. Darios Frau Anna bereitet das Abendessen zu. Sie ist Ende 40, ihr kupferrot gefärbter Pagenkopf fällt auf.

    "Ich fühl´ mich nicht so ganz Italienerin, ich schreie nicht so rum wie die anderen, da ist schon ein Unterschied, aber ich glaub´, jedem geht das hier so."

    Hier, das ist das Zoldotal, Teil des Nationalparks Belluneser Dolomiten. Ein Winterparadies mit viel Schnee und Eis, unberührter Natur, Gämsen und Murmeltieren. Die alte Heimat. Mit 18 Jahren hatte Anna das Tal verlassen, für die Liebe zu einem Eismacher, der im Frühling in Münsterland aufbrach.

    "Da war so eine Clique, wir haben uns immer um 8 Uhr abends getroffen, und so ist das gekommen, wir haben uns vier Monate gesehen und dann acht Monate nicht, nur geschrieben, und irgendwann haben wir geheiratet, aber wir sind mit 17 zusammen gekommen. Unglaublich und immer noch zusammen."

    Anna lacht ihrem Mann zu, der zwei nasse Skianzüge in der Nähe des Kachelofens zum Trocknen aufhängt: Einen großen, blauen und einen kleinen, roten. Der gehört Sohn Manolo. Er ist zwölf Jahre alt und geht in Belluno, der Provinzhauptstadt zur Schule. Seine Eltern sieht er jedes Jahr im Winter und in den Sommerferien. Sie dauern in Italien drei Monate. Diese Zeit kann Manolo in Deutschland verbringen. Sonst lebt er bei den nonni, den Großeltern.

    "In Deutschland ist auch schön, weil die ganzen Geschäfte sind, wo man Spiele von Playstation kaufen kann."
    Die Playstation und das Fernsehen leisten Manolo im Sommer viel Gesellschaft. Denn dann ist in der Eisdiele Hochbetrieb, und seine Eltern arbeiten von früh bis spät. Jetzt dagegen haben sie Zeit. Auch für den älteren Sohn Nico, der inzwischen mit seiner Frau in Padua lebt.

    "Eigentlich will ich in Italien bleiben, aber man kann nie sagen. Ich kann auch die Eisdiele übernehmen. Ich habe ja alles im Blut. Alle hier in Zoldo sind so, die Kinder haben gleiches Leben wie ich gemacht. Zoldo ist so, seit 100 Jahren."
    Und gleichzeitig ist es ganz anders als vor 100 Jahren. Denn aus den armen Auswanderern von damals sind selbstbewusste Geschäftsleute geworden. Dario Olivier ist darüber sehr froh.

    "Wir wollen von diese Klischee versuchen wegzukommen. Wir sind Unternehmer, die sich entschieden haben, ihren Unternehmenssitz in Deutschland , und dadurch fühlen wir uns nicht so als Immigranten. Wir leben die meiste Zeit in Deutschland sehr gerne, aber wir kommen auch gerne nach Italien und sind hier auch integriert in Dorfleben."

    Zum Beispiel beteiligen sich die Eismacher aus Deutschland jedes Jahr an der Organisation des Gebirgskarnevals in Fornesighe, einem höher gelegenen Nachbarort.

    "Es gibt diejenigen die ausgewandert sind und auch die die hier gewohnt haben und da gibt es die Möglichkeit zu zeigen, was dann die Leute hier getan haben."

    Sagt Augusto de Pellegrin, der die Eisdiele seines Vaters in Oberfranken vor Kurzem übernommen hat.
    "Wir sind dabei, die nächste Generation zu verlieren",

    meint Augustos Vater, Beniamino de Pellegrin.

    "Weil die wollen diese Beruf nicht mehr machen. Das ist eine Gefahr, wir müssen etwas tun, dass wir die jungen Leuten wiedergewinnen und da muss Deutschland auch etwas tun, weil ist bestimmt auch eine Bereicherung für Deutschland."