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Die Energie der Pflanzen

Gerade rechnete die Internationale Energieagentur IEA vor, dass bereits zehn Prozent der weltweiten Abfälle aus Land- und Forstwirtschaft ausreichen würden, um gut vier Prozent des weltweiten Kraftstoffverbrauchs im Transportsektor zu bedienen. Bisher galt die Nutzung von agrarischen Rohstoffen für Treibstoffe jedoch als fragwürdig.

Von Dieter Nürnberger | 10.02.2010
    Die Tendenz ist eindeutig. Seit Jahren steigt in Deutschland die Anbaufläche für Energiepflanzen. Inzwischen sind es hierzulande rund zwei Millionen Hektar, das entspricht 17 Prozent der Ackerflächen. Das neue Positionspapier des Bundesamtes für Naturschutz trägt den Untertitel "Synergien fördern und Risiken vermeiden". Das heißt konkret, dass die Bundesbehörde weder die pauschale Kritik am Anbau dieser Pflanzen teilt noch, dass sie einer pauschalen Euphorie das Wort redet. Es ist eine Bestandsaufnahme mit negativen und auch positiven Analysen zum Verhältnis Bioenergie und Naturschutz. Negativ sei dabei beispielsweise die Tendenz zum Anbau großflächiger Monokulturen – Beate Jessel, die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz:

    "Etwa vier Meter hohe Maispflanzen, die in wassersensiblen Gebieten zu Auswirkungen auf den Wasserhaushalt führen können. Hinzu kommen unter Umständen Nährstoffbelastungen durch Sickerreste. Oder auch Gärrückstände, die bei der Biomasseproduktion anfallen. Das Aufbringen auf die Fläche erfolgt oft in konzentrierter Form und kann dort dann auch zu entsprechenden Belastungen des Grundwassers führen."

    Ein Ausbau der Bioenergie sollte deshalb mit Augenmaß erfolgen. Es komme auf die regionalen Besonderheiten ebenso an wie auf neue Nutzungsoptionen. Beispiele:

    "Der Anbau von Mischkulturen statt Monokulturen – da gibt es auch bei Mais Möglichkeiten. Etwa durch Sonnenblumen mit Mais oder auch beim Roggen. Da gibt es unter dem Aspekt Naturschutz durchaus interessante Möglichkeiten. Durch Erweiterungen bei der Fruchtfolge, durch die Einführung neuer Kulturen - Flachs als Beispiel."

    Erst mit solchen Vorgaben, sagt Beate Jessel, sei gewährleistet, dass die Biomassebereitstellung in einer naturverträglichen Weise erfolge. Sonst drohe eine Monotonisierung der Landschaft, ein Rückgang der ökologischen Vielfalt und auch weitere Belastungen von Grund und Boden. Das Bundesamt geht auch davon aus, dass bei der Biomassebereitstellung ein weiterer Forschungs- und Entwicklungsbedarf bestehe.

    So gehe es beispielsweise auch darum, die Vielfalt beim Anbau zu fördern. Warum nicht auch mit Pflanzen, die hierzulande kaum bekannt seien. Wolfgang Peters ist vom Planungsbüro Bosch und Partner.

    "Ein gutes Beispiel ist da die durchwachsene Silphie: Sie ist ursprünglich einmal als Futterpflanze aus Russland gekommen. Sieht ganz gut aus, sie blüht gelb. Sie ist mehrjährig und schont somit auch den Boden. Sie lässt sich gut verarbeiten und liefert recht hohe Biomasseerträge. Die Silphie muss allerdings gepflanzt werden, sie wird nicht ausgesät. Es sind also damit höhere Investitionskosten verbunden als etwa beim Mais, es rentiert sich somit nicht sofort."

    Doch wie überzeugt man die Anbauer, die Landwirte also, bei der Bioenergienutzung auch ökologische Aspekte nicht zu vernachlässigen. Das Bundesamt für Naturschutz sieht vor allem die Förderprogramme – egal ob national oder international - als Schlüssel zum Erfolg an. Präsidentin Beate Jessel:

    "Es ist denkbar, Investitions- oder auch Förderprogramme an Vorgaben zu koppeln. Auflagen beispielsweise beim Einsatz der Substrate, man kann auch den Maisanteil begrenzen oder bestimmte Fruchtfolgen fordern. In Schleswig-Holstein spielt dies bei den Förderrichtlinien für Biogasanlagen schon eine Rolle."

    Gleichzeitig sollte darauf geachtet werden, dass schützenswerte Flächen wie Feuchtgebiete oder Moore grundsätzlich nicht als Anbauflächen zur Verfügung stehen. Nur mit solchen Vorgaben lasse sich die Bioenergienutzung hierzulande langfristig etablieren und auch umweltpolitisch rechtfertigen, so das Bundesamt für Naturschutz.